US-Konzerne:Plötzlich politisch

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Das aggressive Vorgehen des Präsidenten spaltet nun auch die US-Unternehmen und die Konsumenten. Es gibt Boykottaufrufe von links und solche von rechts. Kaum jemand kann sich dem noch entziehen.

Von Kathrin Werner, New York

Einst galt in den USA eine Regel: Unternehmen haben keine Meinung. Die Verstrickungen der Wirtschaft in die Politik - etwa Lobbyarbeit und Politikerspenden - sollten möglichst geheim bleiben, um keine Kunden zu verschrecken. Doch diese Zeiten sind vorbei. Der neue US-Präsident Donald Trump attackiert missliebige Unternehmen direkt per Twitter, eine immer kontroversere Politik wie Trumps Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimischen Ländern lockt Manager aus der Reserve. Wer als Trump-Unterstützer wahrgenommen wird, erntet Boykottaufrufe von links. Wer als Trump-Gegner gilt, Boykottaufrufe von rechts.

Die Website grabyourwallet.org sammelt die linken Appelle. "Wer gegen Trump gestimmt hat, hat an der Wahlurne verloren, kann jetzt aber an der Kasse gewinnen", sagt Mitorganisatorin Shannon Coulter, die eine Tabelle der Unternehmen erstellt und aktualisiert, die der Trump-Familie gehören oder sie unterstützen. Dazu zählen Geschäfte, die Trump-Markenartikel verkaufen, unter anderem Amazon, aber auch Firmen, deren Manager Trumps Wahlkampf mitfinanziert haben wie die Outdoor-Bekleidungskette LL Bean. Auch auf der Liste stehen Firmen, die bei Trumps Fernsehsendung "The Celebrity Apprentice" Werbung schalten, etwa der Kreuzfahrt-Konzern Carnival.

Starbucks oder Budweiser zählen dagegen zu den Hassobjekten der Trump-Fans, weil sie als flüchtlingsfreundlich gelten. "Politische Konsequenzen passieren sekundenschnell", sagte der Krisenkommunikationsberater Matt Friedman der Nachrichtenagentur AP. "Jede Firma muss ständig schauen, in welches politische Spektrum ihre Kunden am ehesten gehören und wie sich die Firma den täglichen Handlungen des Präsidenten anpasst." Die Boykottaufrufe der Trump-Feinde sind bislang erfolgreicher als die der Trump-Fans - was auch daran liegen könnte, dass Trump mehr Gegner als Unterstützer hat. Trotz Boykottaufrufen bleiben Unternehmen bislang bei ihrer Entscheidung gegen Trump-Produkte. Die Kaufhauskette Macy's hatte zum Beispiel 2015 Waren der Marke Trump aus dem Programm genommen, als Trump mexikanische Einwanderer "Vergewaltiger" nannte. Trump rief zum Boykott auf. "Wir haben unsere Entscheidung vor eineinhalb Jahren getroffen und bleiben dabei", sagte Macy's-Chef Terry Lundgren vor Kurzem. Allerdings sei der Konzern unpolitisch. "Wenn Hillary Clinton eine Hosenanzug- oder Handtaschen-Marke hätte, würden wir die auch nicht führen." Die Marke von Trumps Tochter Ivanka führt Macy's noch.

Die Einzelhandelskette Nordstrom dagegen hat Tagen verkündet, Ivanka Trumps Schuhe und andere Produkte aus dem Programm zu nehmen. Das liege allerdings an sinkenden Verkaufszahlen und sei keine politische Entscheidung, teilte die Firma mit - nachdem Trump-Fans sie per Twitter attackiert hatten. Auch das Luxus-Kaufhaus Neiman Marcus will Trumps Marken nicht mehr führen. Kawasaki hat verkündet, künftig nicht mehr bei "The Celebrity Apprentice" zu werben. Und der Fahrdienst-Vermittler Uber ist ebenfalls eingeknickt. Uber erntete Kritik, weil Firmenchef Travis Kalanick in Trumps Wirtschaftsbeirat saß und Uber Rabatte für die Taxi-Alternative anbot, als die Taxifahrer in New York wegen Trumps Einreiseverbots streikten. Hunderttausende Nutzer löschten ihr Uber-Konto. Daraufhin gelobte Uber, vom Einreiseverbot betroffenen Fahrern zur Seite zu stehen, Kalanick trat aus dem Trump-Beraterkreis aus. Disney-Chef Bob Iger war zum Treffen des Gremiums am Freitag einfach nicht erschienen, angeblich wegen Terminkollision.

Die Konzerne empört vor allem das Einreiseverbot

Die Unternehmen aus dem Silicon Valley hatten sich mit politischen Statements lange zurückgehalten, obwohl außer dem prominenten Investor Peter Thiel kaum jemand in der Tech-Industrie bei der Präsidenten-Wahl im November für Trump gestimmt hatte. Die Unternehmenschefs wollten Trump erst eine Chance geben, schließlich haben sie Kunden von beiden Seiten des politischen Spektrums. Mitte Dezember erschienen Topmanager wie Jeff Bezos von Amazon, Tim Cook von Apple, Sheryl Sandberg von Facebook und Satya Nadella von Microsoft sogar im Trump Tower in New York, um den Präsidenten kennenzulernen. Doch inzwischen hat die Tech-Industrie fast durchgängig gegen Trump Stellung bezogen. Wendepunkt war das per Dekret verhängte Einreiseverbot.

Twitter, Uber, Facebook, Microsoft, Google und Apple zählen auch zu den insgesamt 97 Unternehmen, die sich am Montagmorgen als so genannte Amicus Curiae, Freunde des Gerichts, beim Berufungsgericht in San Francisco gemeldet haben. Sie unterstützen offiziell die Entscheidung der ersten Instanz, Trumps Einreiseverbot außer Kraft zu setzen. Es sei diskriminierend, schlecht für die Wirtschaft und verstoße gegen Gesetze und die Verfassung. Die meisten der 97 sind IT-Firmen, aber auch die Jeans-Firma Levi Strauss und der Joghurt-Hersteller Chobani sind dabei.

Auch beim Super Bowl am Sonntag, dem Endspiel der US-amerikanischen Football-Liga, haben mehrere Konzerne in ihren Werbespots indirekt Stellung gegen Trumps Politik bezogen. Budweiser erzählte die Geschichte des deutschen Unternehmensgründers Adolphus Busch und seiner Ankunft in den USA. Erst war er nicht willkommen in dem Land, dann gründete er die uramerikanischste aller Brauereien - ein Hinweis darauf, dass Einwanderer die Vereinigten Staaten gegründet und stärker gemacht haben. Coca-Cola und Airbnb betonten in ihren Werbespots die Vorteile einer bunten, multikulturellen Gesellschaft. "Egal, wer du bist, woher du kommst, wen du liebst oder anbetest, wir gehören alle dazu", hieß es in der Airbnb-Werbung. "Die Welt ist umso schöner, je mehr wir das akzeptieren." Am lustigsten und eindeutigsten war der Clip der Haarpflegefirma "It's a 10", der eine Ansammlung amerikanischer Frisuren (inklusive Brust-, Rücken- und Hundehaar) zeigte und mit den Worten endete: "Amerika, uns stehen vier Jahre schreckliche Haare bevor, deshalb ist es euch überlassen, dies mit tollen Haaren auszugleichen."

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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