US-Handelspolitik:Unterstützung vom Klassenfeind

Lesezeit: 2 min

Donald Trump erhält vor seinem Treffen mit Xi Jinping Hilfe von linksgerichteten Forschern: Chinas WTO-Beitritt hat demnach Millionen US-Jobs vernichtet. Viele neu gewählte Demokraten teilen die Analyse.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Wenn es um Kritik an US-Präsident Donald Trump geht, sind die Wirtschaftsforscher des Washingtoner Economic Policy Institutes (EPI) meist nicht weit. Das ist wenig verwunderlich, denn das EPI rangiert im politischen Spektrum deutlich auf der linken Seite, während es Trump ja gelegentlich gar schwerfällt, sich von eindeutig rechtsextremen und rassistischen Landsleuten abzugrenzen. Und doch, bei einem Thema passt zwischen das linke Institut und den rechten Präsidenten kein Blatt Papier: beim Handelsstreit mit China.

Erst jüngst hat das EPI wieder vorgerechnet, wie groß aus seiner Sicht der Schaden ist, den die Volksrepublik seit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO mit ihren Exportüberschüssen angerichtet hat. Demnach gingen zwischen 2001 und 2017 allein auf dem US-Arbeitsmarkt rund 3,4 Millionen Jobs verloren, vor allem im verarbeitenden Gewerbe. Hauptbetroffene seien die Elektronik-, die Textil- und die Möbelindustrie gewesen. Die verbliebenen US-Beschäftigten ohne Universitätsabschluss hätten zugleich jahrelang Einkommenseinbußen von durchschnittlich etwa 37 Milliarden Dollar hinnehmen müssen.

Manch andere Experten bezweifeln, ob sich der chinesische Exportüberschuss im US-Handel von zuletzt rund 375 Milliarden Dollar tatsächlich so einfach in Stellenverluste umrechnen lässt. Das wird Trump aber nicht davon abhalten, seinen aggressiven Kurs gegenüber China und womöglich auch gegenüber Deutschland und andere exportstarken Länder fortzusetzen. Sollte eine der betroffenen Regierungen geglaubt haben, dass der Ton der Amerikaner mit dem Sieg der Demokraten bei der Wahl zum Repräsentantenhaus milder werden wird, dann dürfte sie sich getäuscht haben. Gerade viele der neuen demokratischen Parlamentsabgeordneten vertreten in der Wirtschaftspolitik ähnliche Positionen wie das EPI - und der Präsident.

Ob Washington und Peking auf den Verhandlungsweg zurückkehren oder den Streit weiter eskalieren lassen, wird sich bereits Ende kommender Woche erweisen, wenn Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping am Rande des G-20-Gipfels in Buenos Aires zu einem Gespräch zusammenkommen. Xi, der bisher alle Zollbeschlüsse Trumps mit entsprechenden Gegensanktionen beantwortete, hat den USA im Vorfeld Zugeständnisse angeboten. Trump zufolge fehlen in dem Papier nur "vier, fünf große Punkte". Nach allem, was man aus Washington hört, sind es allerdings die entscheidenden vier, fünf Punkte. So soll etwa das staatliche Wirtschaftsförderprogramm "Made in China 2025", mit dem Xi Weltmarktführer in wichtigen Zukunftstechnologien heranzüchten will, offensichtlich unangetastet bleiben.

Dass Xis Kurs gegenüber den USA auch in Peking nicht völlig unumstritten ist, zeigen derweil Aussagen des früheren stellvertretenden Außenhandelsministers Long Yongtu. Nach einem Bericht der Zeitung South China Morning Post kritisiert Long vor allem die Verhängung von Zöllen auf Importe amerikanischer Sojabohnen, mit dem die chinesische Führung Kernwähler Trumps in ländlichen Regionen treffen will. Dass Peking gleich zu Beginn der Auseinandersetzung ein so heikles Thema wie die Agrarpolitik in den Konflikt hineingezogen habe, sei ein Fehler gewesen, so Long, der Ende der Neunzigerjahre die Verhandlungen über den Beitritt seines Landes zur WTO geleitet hatte. Dass ein Politiker in China Xi so offen kritisiert, ist höchst ungewöhnlich.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: