Umwelt-Bundesamt:Geheime Daten

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Der Feinstaub-Alarm in Stuttgart zeigt bei Autofahrern wenig Wirkung. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Umweltbehörden haben schon lange Abgas-Manipulationen vermutet. Sie fürchteten aber die Macht der Konzerne.

Von Markus Balser und Klaus Ott, Berlin

Das grüne Gewissen des Landes sitzt in einem bunten Bau am Rande der Dessauer Innenstadt. Das Umweltbundesamt mit 1500 Mitarbeitern gilt als die größte und mächtigste Umweltbehörde Europas. Gegründet wurde sie schon 1974 noch in Westdeutschland auf Anregung von Willy Brandt und Hans-Dietrich Genscher - zwölf Jahre vor dem Umweltministerium. Leitspruch: "Für Mensch und Umwelt".

Seither ist das Umweltbundesamt eine Instanz geworden, egal ob Klima- oder Pflanzenschutz. Das UBA versteht sich als Frühwarnsystem, "das mögliche zukünftige Beeinträchtigungen des Menschen und der Umwelt rechtzeitig erkennt". Das wollte es eigentlich auch in der Abgasaffäre sein. Interne Dokumente zeigen, dass die Behörde schon seit Jahren Zweifel an den Abgaswerten der Hersteller hat. Doch aus den Papiere geht auch hervor: Umweltbehörden und Umweltschützer verzweifelten im Kampf um mehr Luftqualität und bei der Aufklärung rätselhafter Abgaswerte nicht nur an den technischen Tricks der Autohersteller. Dabei machten Zweifel schon vor Jahren die Runde. Der TÜV-Nord wies das UBA bereits 2010 in einer Studie "Emissionen im realen Betrieb" auf Auffälligkeiten hin. In weiteren Messungen konnten bei einem Fahrzeugtyp bei Emissionstests "auch bei Ausnutzung aller Toleranzen die Herstellerwerte nicht erreicht werden". Das UBA stieß weitere Forschungsprojekte an. Es galt ein Mysterium aufzuklären: Grenzwerte wurden immer schärfer. Autohersteller gelobten, sie einzuhalten. Doch die Messstationen schlugen weiter über die Grenzwerte hinaus aus. Auch UBA-Mitarbeiter fragten, sich, ob es in der Industrie mit rechten Dingen zugehe. 2013 kam eine weitere TÜV-Studie bei CO₂-Emissionen zum Fazit: Typ-Prüfwerte seinen "zum Teil deutlich überschritten" worden. Die interne Korrespondenz der Behörde macht auch klar, unter welchem Druck der Autobranche sich Behörden-Mitarbeiter sahen. "Die im laufenden Projekt geplanten Pkw-Messungen (incl. 2xVW) besitzen eine gewisse Brisanz", heißt es in einer Mail Ende 2015, also nach Auffliegen der VW-Affäre. "Die Hersteller bringen in Bezug auf derartige Ergebnisse neuerdings sehr offensiv ihre juristischen Abteilungen in Stellung und drohen unverhohlen mit rechtlichen Schritten", schreibt ein UBA-Mitarbeiter an Kollegen. Die Hersteller wiesen auf SZ-Anfrage den Verdacht zurück, man habe wegen Abgasmessungen juristische Schritte angedroht.

Die Grenzwerte wurden immer schärfer, doch die Messstationen schlugen trotzdem aus

Die Umweltbehörde fühlt sich im Kampf um eine bessere Luft in Deutschland nicht von allem Bundesministerien unterstützt. Intern hagelte es Kritik, dass das Wirtschaftsministerium (BMWi) die Industrie wichtiger nehme als die Umwelt. "Mein Eindruck ist, dass die industriepolitischen Fragen beim BMWi hier im Mittelpunkt stehen", heißt es in einer UBA-Mail zur ablehnenden Haltung des Wirtschaftsressorts bei einem Abgas-Forschungsvorhaben. Bei einer geplanten Studie über "Strategien zur CO₂-Reduzierung bei schweren Nutzfahrzeugen" betonte das Wirtschaftsministerium: "Da in Deutschland Hersteller schwerer Nutzfahrzeuge ansässig sind, sollten die damit verbundenen möglichen Auswirkungen auf die Nutzfahrzeugindustrie - soweit wie möglich - bewertet werden". Das Wirtschaftsministerium wollte sich dazu nicht äußern. "Interne Dokumente und Äußerungen kommentieren wir grundsätzlich nicht."

Auch Umweltschützer werfen die Frage auf, wie ernst die Bundesregierung und die Verkehrsbehörden den Kampf gegen Abgastricks nehmen. Seit langem etwa versuchen die Umweltorganisationen Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe an Daten des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) zu kommen. Es geht um die seit Monaten unter Verschluss gehaltenen Ergebnisse der Abgastests nach Beginn der VW-Affäre. Es geht den Umweltverbänden dabei auch um Basiswissen über Fahrzeuge, um den Abgas-Ausstoß selbst messen zu können. So wimmelt das KBA eine Anfrage der Umwelthilfe 2014 mit der Androhung abenteuerlicher Kosten ab: Den Personal- und Kostenaufwand taxierte die Behörde auf 17 Millionen Euro. Der Bedarf sei "natürlich nicht künstlich hochgerechnet" worden, "um Ihrem Ersuchen nicht zu entsprechen", beteuerte das KBA. Das Ansinnen von Greenpeace auf Herausgabe der aktuellen Resultate weist das KBA mit dem Hinweis zurück, das öffentliche Interesse an den Daten überwiege das Geheimhaltungsinteresse des Verkehrsressorts nicht.

Die einzigen, denen an Geheimhaltung gelegen sein könnte, die Autokonzerne, haben aber gar nichts gegen eine Preisgabe der Daten. VW hat "keinerlei Einwände". Es spreche "überhaupt nichts gegen eine Veröffentlichung", heißt es auch bei BMW.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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