Umstrittenes Swift-Abkommen:Grenzenlose Gier nach Bankdaten

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Die USA wollen Einblick in europäische Kundendaten erhalten - doch was bedeutet das überhaupt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Martin Winter

Der Swift-Code ist jedem schon einmal begegnet, der Geld ins Ausland überwiesen hat. Da reicht die einfache Kontonummer nicht, sondern es wird eine zusätzliche Buchstaben- und Zahlenkombination verlangt - der Swift-Code eben. Der Begriff leitet sich nicht vom englischen Wort für "schnell" ab, sondern ist der Name eines Unternehmens. Eines diskreten Unternehmens, ohne das das globale Finanzsystem nicht funktionieren würde. Aber nun gibt es in Europa Streit darüber, wie weit man die USA in die Datenspeicher von Swift hineinschauen lassen will und vor allem wer das beschließen darf. Die Lage ist verworren, und es stellen sich einige Fragen:

Wie weit dürfen die USA in die Datenspeicher von Swift hineinschauen? (Foto: Foto: ddp)

Wer oder was ist Swift?

Swift ist die Abkürzung für die in La Hulpe bei Brüssel ansässige "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication". Es handelt sich dabei um eine private Genossenschaft, die fast 9000 Banken und sonstige Finanzdienstleister in 209 Ländern miteinander verbindet. Die Aufgabe von Swift ist es, den elektronisch abgewickelten Geldverkehr zwischen seinen Mitgliedern zu organisieren. Da geht es nicht nur um die gewaltigen Mengen an Geld, die auf den Aktienmärkten hin und her geschoben werden, sondern etwa auch um die Überweisung von Mietzahlungen. Dabei entstehen große Datenmengen, die in Rechenzentren gespeichert werden und anhand derer man Geldströme nachverfolgen kann.

Warum wollen die USA diese Daten durchsuchen?

Seit dem Anschlag vom 11. September 2001 spüren die Amerikaner unter anderem mit dem "Terrorist Finance Tracking Program" (TFTP) Terroristen nach. Durch Analyse verdächtiger Geldbewegungen wollen Ermittler ihre Finanzierung blockieren. An diesen Daten sind auch europäische Geheimdienste stark interessiert. Seit 2001 beschlagnahmen die US-Sicherheitsbehörden Daten bei Swift - auch die europäischer Kunden.

Dürfen die Amerikaner überhaupt auf europäische Daten zugreifen?

Die amerikanischen Fahnder dürfen das, aber eben nur in den USA. Und da liegt das Problem: Die Daten der Europäer werden zwar auf einem Rechner in den Niederlanden verarbeitet, aber bislang auf einen Swift-Rechner in den USA "gespiegelt". Erst 2006 wurde durch einen Bericht der New York Times bekannt, dass die amerikanischen Sicherheitsbehörden bei Swift Daten abziehen. Im Jahr 2007 gab es dann Zusicherungen der USA, dass man europäischen Datenschutzkriterien einhalten werde.

Darüber, was vorher war, kann man nur Vermutungen anstellen. Die jetzige Art des Umgangs der USA mit den Daten ließ die EU-Kommission vom französischen Richter Jean-Louis Bruguière überprüfen, der zu dem Schluss kam, dass alle europäischen Standards für Daten- und Rechtsschutz eingehalten würden. Und dass das TFTP erfolgreich zur Terroristenfahndung eingesetzt würde.

Aber was ist dann das Problem?

Ganz einfach: Unter dem Druck kritischer Stimmen in Europa hat Swift seine "Netzwerkarchitektur" so verändert, dass sich die Daten der Finanztransaktionen im Bereich der EU ab Ende 2009 nicht mehr auf dem amerikanischen Rechner spiegeln. Washington aber will weiter in diesen Daten fahnden. Dagegen haben die europäischen Regierungen keine grundsätzlichen Einwände. Um das möglich zu machen, bedarf es aber einer rechtlichen Basis.

Die EU-Kommission hat dafür ein Abkommen mit den USA ausgehandelt, das den Zugang zu den Daten unter Wahrung der europäischen Daten- und Rechtsschutzstandards ermöglichen soll. In einem ersten Durchgang ist das kürzlich unter anderem an einem deutschen Einspruch gescheitert, weil Berlin Nachbesserungen beim Datenschutz und vor allem bei den Klagemöglichkeiten verlangte. Am 30.November wollen die Innenminister der EU versuchen, sich auf ein Abkommen zu einigen, nachdem die USA angeblich neue Zugeständnisse gemacht haben.

Und warum verlangt das Europäische Parlament dann die Absetzung der Beratungen?

Vor allem weil es beteiligt werden will. Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags am 1. Dezember wäre das sogar zwingend. Jetzt geht es noch ohne das Parlament. Da hat man das Gefühl, dass die Kommission und der Rat die Sache noch schnell an den Abgeordneten vorbei durchziehen will.

Und, stimmt das?

Nein. Weil sie sich des zukünftigen Mitentscheidungsrechts der Abgeordneten bewusst ist, hat die Kommission ein "Interimsabkommen" mit einer einjährigen Laufzeit vorgeschlagen. Im kommenden Jahr könnte dann in Ruhe ein endgültiges Abkommen unter voller Beteiligung des Parlaments ausgehandelt werden. Der Grund für ein Interimsabkommen: Ab dem 31. 12. 2009 gibt es in den USA keine europäischen Swift-Daten mehr. Gibt es bis dahin kein Abkommen - und angesichts der bedächtigen Arbeitsweise des Parlaments wäre das zu befürchten - entstünde eine mehrmonatige Überwachungslücke.

Wäre das denn so dramatisch?

Schwer zu sagen. Die Terrorfahnder hüben wie drüben des Atlantik weigern sich, ihre angeblichen Erfolge aus den Datenanalysen zu belegen. Schwerwiegende Folgen aber könnte eine abkommenslose Zeit für die EU haben. Diplomaten rechnen damit, dass Washington dann Belgien unter Druck setzt, mit den USA ein bilaterales Abkommen über den Zugang zu den Daten zu schließen. Swift ist schließlich eine belgische Firma. In der EU fürchtet man für diesen Fall, dass Belgien zu schwach ist, den USA die günstigen Konditionen abzuhandeln, die Washington einer EU zu geben bereit ist, die geschlossen auftritt.

© SZ vom 27.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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