Umstrittene Spielerberater:Millionen für die Seele

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Ihr Ruf ist miserabel, ihr Einfluss auf den Fußball enorm. Viele halten die Berater der Profi-Kicker für skupellose Menschenhändler. Doch ohne sie läuft im Geschäft nichts.

U. Ritzer

Die ihn getroffen haben, beschreiben Jorge Mendes als eleganten Südländer mit einer Vorliebe für feine, dunkle Anzüge. Er arbeitete in einer Videothek, in einem Nachtklub und in Bars, bis er einen jungen Fußballtorwart traf.

Teure Beine: Bei Ablösen und Transfers verdienen Fußballspieler immer mehr Geld und damit auch ihre Berater. (Foto: Foto: dpa)

Nuno Espirito Santo galt als Talent, fing die Bälle allerdings nur für einen portugiesischen Provinzverein in Guimarães. Mendes versprach, ihm einen besseren Arbeitgeber zu suchen. Er vermittelte Nuno zu Deportivo La Coruna, eine der namhaften Adressen in der ersten spanischen Liga.

Das ist 13 Jahre her. Nuno wurde zu einem der weltweit besten Torhüter. 2004 gewann er mit dem FC Porto die Champions League. Aber auch Jorge Mendes, 43, hat es an die Weltspitze geschafft. Vor ein paar Wochen vermittelte der Portugiese seinen Landsmann Cristiano Ronaldo von Manchester United zu Real Madrid.

König seiner Zunft

Für 94 Millionen Euro Ablösesumme. Noch nie wurde für einen Fußballer mehr Geld bezahlt. Und noch nie hat ein Spielervermittler besser verdient als Jorge Mendes. Der Ronaldo-Transfer hat ihn zum König einer Zunft gemacht, deren Ruf miserabel, deren Einfluss auf das Milliardengeschäft Profifußball jedoch enorm ist.

Kritiker halten Spielerberater und -vermittler für skrupellose Menschenhändler. Absahner, die sich an talentierte Kinder heranschleichen, sie mit Karriereversprechen ködern, um sie dann später tanzen zu lassen wie Puppenspieler ihre Marionetten.

Andere sehen in Mendes&Co. wichtige Karriereplaner, Seelenmasseure und Ratgeber einer oft unbedarften Klientel. Für die Vereine sind sie bei der Spielersuche längst unverzichtbar. Knapp 5000 lizensierte Berater hat der Weltfußballverband Fifa registriert. Hinzu kommt eine Dunkelziffer oft zwielichtiger Gestalten, die ohne Zulassung Fußballer verschachern. Obendrein mischen noch Familienangehörige oder Rechtsanwälte mit, die keine Fifa-Lizenz brauchen.

Der Markt ist aus den Fugen geraten

"Es tummeln sich in diesem Geschäft Scharlatane der schlimmsten Kategorien, aber auch seriöse Profis", sagt der Ludwigsburger Sportrechtler und Anwalt Christoph Schickhardt. Seine Einschätzung: "25 Prozent beraten gut, 40 Prozent schlecht und der Rest ist unseriös."

Torwart Timo Hildebrand etwa hält er für einen besonders schlecht beratenen Profi. "Er wurde mit dem VfB Stuttgart deutscher Meister, die Fans lagen ihm zu Füßen, und er war dabei, Nationaltorwart zu werden", sagt Schickhardt. Trotzdem wechselte Hildebrand nach Valencia, wo man ihn kaum spielen ließ. Er flog aus der Nationalmannschaft, verpasste die Europa-Meisterschaft 2008 und versucht nun in Hoffenheim einen mühsamen Neustart. "Da muss man fragen, an was sein Berater gedacht hat, außer an den eigenen Profit", sagt Schickhardt.

Der Markt ist aus den Fugen geraten. Nicht erst in diesem Sommer, wo vor allem Real Madrid mit Geld um sich schmeißt und neben Ronaldo noch Kaka (für 65 Millionen Euro) und Karim Benzema (35 Millionen) eingekauft hat.

"Entwicklung in die völlig falsche Richtung"

Auch der deutsche Branchenprimus Bayern München ließ sich nicht lumpen und überwies 30 Millionen Euro für den Stürmer Mario Gomez nach Stuttgart. Ob und wieviel noch zusätzlich an die Vermittler überwiesen wird, wird nie bekannt gegeben.

Einer, der es wissen muss, Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball-Liga (DFL), klagt: "Das Verhältnis zwischen Ablösesummen und Beraterprovisionen ist geradezu grotesk. Der enorme Anstieg der Provisionen ist eine Entwicklung in die völlig falsche Richtung." Binnen fünf Jahren haben sie sich verdoppelt.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welchen Beratern der Manager des 1. FC Nürnberg eine höhere Provision zahlt.

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Nach DFL-Angaben haben die 36 Vereine in der ersten und zweiten Bundesliga in der Saison 2008/2009 insgesamt 171 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben. Zusätzlich flossen 58,8 Millionen Euro an die Vermittler. Das Fachblatt Kicker schreibt, in Wirklichkeit zahlten die Bundesligaklubs sogar "annähernd 100 Millionen Euro an Berater, Familienangehörige und Freunde der Spieler." Was in ihren Bilanzen unter "Sonstiges" kaschiert werde.

Für die anstehende Spielzeit, die an diesem Wochenende mit der ersten Hauptrunde im DFB-Pokal beginnt, werden neue Rekorde erwartet. Bis Ende August läuft die Transferperiode, innerhalb der Spieler Vereine wechseln dürfen.

"Bei Transfers mehr als bei Vertragsverlängerungen"

Wer weiß, ob Bayern München bis dahin nicht doch noch Franck Ribéry verliert? Der Franzose hat immerhin gleich zwei Berater: Alain Migliaccio und Jean-Pierre Bernès, der 1994 in Marseille in einen großen Bestechungsskandal verwickelt war. Von den beiden heißt es, sie würden Ribéry immer schwindelerregendere Verdienstmöglichkeiten ins Ohr flüstern, würde er die Bayern - Vertrag bis 2011 hin oder her - verlassen.

"Meistens fließt für einen Berater bei Transfers mehr als bei Vertragsverlängerungen", sagt Martin Bader. Er hat diese Woche ein norwegisches Talent für den 1.FC Nürnberg verpflichtet. Bei Verhandlungen folgt der Club-Manager festen Gepflogenheiten. Erst ganz zum Schluss, wenn alle Eckpunkte des Engagements geklärt sind, feilscht er mit dem Berater über dessen Provision.

"Wenn einer einen guten Job gemacht, sich gekümmert und womöglich schon lange für uns gezielt einen Spieler gesucht hat, gibt es auch mal einen Schnaps obendrauf", sagt Bader. "In der Regel kassiert der Berater zwischen sieben und 15 Prozent vom Grundgehalt des Spielers als Provision." Andere gehen von der Transfersumme aus. Letztlich ist also alles Verhandlungssache.

Zehn Spieler am Tag

Der studierte Sportökonom Bader, 41, hat den 1. FC Nürnberg in fünf Jahren vom Chaosklub zum solide wirtschaftenden Fußballunternehmen umerzogen. Durch die Fensterfront seines Büro am Vereinsgelände am Valznerweiher kann er der Profimannschaft beim Training zusehen.

Sein Handy brummt ständig; hätte er es nicht stumm geschaltet, könnte er keine paar Minuten ununterbrochen sprechen. "Mir werden in der Transferperiode jeden Tag mindestens zehn Spieler angeboten", sagt Bader. "Mit Beratern zu reden, ist mein tägliches Geschäft."

Im Umgang mit den vermeintlichen Schmuddelkindern plädiert er für pragmatischen Realismus. "Spielerberater sind ein enormer Wirtschaftsfaktor im Profifußball geworden", sagt Bader. "Sie sind ganz einfach Marktteilnehmer, die es auch in Zukunft geben wird." Und die "absolut ihre Daseinsberechtigung" hätten.

Vorausgesetzt, sie arbeiteten seriös, kümmerten sich auch außerhalb von Vertragsverhandlungen um ihre Schützlinge, seien für die Vereine ständig ansprechbar und obendrein fußballerisch kompetent. "Ein guter Berater kennt die Struktur unseres Kaders und weiß, auf welcher Spielposition wir Bedarf haben", sagt Bader. Und er wisse, was ein Verein sich leisten könne.

Überweisung nach Liechtenstein

Am schlechten Image aber sind die Berater nicht alleine schuld. Beim großen Fußballer-Monopoly überweisen manche Vereine schon mal ein paar Millionen auf das Konto einer Briefkastenfirma in Liechtenstein, wie Schalke04 im Fall des nigerianischen Stürmers Victor Agali. Die Geldströme auf Konten zweier Berater bei Agalis Wechsel 2001 von Hansa Rostock zu Schalke 04 beschäftigen bis heute Justiz und Finanzbehörden.

Bisweilen mischen auch Trainer mit. Der Präsident eines Bundesligaklubs wunderte sich lange, warum sein Coach ständig neue Spieler wollte, die er dann auf der Ersatzbank versauern ließ. "Dann habe ich mitbekommen, dass er heimlich an jedem Transfer mitverdient hat."

Über den 1.FC Kaiserslautern kursiert das Gerücht, dass unter Trainer Otto Rehhagel Spieler bevorzugt wurden, die von der Agentur Rogon betreut wurden. Bestätigt wurde das nie. Zum Management von Rogon gehört der lizenzierte Berater Frank Fahrian und der nicht-lizenzierte Roger Wittmann.

Lesen Sie auf der dritten Seite, in welche Zwangslagen die Vereine bei Verhandlungen mit Beratern kommen können.

Der rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilte Ex-Präsident von Kaiserslautern, Atze Friedrich, arbeitet heute bei Rogon. "Wenn ein Verein einige Leistungsträger in der Mannschaft hat, die denselben Berater haben, kann er etwa bei Gehaltsverhandlungen leicht in die Defensive geraten", warnt Liga-Präsident Rauball.

Auch aktuell wird viel getuschelt. Zum Beispiel über den Wechsel von Nationalspieler Marko Marin, 20, von Borussia Mönchengladbach zu Werder Bremen. Jahrelang wurde Marin von Ex-Profi Miroslav Stevic beraten. Der ist seit Februar Manager des Zweitligisten 1860 München. Als solchem verbieten ihm die Fifa-Statuten jedwede Beratertätigkeit.

"Im Einzelfall versaut"

Den Transfer nach Bremen hätten deshalb Marins Familienangehörige abgewickelt, heißt es offiziell. Stevic betont, er habe damit nichts zu tun. "Aber wenn Marko mich um Rat fragt", sagte er unlängst der SZ, "dann spreche ich mit ihm."

Oder Claudio Pizarro. Der peruanische Stürmer soll 2001 beim Wechsel eines Landsmannes zu Werder Bremen 900.000 US-Dollar Provision kassiert haben. Laut Fifa-Statuten ist das einem aktiven Profi verboten. Pizarro darf trotzdem weiter kicken, und Werder will ihn erneut verpflichten. Apropos Bremen: Auch Ex-Präsident Jürgen Born soll bei besagtem Transfer mitkassiert haben. Er bestreitet das, trat inzwischen aber zurück.

Über solche Beispiele ärgert sich der Berater Thomas Kroth, 40. "Unsere Branche ist nicht per se schmutzig, aber im Einzelfall versaut", sagt er. Lässig ist er in einem der roten Ledersessel im Büro seiner Firma Pro-Profil versunken.

Seriös und bestens vernetzt

Sie residiert im früheren Verwaltungsgebäude des Phoenix-Stahlwerkes im Dortmunder Stadtteil Hörde. Kroth gilt als seriös und bestens vernetzt in der Branche; viele Verantwortliche kennt er aus seiner Zeit als Bundesligaprofi. Um ein Haar hätte er in diesem Sommer seinen aktuell wertvollsten Klienten, Schalke-Torwart Manuel Neuer, zu Bayern München vermittelt. "80 Prozent meines Geschäftes spielen sich am Telefon ab", sagt Kroth.

Er besitzt die Fifa-Lizenz, die eine Prüfung über die einschlägigen Reglements und Vertragsrecht sowie die Hinterlegung von 100.000 Schweizer Franken voraussetzt.

Pro-Profil beschäftigt eine Handvoll festangestellte Mitarbeiter, sowie Freiberufler, die beispielsweise als Scouts bei Jugendturnieren Talente suchen. Mit etwa 70 Profis im Marktwert von 82,5 Millionen Euro im Portfolio zählt Pro-Profil zu den größten deutschen Agenturen. "Seit dem Bosman-Urteil verdienen Spieler mehr Geld und damit auch ihre Berater", sagt Kroth. Der 1995 vom Europäischen Gerichtshof gefällte Richterspruch erlaubt Fußballern, nach Ablauf ihres Vertrages ablösefrei den Verein zu wechseln.

Die Regeln für Transfers sind eigentlich klar: Vereine dürfen nur mit lizenzierten Beratern verhandeln. Die Wirklichkeit sieht anders aus. "Im Alltag kann jeder Verein, der einen Spieler unter allen Umständen verpflichten will, in die Lage kommen, dass er sich entscheiden muss: Gehe ich den korrekten Weg und verzichte sogar zur Not auf den Spieler, oder setze ich mich auch mit einem nicht-lizenzierten Berater an einen Tisch", sagt DFL-Chef Reinhard Rauball, 62.

Schlechte Beweisbarkeit

Der weißhaarige Jurist sitzt im Chefbüro von Borussia Dortmund, wo er ebenfalls als Präsident amtiert, und sagt, dass es keine wirksame Kontrolle gibt. "Wir sind in diesem Punkt, ehrlich gesagt, etwas ratlos. Wir möchten eine klare Grenze ziehen, ohne in Aktionismus zu verfallen. Die Beweisbarkeit von Fehlverhalten ist dabei die hohe Hürde."

Jorge Mendes hat die Fifa-Lizenz. Niemand weiß genau, wie viel er am Ronaldo-Transfer verdient hat; Experten schätzen mehr als zehn Millionen Euro. Mendes hat viele portugiesische Nationalspieler und Startrainer wie Jose Mourinho und Felipe Scolari unter Vertrag.

Zur EM 2008 - kurz Euro genannt - schrieb er in einer Zeitung eine Kolumne. Zunächst sollte deren Titel dem Vernehmen nach "Mehrere Millionen" lauten. Das gefiel Mendes angeblich nicht. Am Ende hieß die Kolumne "Die Entwicklung der Euros". Das war doppeldeutig und traf doch auf den Punkt.

© SZ vom 1./2.8.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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