Umfrage unter Ärzten:Kliniken geben Deals mit Fangprämien zu

Lesezeit: 2 Min.

Ärzte, Kliniken und Sanitätshäuser schieben sich gegenseitig Patienten zu, dafür fließen Prämien - laut einer Umfrage der gesetzlichen Krankenkassen ist diese Praxis in jeder vierten Klinik bekannt. Die Beteiligten sagen selbst: Schuld sind mangelnde Kontrollen.

Der Patient geht zum Arzt seines Vertrauens und bekommt eine Überweisung. Er geht davon aus, dass der Doktor nur das Beste für ihn will. Doch offenbar sind manche Empfehlungen von Deals beeinflusst, bei denen der Arzt Geld kassiert hat.

Fangprämien bei Ärzten: Eine Umfrage bestätiigt, dass diese existieren (Symbolfoto). (Foto: dpa)

Das ergab eine Umfrage der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Auftrag des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung, die nun vorgestellt wurde. Die Wissenschaftler haben dafür 600 niedergelassene Ärzte befragt, dazu 180 leitende Klinikmitarbeiter und 361 Leistungserbringer, also zum Beispiel Apotheken und Sanitätshäuserm, ob sie solche Fälle kennen.

Jeder Vierte der befragten Klinikmitarbeiter hielt es demnach für gängige Praxis, eine sogenannte Fangprämie für die Überweisung von Patienten zu zahlen. Unter den niedergelassenen Ärzten stimmten dem 14 Prozent zu. Bei den Leistungserbringern sagte sogar fast jeder Zweite, es sei üblich, Prämien für die Zuweisung von Patienten zu zahlen. Unter den Apothekern, Sanitätshäusern und anderen Zulieferern schätzten zwei von drei, dass niedergelassene Ärzte zumindest gelegentlich Geld oder Sachleistungen dafür nehmen, dass sie ihre Patienten zu ihnen schicken. Ein Beispiel: Jeder dritter Hörgeräteakustiker sprach sogar von häufiger Vergütung an Ärzte. Laut der Studie sind niedergelassene Ärzte am häufigsten Nutznießer der Fangprämie.

Die Kliniken stehen manchmal aber auch auf der Empfängerseite solcher Deals: Etwa jeder dritten sind in den vergangenen beiden Jahren Vorteile dafür angeboten worden, dass sie Patienten mit bestimmten Medikamenten oder anderen Hilfsmitteln ausgestattet hat. Auch hier kamen die Angebote meistens von den Leistungserbringern. Drei von vier der befragten Unternehmen gaben an, dass sie durch diese Praxis einen finanziellen Schaden erlitten haben, indem ihnen ein Wettbewerber mit Prämienversprechen Aufträge und Kunden weggenommen habe.

Anfällig für solche Absprachen sind der Studie zufolge vor allem jüngere Praxen und Firmen, die sich so den Markteintritt erleichtern wollen. Bei den Kliniken kaufen sich vor allem diejenigen Patientenüberweisungen ein, denen es wirtschaftlich schlecht geht.

Ein großer Teil der Befragten weiß oder vermutet laut Studie, dass solche Fangprämien zwar nicht erlaubt sind. Mehr als die Hälfte der Befragten geht jedoch davon aus, dass nicht ausreichend kontrolliert wird, ob sich die Verantwortlichen daran halten. 19 Prozent der befragten niedergelassenen Ärzte gaben dagegen an, das entsprechende Verbot solcher Überweisungen gegen Entgelt gar nicht zu kennen.

Die Prämie kann laut Studie sehr unterschiedlich ausfallen. Häufig wird Geld gezahlt. Oder es werden Tagungskosten übernommen oder Sachleistungen gewährt, beispielsweise kostenlose Geräte.

Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery warf den Autoren der Studie Stimmungsmache gegen Mediziner vor. Im Programm von NDR Info zweifelte er die Zahlen an: Sollten sie stimmen, müsste es bei der Ärztekammer und den Staatsanwaltschaften viel mehr Anzeigen geben, sagte Montgomery. Er rief dazu auf, die entsprechenden Vergehen auch tatsächlich anzuzeigen.

© Süddeutsche.de/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: