Ulrich Schumacher:Post für den Maniac

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Lange hat der frühere Infineon-Chef und Popstar der Managerwelt Ulrich Schumacher den Vorwurf der Bestechlichkeit zurückgewiesen - nun soll doch Anklage erhoben werden.

Hans Leyendecker und Klaus Ott

Einst war Ulrich Schumacher der Pop-Star der neuen Managerwelt. Als im März 2000 der Chiphersteller Infineon Technologies AG an die Börse ging, posierte der in ein Rennfahrerdress gekleidete damalige Vorstandschef neben einem Porsche vor der Frankfurter Börse.

Ulrich Schumacher: Einst der Pop-Star der neuen Managerwelt (Foto: Foto: dpa)

Seine rechte Hand ruhte auf einem Fahrerhelm. Medien feierten ihn den damals erst 41 Jahre alten Wirtschaftslenker als "The Maniac", den Wahnsinnigen. Eine Menge ist seitdem passiert: Schumacher musste das Unternehmen 2004 verlassen.

"Nie auch nur einen Cent genommen"

Ein Jahr später leitete die Münchner Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Verfahren wegen Verdachts der Korruption ein. Schumacher blieb zwar der alte Dynamiker. Er wurde Partner der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Francisco Partners, 2007 wurde er Chef des chinesischen Halbleiterherstellers Grace Semiconductor in Schanghai. Doch all die Jahre ist er den Schatten des Ermittlungsverfahrens nicht losgeworden.

Jetzt hat ihn die Vergangenheit eingeholt. Die Münchner Staatsanwaltschaft fertigte in den vergangenen Wochen die Anklage gegen Schumacher. Dem Manager, der einst bei Infineon Millionen-Gagen kassierte, wird vorgeworfen, von dem Schweizer Unternehmer Udo Schneider mit Geldern in sechsstelliger Höhe bestochen worden zu sein. Schneider betrieb früher eine Agentur für das Sponsoring von Rennsportveranstaltungen und Infineon war ihr Hauptkunde. Schumacher fuhr Autorennen, die von Schneider organisiert wurden.

Ein Sprecher Schumachers sagte am Freitag zu der Anklage: "Herr Schumacher bleibt bei seiner Aussage, er hat nie auch nur einen Cent genommen". Das Landgericht entscheidet nun, ob und wenn ja in welchem Umfang, die Anklage zugelassen wird. Es zeichnet sich ab, dass der Fall bei Richter Peter Noll landen wird, der als sehr erfahren in Wirtschaftssachen gilt. Im Korruptionsfall Siemens hat er im Vorjahr das erste Urteil gefällt.

Alles weitere aber ist unklar: Wie kann ein Vorstandsvorsitzender einer chinesischen Firma eine aufwändige Hauptverhandlung in Deutschland mit vermutlich zahlreichen Gerichtsterminen durchstehen? Macht das Gericht dann Pausen für die Anreise des Angeklagten? Zwischen Schanghai und München liegen knapp 8800 Kilometer und fast elf Flugstunden. Und: Welchen Verlauf wird die Hauptverhandlung nehmen?

Der frühere Infineon-Aufsichtsrat Ingolf Ruge, der einen Lehrstuhl für Mikroelektronik an der Technischen Universität München hat, erklärt: "Ich sehe den kommenden Prozess für Schumacher als Chance, seine Unschuld zu beweisen. " Ruge hält seine "Hand für Schumacher ins Feuer". Die hat sich mancher schon bei anderen Gelegenheiten verbrannt. Die Anklage basiert im Wesentlichen nur auf den Aussagen Schneiders, der zugegebenermaßen keinen Ruf mehr zu verlieren hat.

Im Herbst 2006 verurteilte ihn das Landgericht München I wegen Untreue und Bestechung zu vier Jahren Haft. Der Unternehmer hatte unter anderem Geld von Co-Sponsoren unterschlagen, das eigentlich Infineon zustand und überdies den früheren Infineon-Vorstand und Schumacher-Rivalen Andreas von Zitzewitz mit rund 85000 Euro bedacht. In der 24-seitigen Urteilsbegründung findet sich die Wendung, die Kammer habe "keinen Zweifel", dass Schneider Vorstandsmitglieder von Infineon mit Barem bedacht habe.

In dem Urteil ist sogar ausdrücklich davon die Rede, dass Schneider dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Schumacher 300000 Dollar Bargeld zugesteckt habe, aber der Vorsitzende Richter Wolf-Stefan Wiegand verwies auch darauf, dass die Sache Schumacher in dem "vorliegenden Verfahren" nicht angeklagt gewesen sei. Die Feststellungen der Kammer hätten deshalb keine "präjudizielle Wirkung für etwaige weitere Verfahren", also auch nicht für den Fall Schumacher. Es kann sein, dass eine andere Strafkammer zu anderen Feststellungen und einem anderen Urteil kommen wird.

Paradiesvogel mit Notebook

Der noch in diesem Jahr zu erwartende Prozess gegen Schumacher wird - unabhängig vom Ergebnis der Hauptverhandlung - vermutlich einen seltenen Einblick in damalige Intrigen, Machtkämpfe und Durchstechereien bei Infineon gewähren. Einigen Akteuren war das Gefühl für Größenordnungen und die Unterscheidung von Recht und Unrecht früh abhanden gekommen - und das hat auch viel mit der Person Schumacher zu tun.

Er galt als Paradiesvogel, der selbst bei Sitzungen mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder sein Notebook aufklappte und seine Mails las. "Ich kann doch nicht einfach nur dasitzen, ich muss was tun", hat er später dem Aufsichtsrat Ruge erklärt, der fassungslos war und dem Konzernchef den Kopf wusch. "Bist Du wahnsinnig", zürnte der Uni-Professor über Schumachers Umgang mit Politikern und Geschäftspartnern. Ruge hielt freilich viel von Schumacher und sagt heute, der Aufsichtsrat hätte ihn nur besser lenken müssen.

Solange Infineon hohe Gewinne erzielte und der Aktienkurs stieg, störte das nur wenige. Dann brach die Konjunktur in der Halbleiterbranche ein und im Unternehmen ging es frostiger zu. Die Klimaveränderungen wurden in den vergangenen Jahren von Münchner Strafverfolgern genau nachgezeichnet.

Im März 2004 forderten von Zitzewitz und seine damaligen Vorstandskollegen Peter Bauer und Peter Fischl den Aufsichtsratsvorsitzenden Max Dietrich Kley in einem Brandbrief auf, Schumachers Vertrag aufzulösen. Sie beschuldigten ihren damaligen Chef "persönlicher Beziehungen zu externen Gesprächspartnern, verbunden mit der Annahme von Vorteilen". Schumacher sei für die Führungsmannschaft "untragbar" geworden. Es gebe einen "Verfall der Führungskultur". Schumacher wies das zurück und musste dennoch gehen.

Am Tag vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 25. März 2004 hatte Schumacher Kley eine eidesstattliche Versicherung des Infineon-Partners Schneider übergeben. Darin warf Schneider Schumachers Rivalen von Zitzewitz vor, von ihm "so genannte Kickbacks, d.h. Rückflüsse in Barbeträgen" erhalten zu haben. Infineon kündigte den Vertrag mit Schneider und sammelte intern Belastendes gegen den schon gefeuerten Schumacher.

Gelöschte Mails wurde wieder sichtbar gemacht, eine frühere Sekretärin schickte auf Bitten eines Vorstands eine E-Mail an Kley: "Wenn Dr. Schumacher Urlaub mit seiner Familie gemacht hat, hat er häufig versucht, am Urlaubsziel (zum Beispiel Thailand) einen geschäftlichen Termin zu vereinbaren, um einen First-Class-Flug auf Firmenkosten zu rechtfertigen." Das Unternehmen warf Schumacher vor, ein Spesenritter gewesen zu sein, der Geschäftliches und Privates nicht habe trennen können. Schumacher widersprach.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte bald darauf gegen von Zitzewitz, der geständig war und später zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Aber was war mit dessen früherem Chef? "Hat Herr Dr. Schumacher von Ihnen Gelder oder sonstige Zuwendungen erhalten?" wurde Schneider nach seiner Festnahme im Juli 2005 von Ermittlern befragt.

Die Antwort lautete: "Nein". Im Gegenteil. Schumacher habe ihm sogar Geld geliehen. Der sei ein Sportskamerad gewesen. Ende 2005 schickte Schneider dem ehemaligen Infineon-Chef einen Brief aus der Untersuchungshaft, der mit "dein Freund Udo, genannt der Knacki", unterzeichnet war. Schumacher finanzierte Schneiders Verteidigung über einen Darlehensvertrag in Höhe von 400.000 Euro. Als Sicherheit wurde eine Eigentumswohnung Schneiders eingetragen. War das Schweigegeld?

Ende der Schonzeit

Schumacher behauptet, er habe geglaubt, "einem in Not geratenen Freund zu helfen". Als Schneider noch in Untersuchungshaft saß, meldete sich ein Schweizer Emissär bei Vertrauten des früheren Infineon-Chefs. Er behauptete, Schumacher habe Hunderttausende Euro von Schneider bekommen. Jetzt bräuchten Schneiders Firmen eine Spritze in Höhe von 1,2 Millionen Euro. "Wir wollen doch nicht, dass Herr Schumacher gemeinsam mit Schneider den Hofgang macht", drohte er.

Im Herbst 2006 kündigte Schneider, dem damals eine Haftstrafe bis zu acht Jahren drohte, der Münchner Staatsanwaltschaft an, er wolle Schumacher "nicht mehr schonen". Er wurde erneut vernommen und behauptete jetzt, Schumacher habe zu Zeiten des Sportsponsorings von Infineon "richtig Druck gemacht", um von ihm, Schneider, Geld zu bekommen. Insgesamt habe er 2003 dem damaligen Vorstandschef 300.000 Dollar gegeben, um weiterhin Aufträge von Infineon zu erhalten. In seinem Prozess hat er diese Behauptung auch aufgestellt und die Haftstrafe fiel für ihn geringer als erwartet aus. Auch später ist er bei der Aussage geblieben.

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Schumacher hat die Vorwürfe unter anderem in einem 59 Seiten dicken Vernehmungsprotokoll zurückgewiesen. Warum soll einer, der bis zu sechs Millionen Euro im Jahr verdiente, ein paar Hunderttausender eingesteckt haben? "Das ist doch absurd", meint der 74-jährige Ex-Aufsichtsrat Ruge.

Was ist heutzutage schon absurd? Von Zitzewitz, der aus seinem Fehler gelernt hat und heute wieder im Vorstand eines Unternehmens sitzt, hatte das Geld genommen, weil seine Frau, mit der er ein gemeinsames Konto hatte, nicht wissen sollte, wie teuer sein Hobby Motorradrennen war.

Einmal hat Schumacher aber mit Sicherheit Geld von Schneider bekommen; 150.000 Dollar in einer Plastiktüte. Mit Bestechung habe das aber nichts zu tun gehabt, erzählte der Ex-Konzernchef den Ermittlern. Er habe im Sommer 2003 den berühmten Porsche 718RSK gekauft, der 1957 in Le Mans Klassensieger geworden war.

Der Sportwagen bestand nur noch aus Trümmern und Einzelteilen. Laut Schumacher wollte sich Schneider an dem Auto, das aufwändig restauriert werden sollte, beteiligen.

Schneider habe in dem gemeinsamen Kauf des Autos ein Geschäft gesehen und dafür das Geld überreicht. Der Verkäufer habe einen Teil des Geldes in bar haben wollen. Es ist nicht alltäglich, dass ein Vorstandsvorsitzender Scheine in der Tüte mit sich führt. "Mir war das auch peinlich", hat Schumacher einmal gesagt.

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat lange an der Anklage gebastelt. Sie ist überzeugt, dass Schumacher das Geld bekommen hat. Unter dem Strich aber steht die Aussage Schneiders gegen die Aussage Schumachers.

© SZ vom 10.01.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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