Überwachungstechnik in Bahrain:Big Brother - made in Germany

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Mit spezieller Schnüffelsoftware hat das Regime in Bahrain Kritiker aufgespürt. Das Programm wertet Handy-Kommunikation aus und ermöglichte damit die Inhaftierung und Folter von Oppositionellen. Es soll aus Deutschland stammen.

Thorsten Riedl

Prügel und Demütigung: Die Folterer des Abdul Ghani Al Khanjar folgten einem simplen Muster. Zunächst wurde der Lehrer und Menschenrechtler im Königreich Bahrain von den Wachen mit Gummiknüppeln traktiert; dann zückte ein weiterer Uniformierter eine viel diffizilere Waffe. Er las Al Khanjar dessen SMS-Kurznachrichten und Abschriften seiner Handy-Gespräche vor. "Wie konnten sie das nur wissen?", fragte sich der Aktivist, als er in Haft saß. Deutsche Technik machte es möglich - ein Überwachungssystem einer Firma, die einst zu Nokia Siemens gehörte.

Im Februar stürmte die Polizei in Bahrain schwer bewaffnet einen kleinen Ort. Jetzt werden Vorwürfe laut, der Golfstaat überwache die Kommunikation von Regimegegnern mit Hilfe deutscher Technik. (Foto: dpa)

Im Zuge der arabischen Revolution kam es im Frühjahr auch im Golfstaat Bahrain zu Auseinandersetzungen zwischen Königstreuen und Oppositionellen. Bei den wochenlangen Protesten wurden Mitte März 24 Menschen getötet, vier weitere starben in Haft. Inzwischen sucht König Hamad bin Issa al-Chalifa den Dialog und will so eine Neuauflage der Unruhen vom Frühjahr verhindern.

Wie zuvor in Ägypten und Tunesien spielte in Bahrain die Kommunikationstechnik eine entscheidende Rolle bei der Organisation der Proteste. In Ägypten blockierte die Regierung die Internetseiten von Twitter und Facebook. Zeitweise war das Land nicht mehr über das Netz zu erreichen. In Tunesien verschärfte Ben Ali die Zensur des Internets, als sein Ende nahte. Geholfen hat es nicht.

In Bahrain setzt das Regime auf Schnüffelsoftware, die Gespräche und Textnachrichten automatisch nach Schlagworten untersucht und aufzeichnet. Solche Programme hat etwa Trovicor im Angebot. "Die Welt zu einem sichereren Ort machen", mit diesem Slogan wirbt das Münchner Unternehmen auf seiner Internetseite. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg sind genau diese Programme in Bahrain eingesetzt worden. Auch um Folter wie im Fall Al Khanjar zu ermöglichen.

Trovicor wurde vor 18 Jahren als Bereich VDR (Voice & Data Recording) innerhalb von Siemens gegründet. Mit Abspaltung der Netzsparte kam der Betrieb zu Nokia Siemens Networks. Seit 2009 ist er selbständig. Heute beschäftigt Trovicor 170 Mitarbeiter. Niederlassungen unterhält das Unternehmen in Dubai, Islamabad und Kuala Lumpur.

Weder Nokia Siemens noch Trovicor wollen Details zu Ländern oder Kunden nennen, die Überwachungssysteme einsetzen. Nach Informationen von Bloomberg waren beide noch bis mindestens 2009 alleinige Lieferanten der Schnüffelsysteme in Bahrain. Nokia Siemens teilte am Mittwoch mit, das Unternehmen "ist sich der Vorwürfe bewusst, dass Überwachungseinrichtungen - benutzt von nahezu jeder Regierung weltweit für die legitime Strafverfolgung - in machen Ländern missbraucht worden sind".

Aus der Firmenbroschüre von Nokia Siemens geht hervor, dass bis Ende 2007 mehr als 90 solcher Schnüffelsysteme in mehr als 60 Ländern installiert wurden - auch in Europa. Hierzulande ist das Abhören von Handy-Telefonaten allerdings nur in Ausnahmefällen und nur nach richterlicher Genehmigung möglich.

IT- und Telekommunikationsfirmen tun sich schwer, eine reine Weste im Geschäft mit Diktaturen zu behalten. Vor zwei Jahren etwa war Nokia Siemens schon einmal in den Schlagzeilen, weil das finnisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmen Mobilfunktechnik an den Iran geliefert hat. Das soll dem Regime dort die Zensur von Handy-Gesprächen möglich gemacht haben. Netzausrüster wie Cisco sollen der Regierung in China helfen, den Datenverkehr des Landes zu kontrollieren. Von der "Roten Firewall" ist die Rede, einer Schutzmauer nach innen, gegen Regimekritiker im Netz.

Al Khanjar saß ein halbes Jahr in Haft. Heute versteckt er sich, "unglücklicherweise in Bahrain". Sein Handy nutzt er kaum noch. Mit Frau und Kind telefoniert er nur über den Internetdienst Skype - verschlüsselt.

© SZ vom 25.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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