Es ist erst ein paar Tage her, da hatte Matt Rogers seinen großen Auftritt. Während der Consumer Electronics Show in Las Vegas ließ sich der Unternehmer in einem frisch lackierten und blank polierten Feuerwehrtruck durch die Gegend fahren und gab darin The Verge, einem der wichtigsten amerikanischen Technikmagazine ein Interview. Die Botschaft des imposanten Auftritts war eindeutig: Tatütata! Achtung, Achtung! Hier kommen wir!
Jetzt, nur vier Tage später, ist klar, dass dies keine Übertreibung war. Denn auf einmal bestimmt Rogers mit seiner Firma Nest Labs die Schlagzeilen auf der ganzen Welt: Google will das Unternehmen, das intelligente Haushaltselektronik herstellt, für 3,2 Milliarden Dollar (2,34 Milliarden Euro) aufkaufen. Noch müssen zwar die Federal Trade Commission und das Justizministerium dem Deal zustimmen, doch das gilt nur als Formsache.
Für Rogers ist es der vorläufige Höhepunkt einer großen Erfolgsgeschichte, die 2010 in einer Garage im Silicon Valley begann. Dort in Palo Alto gründete er Nest Labs gemeinsam mit seinem früheren Kollegen Tony Fadell. Beide hatten zuvor bei Apple an der Weiterentwicklung des mobilen Musikplayers iPod gearbeitet. Jetzt wollten sie sich neuen Herausforderungen zuwenden. Herausforderungen, denen sich von den großen Technikfirmen im Valley noch keine angenommen hatte, die aber Millionen potenzielle Kunden versprechen: Thermostate an Heizungen.
Wann fühlt sich ein Bewohner wohl? Das entscheidet das Thermostat
Fadell hatte beim Versuch, sich am Gebirgssee Lake Tahoe im Grenzgebiet zwischen Kalifornien und Nevada ein energiesparendes Zuhause einzurichten, festgestellt, dass das Angebot an solchen Geräten erstaunlich mager ist. Dabei käme, so seine Meinung, diesen kleinen Temperaturreglern im Haushalt doch eine Schlüsselrolle zu. Schließlich entscheiden sie, wie warm es in der Wohnung ist. Und damit, wann der Bewohner sich dort wohl fühlt.
Also entwickelte er mit Rogers ein intelligenteres Thermostat. Ein Thermostat, das selbst weiß, wann es die Temperatur senken muss, weil der Besitzer gerade nicht zu Hause ist oder schläft. Ein Thermostat, das per Smartphone steuerbar und deshalb permanent an das Internet angeschlossen ist. Nest Labs wurde zu einem der Unternehmen, die daran arbeiten, dass nicht nur Computer und Telefone permanent mit dem Internet verbunden sind, sondern auch Alltagsgegenstände wie Thermostate und Feuermelder.
Solche Ideen zahlen sich jetzt aus. Es gibt derzeit viele Anzeichen dafür, dass in den kommenden Jahren eine massive Digitalisierungswelle die Wohnungen und Häuser der Industriestaaten erreichen wird. Auf der Technikmesse von Las Vegas waren jüngst eindrucksvoll die Vorboten dieser Entwicklung zu sehen. Investoren pumpen Milliarden in den Markt und mit Google steigt nun auch eines der wichtigsten Internetunternehmen offiziell ein.
Die Übernahme von Nest Labs durch einen Großkonzern ist an sich also wenig überraschend. Überraschend ist allenfalls, dass Google und nicht Apple das Unternehmen kauft. Nest Labs hat unter Branchenbeobachtern schon lange einen ausgezeichneten Ruf. Die Produkte sind hübsch und teuer und passen damit perfekt in die Kathedralen des Elektrokonsums: Apples Ladengeschäfte. Dort gab es sie auch bisher schon zu kaufen, doch jetzt verleibt sich der Konkurrent das junge Unternehmen ein und Apple scheint das Nachsehen zu haben. Kündigt sich da eine Zeitenwende an?
Sicher ist, dass Google seinen Fokus vergrößert. Das Unternehmen geht hin zur Hardware, ohne sich von der Software zu entfernen. Die jetzt angekündigte Übernahme schließt sich an mehr als zwölf andere an, die Google allein im vergangenen Jahr im Hardware-Sektor getätigt hat. Aus dem Suchmaschinen-Unternehmen wird ein immer breiter aufgestellter Universalkonzern, der die Zukunft von Smartphones, Tablets, Computern, Brillen, Autos, Robotern und möglicherweise bald auch unsere Haushalte entscheidend prägt.
Nachdem Google das Social Web weitgehend verschlafen habe, plane das Unternehmen nun ganz klar, die Trends zu Wearable Technology, dem vernetzten Zuhause, und Drohnen nicht zu verpassen, twitterte der Marktanalyst Benedict Evans kurz nach Bekanntgabe der Neuigkeit. Apple baut seine Armada der Zukunftsinnovationen hingegen scheinbar im Verborgenen oder gar nicht auf, wie der Technikjournalist Nick Bilton angesichts des jüngsten Zukaufs in der New York Times befürchtet.
Google greift noch mehr in die Privatsphäre ein
Was auch immer Google aus seinem Zukauf macht, klar ist, dass es auch Kritiker auf den Plan rufen wird. Denn all die smarten, cleveren Erleichterungen, die der Konzern mit seinen Produkten ermöglicht, dienen vor allem dazu, noch mehr Informationen über seine Kunden zu sammeln. Denn daran hat sich wenig geändert und wird sich wenig ändern: Google ist zu allererst ein Informationssammelunternehmen. Was sich ändert, ist allein die Art und Weise, wie der Konzern Google an die Daten gelangt.
Nur kurze Zeit nachdem Nest am Montag die Übernahme bekanntgegeben hatte, veröffentlichte das Unternehmen einen Fragen-und-Antwort-Katalog zu der Übernahme. Die am häufigsten zitierte Passage darin war:
Frage: "Werden Kundendaten mit Google geteilt?"
Antwort: "Unsere Privatsphäre-Richtlinien beschränken die Nutzung der Kundendaten klar darauf, die Produkte und Dienste von Nest zu verbessern. Wir haben die Privatsphäre immer ernst genommen und das wird sich nicht ändern."
Es ist eine typische PR-Antwort. Nirgendwo steht "nein".