Kommentar:Viel Geld, wenig Erklärung

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Dass das Tui-Finanzpaket nun durch ist, mag für den Konzern eine gute Nachricht sein. Eine transparentere Debatte darüber, wer warum welches Geld erhält, wäre dennoch wünschenswert

Von Lea Hampel, München

Am Ende ging alles, wie so oft, wenn Verhandlungen komplex sind, extra schnell: In 24 Stunden stimmten Bafin, EU-Kommission und Aktionäre dem Anfang Dezember verkündeten dritten Hilfspaket für Tui zu. Das Procedere ist in vieler Hinsicht logisch. Dass aber erneut Staatsgeld in dieser Höhe quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit vergeben wird, ist aus Sicht der Steuerzahler weder logisch noch begrüßenswert.

Die Einzelentscheidungen ergeben Sinn: Die Bafin untersteht dem Bundesfinanzministerium, das zuvor seine Unterstützung zugesichert hat. Die EU-Kommission wiederum erhält ihre Informationen von den zuständigen Ministerien. Und die Kleinaktionäre hatten sowieso keine Wahl - von einer Insolvenz hätten die Anteilseigner gar nichts gehabt. Jetzt können sie zumindest die vage Hoffnung haben, dass alles irgendwann besser wird, mit dem Tourismus, der Tui, der Entwicklung des Aktienkurses.

Dennoch sind viele Aspekte an dem Vorgang problematisch. Inhaltliche Argumente gegen neue Kredite und einen Staatseinstieg wurden offenbar nicht gehört oder als nicht bedeutend betrachtet. Das Ganze ist mehr denn je ein riskantes Investment. Zwar stimmen die ersten Impfungen derzeit optimistisch. Aber wie unsicher ist, in welche Richtung es mit der Pandemie und damit dem Tourismus weiter geht, zeigen steigende Infektionszahlen, Mutationen - und eine fast ironische Koinzidenz: Am Tag, an dem das Paket im Glauben an baldige Touristenmassen durchgewinkt wurde, hat die dafür mitverantwortliche Regierung beschlossen, dass 15 Kilometer Bewegungsfreiheit im Notfall reichen.

Auch andere Zweifel wurden überhört: mehr Nachhaltigkeit für staatliches Geld etwa, eine Forderung der Grünen und Frage eines Aktionärs bei der Versammlung. Laut TUI-Chef Joussen zwar "ein ganz wesentliches Thema". Doch auf mehr als nebulöse Aussagen wurde das Unternehmen nicht verpflichtet. Auch die angekündigte Mitsprache des Staates bleibt offen: Zwar kann der Wirtschaftsstabilisierungsfonds zwei Aufsichtsratssitze besetzen. Aber man will dafür auslaufende Mandate nutzen. Festgelegt werden soll das auf der regulären Hauptversammlung, für die kein Termin feststeht. Stattdessen betonte Joussen gegenüber Aktionären, dass der WSF keine Vorgaben für das unmittelbare Geschäft machen könne. Immerhin: Die Forderung, dass private Investoren stärker einspringen, wird berücksichtigt. Aber selbst wenn der mancherorts als Konzernretter gefeierte Großinvestor Alexej Mordashov seine Möglichkeiten voll ausschöpft, investiert er maximal 266 Millionen Euro - während sein Vermögen bei weit mehr als 20 Milliarden Euro liegt und der deutsche Staat ein Vielfaches beisteuert.

Denn genau das sollte nicht vergessen werden: Hier geht es um mittlerweile rund vier Milliarden Euro Staatsgeld - mehr als den Jahresetat des Bundesumweltministeriums. Und ja, das sind keine Geschenke, sondern Kredite, gut verzinst. Aber sollte der Konzern nicht überleben, ist das Geld großteils verloren, es fielen zusätzliche Kosten an, Sozialausgaben etwa. Dass der Staat den Konzern zudem an anderer Stelle mit Kurzarbeitergeld und Hilfsmaßnahmen für einzelne Sparten unterstützt hat, wird nicht mal erwähnt.

Nötig ist mehr Transparenz. Warum so viel Geld für dieses Unternehmen, wer hat mit wem verhandelt, welche Ziele wurden auf Machbarkeit überprüft, warum sind die Auflagen nicht strenger? Dass selbst der Tourismusausschuss des Bundestags dazu kaum Details erfahren hat, spricht Bände. Mindestens ebenso nötig wäre eine Grundsatzdebatte darüber, welche Art von Unternehmen welche Hilfe bekommt. Sonst schüren wieder Milliarden für "einen der Großen" nur Ressentiments.

Schon die ersten beiden Kreditrunden haben nicht nur die üblichen Kritikreflexe der Opposition ausgelöst, sondern Missmut in der Branche, von Reisebüros bis zu mittelständischen Hoteliers. Dass sich außerhalb der Branche manche Altenpflegerin, mancher Künstler, dem zu Hartz IV geraten wird, mindestens ärgert über diese Summen und ihre Genese, verwundert nicht. All das verstärkt den Eindruck, dass gerettet wird, wer den besseren Draht zu "denen da oben" hat. Ein drittes Paket in dieser Höhe mindestens gut zu erklären, sollte daher das Minimalziel eines Staates sein, der das Geld seiner Bürger gut ausgeben soll.

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