Trotz Rekordumsatz:Die Bahn wird rot

Lesezeit: 2 min

Rangierbahnhof in Hagen, Nordrhein-Westfalen. (Foto: dpa)

Erstmals seit 2003 schreibt der Staatskonzern Verluste. 2015 betrug das Minus 1,3 Milliarden Euro.

Von Michael Bauchmüller und Markus Balser, Berlin

Nein, zu beschönigen gibt es nichts bei der Bahn, das weiß auch Rüdiger Grube. "Wir haben nicht das erreicht, was wir uns vorgenommen haben", sagt der Bahnchef. "Auch bei der Qualität nicht." Und bei den Zahlen noch weniger. Erstmals seit 2003 musste der Staatskonzern am Mittwoch rote Zahlen verkünden, das Ergebnis nach Steuern im vorigen Jahr: minus 1,3 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis vor Steuern ging von 2,1 auf gut 1,8 Milliarden Euro zurück.

Gründe dafür gibt es viele, und nicht alle liegen allein am Management. Da wäre etwa der Streik der Lokführergewerkschaft GDL, der das Unternehmen im vorigen Jahr wochenlang beschäftigte. Allein 300 Millionen Euro habe sein Unternehmen dadurch eingebüßt, sagt Grube. Vor allem im Güterverkehr seien Kunden verloren gegangen - und häufig nicht mehr zurückgekehrt.

Um 4,3 Prozent schrumpfte das Gütergeschäft auf der Schiene, während die Speditionstochter Schenker leicht zulegen konnte. "Wir setzen derzeit alles daran, die Kunden zurück- und neue hinzugewinnen", sagt Grube. Er sagt aber auch: "Wir haben zu spät reagiert, vor allem im Güterverkehr." Bei solchen Zahlen ist man besser gnadenlos, auch zu sich selbst.

Zumal Abschreibungen der Güterverkehrstochter DB Cargo maßgeblich zu dem schlechten Ergebnis beigetragen haben. Ihr Ergebnis brach von 230 Millionen Euro Gewinn im Jahr 2014 auf 180 Millionen Euro Verlust im Jahr darauf ein. Weil das Unternehmen auch für die Folgejahre seine Erwartungen stutzte, schrieb der Konzern 1,3 Milliarden Euro ab. Auch der Verkauf von Tafelsilber, etwa Immobilien, habe das schlechte Ergebnis nicht mehr verhindern können, räumt Finanzvorstand Richard Lutz ein. Die Folge: Die Netto-Finanzschulden wuchsen auf nunmehr 17,5 Milliarden Euro, auch wegen gewachsener Investitionen - Tendenz weiter steigend. Der Umsatz dagegen erreichte 2015 einen Rekordwert von 40,5 Milliarden Euro, ein Zuwachs um 1,9 Prozent.

Immerhin erwartet das Unternehmen nun wieder bessere Zeiten. "Wir gehen davon aus, dass sich das Jahresergebnis oberhalb von 500 Millionen Euro einpendeln wird", sagt Lutz. Wachstumsimpulse sehe der Konzern vor allem bei der Tochter DB Arriva, die Züge im Ausland betreibt, und bei der Spedition DB Schenker. Auch aus dem reinen Bahngeschäft im Inland gibt es die eine oder andere gute Nachricht. So wuchs der Fernverkehr auf der Schiene: Legten Bahnkunden im Jahr 2014 noch 36,1 Milliarden Kilometer in Intercitys und ICEs zurück, waren es 2015 glatte 37 Milliarden. Angesichts der wachsenden Konkurrenz von Fernbussen ist das eine gute Nachricht. Andererseits beförderten Regionalzüge der Bahn weniger Gäste als im Jahr zuvor - was wiederum mit dem vermehrten Wettbewerb im Nahverkehr zusammenhängt. Weil die Bundesländer neue Aufträge zunehmend per Ausschreibung vergeben, gehen die Marktanteile des DB-Konzerns hier Jahr um Jahr zurück. Für Bahnchef-Grube, der nebenbei im größten Konzernumbau seit Langem steckt, ist die Losung für die nähere Zukunft nun ziemlich simpel: "Qualität, Qualität, Qualität." Für Fahrgäste, die im vorigen Jahr nicht nur wegen der Lokführer-Streiks Zugverspätungen hinnehmen mussten, bedeutet das zumindest etwas Hoffnung. Grube geht sogar weiter: "Noch in diesem Jahr", so sagt er, "werden unsere Kunden von einer höheren Pünktlichkeit, verlässlicherer Reisendeninformation und besseren Leistungen in unseren Zügen und Bahnhöfen profitieren."

Ob die Kunden dafür auch mehr zahlen müssen, blieb offen. Durch den gewachsenen Wettbewerb mit Fernbussen aber fällt es dem Unternehmen zunehmend schwer, höhere Preise durchzusetzen. Oder, wie Finanzchef Lutz sagt: "Unsere Kosten korrelieren nicht mehr mit der Zahlungsbereitschaft unserer Kunden." Da gibt es nichts zu beschönigen.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: