Trojaner zur Telefonüberwachung:Freistaat Bayern verteidigt Spähangriff

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"Nichts Neues, kein Geheimnis": Bayerns Innenminister Joachim Herrmann müht sich, die Kritik am Einsatz staatlicher Spionagesoftware abperlen zu lassen. Die Spähangriffe seien rechtlich zulässig, beteuert der CSU-Politiker - und geht zur Gegenattacke über: Er wirft dem Chaos Computer Club vor, falsche Behauptungen in die Welt gesetzt zu haben.

Der Druck auf die bayerische Staatsregierung wächst, weil sie den Einsatz eines umstrittenen Staatstrojaners erlaubt hat, um Internet-Telefonate zu überwachen. Im Zentrum der Kritik steht Joachim Herrmann, Staatsminister des Inneren und CSU-Politiker.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) posiert mit einem Kartenspiel, auf dessen Kartenrückseiten "Lassen Sie sich nicht in die Karten schauen" steht  - bei dem Auftritt ging es um Wirtschaftsspionage. Beim Einsatz von staatlicher Schnüffelsoftware wähnt Herrmann alles rechtens - und verteidigt die erfolgten Spähangriffe. (Foto: dapd)

An den Franken richten sich erste Rücktrittsforderungen, sollte sich herausstellen, dass die Software tatsächlich illegal eingesetzt wurde. Doch Herrmann kanzelt die Vorwürfe entschieden ab - und geht zur Gegenattacke über. "Hier werden zum einen Missverständnisse verbreitet und zum anderen vom Chaos Computer Club (CCC) falsche Behauptungen in die Welt gesetzt", sagte Herrmann der Passauer Neuen Presse. Was der Club konkret falsch gemacht habe, sagte der Minister nicht.

Herrmanns Kritik teilt Unions-Bundestagsfraktionsvize Günter Krings. Der CDU-Politiker warf im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung dem CCC vor, er habe die Sicherheitsbehörden des Bundes leichtfertig unter Generalverdacht gestellt. Bisher gebe es keinerlei Belege dafür, dass die analysierte Software tatsächlich illegal eingesetzt worden sei. Krings forderte, der Club solle an der Aufklärung mitwirken und sein Wissen einbringen, um das Internet sicherer zu machen. "Das wäre tatsächlich ein Dienst an unserem Gemeinwesen."

Bayerns Innenminister versicherte, dass nur im erlaubten Rahmen geschnüffelt worden ist: "Soweit es Bayern angeht, ist klar, dass das Landeskriminalamt ausschließlich rechtlich zulässige, von Ermittlungsrichtern angeordnete Maßnahmen durchgeführt hat."

Herrmann räumte ein, dass im Zuge der Ermittlungen sogenannte Screenshots - Aufnahmen des Bildschirms - gemacht worden seien, "aber darüber ist in den letzten Monaten im Landtag wiederholt berichtet worden. Das ist nichts Neues und kein Geheimnis." Die von bayerischen Beamten ergriffenen Maßnahmen habe das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für die Verfolgung schwerer Verbrechen für zulässig erklärt. Die Behörden hätten "nichts zu verbergen".

Der Minister sagte, "für uns gilt ganz klar das Rechtsstaatsprinzip. Wir wollen Verbrechern auf die Spur kommen. Aber die bayerische Polizei und die Justiz tun nur das, wozu sie durch entsprechende Gesetze ausdrücklich ermächtigt sind. Verstöße kann ich keine erkennen."

SPD fordert "massive Konsequenzen", falls Spähangriffe illegal waren

Die SPD zweifelt daran, dass alles legal ablief und sieht Herrmanns Posten wackeln. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte der Online-Ausgabe der Mitteldeutschen Zeitung zu der Causa Staatstrojaner: "Wenn diese Software vom Landeskriminalamt Bayern eingesetzt worden sein sollte, dann muss sie präzise übereinstimmen mit den gesetzlichen Anforderungen, die es in Bayern gibt."

Zudem müssten die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts eingehalten worden sein. "Wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, dann hat Bayern ein großes Problem an der Backe - und zwar ein richtig großes Problem. Das wird dann massive Konsequenzen haben müssen bis hin zu personellen Konsequenzen", sagte Wiefelspütz.

Der bayerische Landesvorsitzende der Piratenpartei forderte Herrmanns unverzüglichen Rücktritt. "Herr Herrmann, erfüllen Sie Ihre Amtspflichten - den Schutz der Verfassung - wenigstens einmal und treten Sie heute noch von allen politischen Ämtern zurück", schrieb Stefan Körner in einem offenen Brief an die Staatsregierung. Körner forderte den Landtag zu einer vollständigen Aufklärung des Vorgangs auf. Dabei sei insbesondere die FDP in der Pflicht, die auf Bundesebene Aufklärung anmahne, während sie selbst als Regierungspartei an dem Verfassungsbruch beteiligt gewesen sei.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) (Foto: dpa)

Die Grünen pochen auf eine umfassende Aufklärung des Einsatzes von Computer-Spionageprogrammen in Bayern. Der innenpolitische Sprecher, der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, äußerte sich "verwundert" über das Vorgehen von Innenminister Herrmann. Allerdings halte er Rücktrittsforderungen für verfrüht. Die Grünen-Landtagsfraktion verlangte in einem Dringlichkeitsantrag für die Sitzung des Parlaments an diesem Mittwoch, den sogenannten Trojaner-Einsatz sofort zu stoppen.

Der CCC hatte am Wochenende erklärt, dass ihm eine "staatliche Spionagesoftware" zugespielt worden sei, mit der Ermittler in Deutschland Telekommunikation im Internet überwachten, was erlaubt ist. Sie eröffnet aber auch den ferngesteuerten Zugriff auf Kamera, Mikrofon und Bildschirminhalt, was nicht zugelassen ist. Kritiker führen an, dass mit dem Trojaner quasi durch die Hintertür eine Online-Durchsuchung möglich ist. Für diese Maßnahme hat das Bundesverfassungsgericht aber Ende Februar 2008 hohe Hürden gesetzt.

CCC-Sprecher Frank Rieger lehnte den Einsatz von Trojanern durch Ermittlungsbehörden nicht ab, forderte aber einen präzisen Katalog von erlaubten Ermittlungswerkzeugen. "Allerdings stellt sich generell die Frage, ob Trojaner-Software zur Überwachung eingesetzt werden kann", sagte er der Welt. Man könne nur sehr schwer nachweisen, dass Software eine bestimmte Funktion nicht habe.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) setzte sich dafür ein, die Bürger vor "Ausschnüffelei" zu schützen. "Es gibt einen erheblichen Reformbedarf, wie wir die Privatsphäre in der digitalen Welt besser schützen", sagte sie dem Handelsblatt. Dazu seien Änderungen im BKA-Gesetz sowie eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung nötig.

Leutheusser-Schnarrenberger zeigt sich offen für die Idee eines "Software-TÜVs" zur Zulassung potentieller Ausspähsoftware für Ermittler - einen solchen Vorschlag hatte zuvor die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) gemacht. Dem Sender N24 sagte die Justizministerin, es müsse klar sein, "nur, was absolut nicht die Privatsphäre und den Kernbereich berührt, darf überhaupt an Technik entwickelt werden". Dafür zuständig sein könnte nach Ansicht der Ministerin und bayerischen FDP-Chefin eine zentrale Stelle, "ob das nun ein TÜV ist oder ein Kompetenzzentrum oder ob es das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ist".

Die Causa Trojaner sorgt für Zündstoff im Regierungslager: Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), warf Leutheusser-Schnarrenberger Scheinheiligkeit vor. Die FDP-Ministerin müsse endlich eindeutige Regeln für den Einsatz von Überwachungssoftware in Strafverfahren schaffen, sagte Uhl der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Uhl sagte, wer den Strafverfolgungsbehörden präzise Rechtsgrundlagen für ihre Arbeit verweigere, dürfe sich nicht darüber beklagen, dass die Ermittler tatsächlich fehlende Regelungen angeblich nicht richtig beachteten. Die Ministerin sei für die gesetzliche Grauzone verantwortlich, in der viele Behörden arbeiten müssten. Alle Bundes- und Landesbehörden brauchten klare Einsatzregeln, wie es sie für das Bundeskriminalamt bereits gebe.

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