Tourismus:Die Türkei ist wieder da

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Wieder beliebt: Urlaub in Antalya. (Foto: Chris McGrath/Getty Images)

Vor einem Jahr reisten kaum deutsche Urlauber an den Bosporus, doch das hat sich geändert. Experten finden das Verhalten teilweise absurd.

Von Theresa Parstorfer, München

Deutsche Urlauber zieht es wieder in die Türkei. Das zeigen die bereits veröffentlichten Urlaubstrends großer Reiseanbieter wie Tui, Thomas Cook und Alltours. Auf Platz drei der beliebtesten Ferienziele kletterte das Land am Bosporus bei Tui und Thomas Cook. Bei Alltours trägt die Türkei gar am stärksten zum Zuwachs an Gästen bei. "Das Land punktet mit günstigen Preisen, guter Qualität und einem hohen All-inclusive-Anteil", sagt Tui-Pressesprecherin Susanne Stünckel.

Das mag angesichts der Einbrüche in den vergangenen zwei Jahren überraschend sein. Um mehr als die Hälfte gingen die Besucherzahlen 2015 zurück, Hotels mussten schließen, Angestellte verloren ihren Arbeitsplatz. Terrorwelle, Putschversuch, Grundrechtsverletzungen - das sind Schlagworte, die immer wieder fielen. Nach der Verhaftung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner hatte das Auswärtige Amt im Juli 2017 seine Reisehinweise verschärft. Erst vor wenigen Tagen legte es nach und verwies auf die Folgen regierungskritischer Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken. Es reicht mitunter schon, einen als regierungskritisch geltenden Beitrag auf Facebook zu liken, um die türkische Polizei auf den Plan zu rufen und eine Verhaftung zu riskieren.

Einer 2017 durchgeführten Studie der Stiftung für Zukunftsfragen zufolge hatte von 100 Befragten lediglich einer die Absicht, 2018 Ferien in der Türkei zu machen. Die kurze Phase der Entspannung im Sommer scheint für deutsche Pauschalreisende jedoch lang genug gewesen zu sein. "Man kann das Verhalten der deutschen Touristen schon absurd finden", sagt Jürgen Kagelmann, Dozent für Tourismuspsychologie, im eigenen Land habe man vor allem und jedem Angst, beim Urlaub werde das aber beiseite geschoben.

Gründe für diese Wird-schon-gut-gehen-Einstellung sieht Kagelmann unter anderem in den günstigen Flug- und Hotelkosten. Hinzu kommt der Verfall der türkischen Lira. Das Glücksgefühl, das ein Schnäppchen auslöst, sei eben schlicht nicht zu übertreffen, sagt der Psychologe. Die Erinnerung an Attentate oder auch das Wissen, dass in der Türkei deutsche Staatsbürger im Gefängnis sitzen, existiert zwar in vielen Köpfen, allerdings argumentiere so mancher Reisender, dass zwischen dem "guten braven Volk und dem bösen Regierungschef" unterschieden werden müsse, so Kagelmann. Die einfachen Leute wolle man doch nicht abstrafen.

Nicht nur die Türkei wird beliebter: Alltours-Geschäftsführer Willi Verhuven beobachtet eine Verlagerung vom westlichen zum östlichen Mittelmeer und nach Nordafrika hin. Ägypten und Tunesien entwickeln sich zu starken Wachstumsmärkten für die Reiseanbieter. Das könnte mit dem nicht mehr ganz so günstigen Urlaubsklassiker Spanien zusammenhängen, vermutet Verhuven. Zwar liegen das iberische Festland wie auch die kanarischen und balearischen Inseln noch an der Spitze der Reiseziele, die Gästezahlen sinken aber deutlich. Seit der Pleite von Air Berlin kosten Flüge mehr, und Mallorca erhebt seit zwei Jahren eine Touristensteuer.

Also konzentriert man sich beispielsweise auf das Geschäft in Ägypten: Tui bietet neuerdings eine direkte Verbindung zwischen Frankfurt und Luxor am östlichen Nilufer an. "So könnten kulturinteressierte Ägypten-Fans direkt von Deutschland aus zum Tal der Könige fliegen, um dort auf eine Nilkreuzfahrt zu gehen", sagt Stünckel. Buchen können Reiselustige dieses Angebot bereits in der Wintersaison.

Mit anhaltender Reisefreude rechnet auch der Bundesverband der deutschen Tourismuswirtschaft (BTW). 1,68 Milliarden Reisetage zählte man 2017. Für das noch laufende Jahr sollen zwei Prozent hinzukommen. Beinahe die Hälfte der Urlaube werden nach wie vor bei Pauschalanbietern gebucht, entweder im Reisebüro oder über deren Internetseiten und Apps. Alltours hat es dank der reiselustigen Deutschen geschafft, sein Planungsziel für 2018 zu übertreffen. 1,73 Millionen Gäste haben über das Unternehmen gebucht. Das entspricht einem Umsatzplus von sechs Prozent. Ähnlich gut sieht es bei Thomas Cook und auch Tui aus: Sie zählten jeweils vier Prozent mehr Gäste als im Vorjahr.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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