Thyssenkrupp:Düstere Aussichten

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Die Thyssenkrupp-Stahlwerke hatten in der Corona-Krise zeitweise 38 Prozent weniger zu tun, etwa wegen der schwachen Autokonjunktur. (Foto: Arnulf Stoffel/dpa)

Der Ruhrkonzern meldet fast zwei Milliarden Euro Verlust nach drei Quartalen. Das schreckt Anleger ab.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Wenn eine Firma wie Thyssenkrupp erst kürzlich ihr Aufzugsgeschäft für satte 17 Milliarden Euro verkauft hat, dann müsste sie steinreich sein, könnte man denken. Tatsächlich ist Deutschlands größter Stahlhersteller an der Börse nur mehr knapp vier Milliarden Euro wert, am Donnerstag gab die Aktie um 16 Prozent nach. Ein Grund sind die vielen Schulden, die Thyssenkrupp seit Jahren anhäuft; der Verkauf der Aufzüge sollte den Neuanfang bringen. Der niedrige Börsenwert zeigt aber auch, wie wenig Chancen Investoren in der Zukunft des Ruhrindustriekonzerns sehen.

Ohne die profitable Aufzugssparte gehören Thyssenkrupp noch Stahlwerke und Werkstoffhandel, der Marineschiff- und Anlagenbau sowie Auto- und Industriekomponenten. Fast alle Geschäfte leiden unter der Corona-Krise samt wochenlangem Stillstand von Autofabriken. Allein in den vergangenen drei Quartalen fuhr Thyssenkrupp etwa 1,97 Milliarden Euro Verlust ein. "Inzwischen sehen wir zwar Anzeichen für eine Stabilisierung", sagt Vorstandschefin Martina Merz. Dennoch erwarte man fürs laufende Quartal einen weiteren Verlust Hunderter Millionen Euro.

Das liegt vor allem am alten Stammgeschäft, den Stahlwerken im Ruhrgebiet. Die Branche erlebt seit Jahren ein krasses Auf und Ab - auch wegen der wachsenden Konkurrenz aus Asien und insgesamt zu vieler Fabriken, gemessen am Bedarf. Infolge der Pandemie hatten die Stahlwerke von Thyssenkrupp zeitweise 38 Prozent weniger zu tun, sagt Finanzchef Klaus Keysberg. So bleibt der ganzen Branche auch kaum Geld, um in klimaschonendere Technologien zu investieren, etwa auf Grundlage von Wasserstoff auf Ökostrombasis.

Thyssenkrupp prüft derzeit mögliche Partnerschaften und Fusionen der Stahlsparte. "Wir sind in Gesprächen", sagt Keysberg, "der Optionen-Raum ist nach wie vor weit offen." Denkbar sei auch, die Mehrheit am Stahlgeschäft abzugeben; die traditionell einflussreiche Gewerkschaft IG Metall hat diese Variante bislang abgelehnt. Ein zwischenzeitlich geplanter Zusammenschluss der Stahlsparten von Thyssenkrupp und dem Konkurrenten Tata in Europa war 2019 an Wettbewerbsbedenken der EU-Kommission gescheitert.

Zudem hat Thyssenkrupp im Mai einzelne Geschäfte zur Disposition gestellt, die den Konzern schon in Vorjahren viel Geld gekostet haben. Dazu zählen etwa der Anlagenbau, ein Grobblechwerk in Duisburg sowie das Geschäft mit Federn und Stabilisatoren. Thyssenkrupp will diese Töchter mit insgesamt gut 20 000 Beschäftigten verkaufen oder in Partnerschaften einbringen, Teilen droht alternativ die Schließung. "Das alles bleibt ein Weg der vielen kleinen Schritte", konstatiert Keysberg, "Corona macht die Sache nicht leichter."

© SZ vom 14.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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