Textilbranche:Aus der Mode

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Die Insolvenz von Gerry Weber ist nur das jüngste Beispiel: Eine ganze Reihe deutscher Textilmarken steckt in Schwierigkeiten - oder hat bereits aufgegeben.

Von Caspar Busse und Jan Wilmroth

Können die Deutschen keine Mode? Der Eindruck drängt sich irgendwie auf - vor allem, wenn man auf die Probleme vieler deutscher Unternehmen der Branche schaut. Ende vergangener Woche erst hatte der westfälische Damenmode-Hersteller Gerry Weber Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Die Gespräche mit den Banken waren gescheitert. Nun sollen Mitarbeiter entlassen, Geschäfte geschlossen und so das Unternehmen saniert werden.

Dabei ist Gerry Weber kein Einzelfall. Eine ganze Reihe von kleineren deutschen Modefirmen hatte in den vergangenen Jahren ernsthafte Schwierigkeiten. Die Marke Bench, die vom deutschen Modemanager Bruno Sälzer aus München geführt wurde, ging im vergangenen Jahr in die Insolvenz. 2017 machte René Lezard pleite. Die Firma mit dem französisch klingenden Namen aus der fränkischen Provinz hatte große Pläne und gab eigene Anleihen aus, die am Ende nicht mehr bedient werden konnten. Probleme hatte auch Rena Lange, der Münchner Anbieter von teurer Damenmode stellte 2015 den Betrieb ein. Laurèl oder Strenesse kämpfen ebenfalls. Die Nürnberger Modekette Wöhrl ging 2016 in die Knie, Christian Greiner, der Enkel von Gründer Rudolf Wöhrl und damals Vorstand beim Münchner Modekaufhaus Ludwig Beck AG, übernahm das Unternehmen.

Schon vor einigen Jahren hatte Escada, jahrzehntelang eine der klingenden Marken in der internationalen Damenmode, finanzielle Probleme und wurde am Ende von der Investorin Megha Mittal übernommen. Auch Mittelklasse-Marken wie Tom Tailor und Esprit mühen sich. Die Modefirma Hugo Boss, eine der größten, scheint die Krise dagegen inzwischen gemeistert zu haben. Man werde 2019 wieder profitabel wachsen, sagte Vorstandschef Mark Langer vergangene Woche.

Die Probleme sind bei vielen ähnlich. Die Anbieter, ob Modefirma oder Einzelhandelsgruppe, haben zu lange und zu sehr auf den stationären Handel gesetzt. Während die Innenstädte immer schlechter besucht werden, sind vielerorts die Mieten gestiegen. Gerade jüngere Kunden aber bestellen zunehmend im Internet, bei Amazon, Zalando oder anderen. Das spüren selbst die großen internationalen Ketten wie H & M aus Schweden oder Zara und Massimo Dutti, die beide zum spanischen Inditex-Konzern gehören. Dabei haben gerade sie ein breiteres und günstigeres Angebot für junge Kunden und sorgen mit einem raschen Wechsel der Kollektionen für einen steten Zustrom in den Läden. Der Trend zum Online-Handel ist aber nicht alleine schuld an den Problemen. Auch die Modezyklen werden immer kürzer. Manche Marken wie Gerry Weber wirken da nicht mehr frisch und sind mit ihrer Kundschaft gealtert. Dazu kommt der ungewöhnlich heiße Sommer, der nicht gerade gut für den Umsatz war. Außerdem machen Rabattaktionen oft die Preise kaputt.

Einige Marken wirken nicht mehr frisch und sind mit ihren Kunden gealtert

"Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nach erfolgreicher Sanierung wieder in die Erfolgsspur zurückkehren werden", sagte am vergangenen Freitag Johannes Ehling, der Chef von Gerry Weber. Die operativen Töchter einschließlich der Modekette Hallhuber sollen aus dem Insolvenzverfahren herausgehalten werden. Mit der Einleitung des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens seien Freiräume gewonnen worden, sagte Chef-Sanierer Florian Frank, der im Herbst in den Vorstand eingezogen war. Helfen soll auch Insolvenzexperte Christian Gerloff, der unter anderem die Modeketten K&L und Wöhrl saniert hat. Allerdings hat Gerry Weber schon länger Probleme. Bereits 2016 wurde ein drastischer Sparkurs verkündet, der aber nicht den gewünschten Erfolg brachte.

Das Unternehmen, 1973 gegründet, ist seit 1989 an der Börse. Es gab Zeiten, da war die Aktie ein Gewinnertipp. Nach der Finanzkrise, im allgemeinen Börsenaufschwung, stieg das Papier bis auf fast 40 Euro. Bis Anfang 2015 traute die Börse dem Unternehmen ziemlich viel zu. Danach ging es abwärts - mit einem Wert von nur noch etwas über 75 Cent ist die Aktie zum Zockerpapier verkommen.

In jüngster Zeit wurde das Papier im Vergleich zu den Aktien ähnlich großer Firmen nur noch sehr wenig gehandelt. Umso mehr fielen die Börsenumsätze am Donnerstag, einen Tag vor Anmeldung der Insolvenz, auf, insbesondere gegen 12.15 Uhr: 169 000 Aktien wurden da auf einen Schlag gehandelt, ein Vielfaches dessen, was sonst an einem ganzen Tag üblich war. Der Wert der Aktie fiel daraufhin zeitweise um mehr als ein Viertel. Hatte jemand einen Hinweis bekommen? Das wäre ein klarer Fall von Insiderhandel. Die Bafin hat wegen der Kursbewegungen eine "routinemäßige Analyse" eingeleitet.

Bei einem Insolvenzantrag von börsennotierten Firmen sei das zwar nicht überraschend, betont eine Sprecherin - erinnert aber auch daran, dass der Handel mit Gerry-Weber-Aktien nicht zum ersten Mal auffällig war. Seit dem Herbst untersuche die Bafin einen Verdacht auf Insiderhandel wegen einer Ad-hoc-Mitteilung vom 21. September. Damals hatte Gerry Weber nach 22 Uhr bekannt gemacht, ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben zu haben. Kurze Zeit später gab Ralf Weber, der Sohn von Firmengründer Georg, seinen Posten als Vorstandschef auf.

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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