Fünfzehn Jahre nach seiner Gründung im Jahr 2002 muss Extremus, der Spezialversicherer für Sachschäden durch Terrorüberfälle, seinen ersten Schaden zahlen. Der Vorstandsvorsitzende Gerhard Heidbrink bestätigte, dass ein großer Veranstalter von Weihnachtsmärkten eine Police bei Extremus abgeschlossen hat. Extremus ist von dem Anschlag am 19. Dezember 2016 betroffen, bei dem ein Terrorist einen Lkw in den Weihnachtsmarkt am Breitscheider Platz in Berlin fuhr, zwölf Menschen tötete und 48 verletzte. Mit der Entschädigung der Opfer hat Extremus nichts zu tun. Wahrscheinlich erhalten die Betroffenen und ihre Familien auch staatliche Mittel, heißt es in der Versicherungsbranche. Denn die Zahlungen aus der Verkehrsopferhilfe sind auf 7,5 Millionen Euro begrenzt, das reicht nicht.
Der von Extremus zu tragende Sachschaden dürfte relativ gering sein. Vorstandschef Heidbrink wollte keine Einzelheiten nennen, auch den Namen der betroffenen Firma nicht. Das Unternehmen muss aber 50 000 Euro der Belastung selbst tragen. Es wird weniger um beschädigte Stände und Häuser gehen als um die Betriebsunterbrechung, also den Einnahmeausfall durch die Schließung. Experten halten rund 100 000 Euro für wahrscheinlicher als eine Millionensumme.
Trotzdem ist die Tatsache, dass Extremus zum ersten Mal zahlen muss, von großer Bedeutung: Die Bedrohung von Firmen durch Terroristen ist auch in Deutschland real geworden und führt zu neuen Diskussionen über eine Terrordeckung.
Extremus war 2002 nach den Erfahrungen des 11. September 2001 von 15 Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften gegründet worden, darunter Allianz, Munich Re, Swiss Re, die öffentlichen Versicherer und der US-Anbieter AIG.
Die Gründung erfolgte in einer Notsituation: Nach dem Angriff auf das World Trade Center in New York hatten viele Versicherer bestehende Gebäudeversicherungen gekündigt und neue Verträge nur angenommen, wenn sie Schäden durch Terror ausschließen konnten. Sie machten sich Sorgen, dass eine Welle von Angriffen sie in die Pleite treiben könnte.
Damals fanden Versicherer, ihre Großkunden und die Bundesregierung eine Lösung: Die Gesellschaften stimmten zu, Gebäude bis zu einem Wert von 25 Millionen Euro auf Antrag in den normalen Gebäudepolicen auch gegen Terrorschäden zu versichern. Für Gebäude mit einem höheren Wert wurde Extremus gegründet. Sollte es zu einer Reihe sehr hoher Belastungen kommen, springt der Staat ein: Bis 2,5 Milliarden Euro pro Jahr zahlen Extremus und seine Rückversicherer, für darüber hinausgehende Schäden kommt der Bund mit bis zu 7,5 Milliarden Euro auf. Dafür zahlt Extremus eine Gebühr an die Regierung.
Inzwischen verbucht das Unternehmen 44 Millionen Euro Prämie pro Jahr. Kunden sind in erster Linie Immobilienkonzerne, deren Banken in der Regel auf einer Terrordeckung bestehen, und Betreiber von Infrastrukturanlagen wie Bahnhöfen und Flughäfen. Der Kölner Spezialversicherer konkurriert in dem Geschäft heftig mit angelsächsischen Anbietern von Terrorpolicen, vor allem XL und Chubb.
Für die Angehörigen der Berliner Todesopfer und die Verletzten ist Extremus nicht zuständig. Da der Schaden mit einem gestohlenen Wagen und vorsätzlich angerichtet wurde, zahlt auch nicht der Versicherer des polnischen Lkw, sondern die für solche Fälle von der Versicherungsbranche gegründete Verkehrsopferhilfe.
Allerdings leistet sie pro Schadensfall nur bis zu 7,5 Millionen Euro für alle Personenschäden und 1,12 Millionen Euro für Sachschäden. Abgewickelt wird der Schaden in Berlin von der HUK-Coburg im Auftrag der Verkehrsopferhilfe. Die 7,5 Millionen Euro reichen nicht, um die berechtigten Unterhaltsansprüche von Angehörigen und die Renten für möglicherweise lebenslang Behinderte zu zahlen.
Deshalb gibt es Gespräche zwischen den Versicherern und der Bundesregierung über zusätzliche staatliche Hilfen, die in den kommenden Tagen zu einem Ergebnis führen sollen. Möglicherweise stellt der vom Bundestag 2002 eingerichtete Fonds "Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten" Gelder zur Verfügung, den das Justizministerium verwaltet.