Technologiefirma Honeywell:Zoff um Überwachungssystem

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Die US-Technologiefirma Honeywell plant den Einsatz eines Spähprogramms - in der eigenen Firma. Der Betriebsrat rebelliert.

H. Leyendecker und K. Ott

Das Arbeitsgericht Offenbach umfasst sechs Kammern und beschäftigt sich mit den üblichen Angelegenheiten solcher Einrichtungen: Kündigungsschutzklagen, Lohnklagen, Streitigkeiten über Urlaub und Arbeitszeugnisse. In sogenannten Beschlussverfahren werden Streitfälle zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über Fragen aus dem Betriebsverfassungsgesetz verhandelt.

Bespitzelung zum Schutz der Mitarbeiter: Die US-Firma Honeywell stößt mit ihren Plänen auf heftigen Widerstand. (Foto: Foto: AP)

Bei der 5. Kammer des Arbeitsgerichts ist ein Verfahren anhängig, das klären soll, ob der amerikanische Technologiekonzern Honeywell durch die Installation der Software EnCase Enterprise Edition auf Computern von Mitarbeitern Mitbestimmungsrechte in Deutschland verletzt hat. Nach Angaben der IG Metall war eine erste Verhandlung für Ende April angesetzt, wurde dann aber vertagt.

IG Metall verlangt Klärung

Ein neuer Termin stehe noch nicht fest. Aus Sicht der IG Metall ist es ein Grundsatzverfahren, das klären soll, wie weit ein Unternehmen bei der möglichen Überwachung von Mitarbeitern gehen dürfe. Die Gewerkschaft sorgt sich um den Datenschutz im Betrieb.

EnCase ist ein hochentwickeltes Spähprogramm, das auch von Sicherheitsbehörden in etlichen Ländern eingesetzt wird: Das Programm diene unter anderem zum "Schutz von Firmennetzwerken vor Angriffen durch Hacker, Viren und andere Schadsoftware", argumentiert der von der Honeywell Deutschland Holding beauftragte Arbeitsrechtler Thomas Ubber in einem Schriftsatz fürs Arbeitsgericht.

Heimliche Überwachung

"Mittels EnCase" könnten "sämtliche Daten und Informationen auf der Festplatte heimlich eingesehen und kopiert werden", erklärt Konzernbetriebsrat Werner Ehemann in einer eidesstattlichen Versicherung für die Kammer. "Die Kontrolle erfolgt ohne Kenntnis des Nutzers." Die Operation wird vom Sicherheitscenter des Unternehmens in den USA gesteuert. Ehemann: "Der Nutzer bemerkt den Kontrollvorgang nicht." Big Brother würde neidisch werden.

Der Streit ist ein Beleg für ein verändertes Datenschutzbewusstsein. Vor Jahren noch interessierten sich nur vermeintliche Erbsenzähler und Langweiler für die Gefahren des Informationsmissbrauchs. Allenfalls die Neugier des Staates galt als ein bisschen bedrohlich. Dann regnete es in Serie Affären wie bei Lidl, der Telekom, der Deutschen Bahn, und inzwischen dämmert es Betriebsräten und Belegschaften im Lande, dass der eigene Laden der gefährlichste Informationsjäger sein kann. Der Fall Honeywell zeigt aber auch, wie kompliziert und verschachtelt das Thema sein kann.

Betriebsrat fordert Deinstallation

Weltweit hat der amerikanische Technologiekonzern, der unter anderem Turbolader und Triebwerke baut, etwa 130000 Mitarbeiter. 6000 von ihnen arbeiten in Deutschland. In den USA lief schon vor etlichen Monaten die Operation EnCase an. Angeblich sollten nur rund um den Globus einheitliche Sicherheitsstandards zum Schutz der IT-Netzwerke eingebaut werden. Auf Veranlassung des Mutterkonzerns wurde die Software weltweit auf Personalcomputern und Notebooks aufgespielt.

Eher durch Zufall erfuhr im Februar vergangenen Jahres der Konzernbetriebsrat, dass die Software bereits auf allen Computern der in Deutschland Beschäftigten aufgespielt worden war, die über einen PC-Arbeitsplatz verfügen oder sich mit einer persönlichen Identifikationsnummer ins Honeywell-Netz einwählen. Das ist jeder zweite Beschäftigte.

Die Betriebsräte forderten die Geschäftsleitung auf, EnCase sofort zu deinstallieren. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien nicht eingehalten worden. Ein Beschlussverfahren wurde vor dem Arbeitsgericht eingeleitet (BV 9/08) und kurz darauf zum Ruhen gebracht. Eine Einigungsstelle im Unternehmen sollte das vertrackte Problem lösen.

Bedrohung der Privatsphäre

Drei Sitzungen fanden statt. Der Betriebsrat beharrte darauf, dass die Software nicht eingesetzt werden dürfe, da bei Honeywell die Mitarbeiter die Firmencomputer auch für private E-Mails verwenden durften. Wer sollte garantieren, dass nicht irgendjemand in den USA für welchen Zweck auch immer verdeckt Privates ausspähen würde?

Der Betriebsrat müsse die Möglichkeit haben, automatisch monatlich "nicht manipulierbare Protokolle" (Ehemann) über den Einsatz der Software zu bekommen. Außerdem dürften "keinerlei arbeitsrechtliche Maßnahmen auf Grund des Einsatzes der von EnCase gewonnenen Erkenntnisse begründet" werden. Die Konzernleitung entgegnete, das Programm sei in Deutschland nicht aktiviert worden.

Bei Nutzern, die sich innerhalb Europas über das zentrale sogenannte Gateway in Sophia Antipolis einwählen würden, solle EnCase nicht genutzt werden. Falle Antipolis aus, würden sämtliche deutschen Arbeitnehmer - mit Ausnahme der leitenden Angestellten - komplett vom Zugang zum Netzwerk gesperrt.

"Nur zum Schutz"

Ohnehin solle EnCase nur genutzt werden, um die Mitarbeiter und das Unternehmen vor Bedrohungen aus dem Netz zu schützen. Etwa vor Virus-Angriffen, die große Schäden auslösen könnten. Die Firmenpolitik verhindere, dass Mitarbeiter überwacht würden. Die Betriebsvereinbarungen zur privaten Nutzung der E-Mails wurden gekündigt.

Einen harmlos klingenden Vergleichsvorschlag hat Konzern-Anwalt Ubber der 5. Kammer des Offenbacher Arbeitsgerichts mitgeteilt: "Ein IT-System ist im Grunde ebenso wenig auf eine Arbeitnehmerüberwachung angelegt wie zum Beispiel eine Uhr. Erst wenn nach seiner Verwendung im konkreten Fall leistungs- und verhaltensrelevante Arbeitnehmerdaten erfasst werden können, wird er zu einer technischen Überwachungs-Einrichtung."

© SZ vom 18./19.04.2009/kaf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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