SZ-Serie: Die großen Spekulanten (32):Der Mäzen, der sich liebte

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In den großen Konzerthäusern der Welt wollte Alberto Vilar seinen Namen eingraviert sehen und Applaus empfangen - jetzt steht er vor Gericht.

Alexander Hagelüken

Mitte der neunziger Jahre hat Alberto Vilar Reichtum angehäuft, doch seinen Namen kennt die Welt nicht. Der Fondsmanager mit dem Jungsgesicht und den abstehenden Ohren beginnt Orchestern, Universitäten und Opernhäusern überall auf dem Erdball Spenden zu versprechen, auf dass sie seinen Namen verbreiten. Insgesamt sagt er 300 Millionen Dollar zu. So viel Geld hat der Musik niemand versprochen, seit dem Bayernkönig Ludwig II. vor 125 Jahren die Leidenschaft für Richard Wagner übers royale Haupt wuchs.

"Vilar spendet Geld, als sei es Wasser. Er hat einen ernsten Schaden." Dies ist Donald Trumps Fazit. (Foto: Foto: dpa)

Wegen Postbetrugs verhaftet

Ludwig II. ertrank im Starnberger See, im Clinch mit einem Arzt, unzurechnungsfähig. Alberto Vilar, 67 Jahre, wird in Kürze der Prozess gemacht. 2005 fingen ihn zwei Zivilpolizisten am New Yorker Flughafen Newark ab. "Wir verhaften sie wegen Postbetrugs", sagten sie. "Was ist das?", fragte er. Sie steckten ihn in eine Zelle ohne Fenster, Waschbecken oder Klo, in der 24 Stunden Licht brannte. In Freiheit hatte er der Opernwelt ein Spektakel geboten, wie sie es seit Ludwig II. nicht mehr erlebt hatte.

Wer immer es hören musste, dem erzählte Vilar die Geschichte eines wilden Lebens. Der Vater Zuckerbaron in Kuba, die ganze Familie durch Castros Revolution aus dem Land getrieben: "Wir verloren alles". Wer wollte das nachprüfen, Opernintendanten interessierten sich ohnehin mehr für die harte Währung, die dieser kubanische Aufsteiger anbot.

Nach Jobs an der Wall Street hatte er sich, 39 Jahre alt, mit einer Vermögensverwaltung selbständig gemacht. Er hatte Mathematik und Physik studiert und erkannte früh die technologischen Trends Computer und Internet. Er setzte alles auf Aktien wie Microsoft, E-Bay oder Amazon und surfte auf der Bugwelle ihres Booms. "Die Risiken seiner Strategie sind enorm", sagte der Silicon-Valley-Investor Roger McNamee. "Seine guten Perioden sind sensationell, seine schlechten furchterregend".

Konzertsaal im Apartment

Zunächst geht alles gut. Laut dem Magazin Fortune wirft seine Vermögensverwaltung Amerindo von 1989 bis 1999 jährlich 28 Prozent Rendite ab. Der Technologie-Boom Ende der neunziger Jahre macht ihn endgültig zum König, er verwaltet bis zu acht Milliarden Dollar.

Seinen Namen wissen aber nur ein paar Finanzinteressierte. Jetzt wird es Zeit, dass die Welt ihn kennenlernt, ein sorgfältig modelliertes Wesen, den Opernliebhaber Alberto Vilar. Der in seinem Apartment bei der New Yorker UN-Zentrale einen Konzertsaal errichten will. Der Arbeiter zwei Jahre lang damit beschäftigt, eine Innenwand dem Salzburger Mozarteum nachzuempfinden. Der Kronleuchter aufhängen lässt, die aussehen müssen wie in New Yorks erstem Opernhaus Met.

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Als Junge wollte er Geige lernen, erzählte er einem Reporter des New Yorker. "Kubanische Männer spielen nicht Geige", blaffte sein Vater, der Zuckerbaron. Alberto sollte Fußball spielen und Mädchen jagen. Er hasste Fußball und mied die Mädchen. Er sperrte sich in sein Zimmer ein und hörte Geigensonaten.

Sein Name ist überall

Der erwachsene Alberto kämpft immer noch gegen den Vater. Er spricht bei den ersten Opernhäusern der Welt vor und verspricht Geld. Fünf, zehn, 20 Millionen. Sobald er die ersten Beträge überwiesen hat, stellt er Forderungen. Sie sollen seinen Namen nennen und sein Gesicht zeigen, ganz groß. Die Salzburger Festspiele drucken im Programm ganzseitige Fotos von ihm, in Farbe. Das Londoner Royal Opera House meißelt seinen Namen in die Fassade und nennt die Foyerhalle Vilar Halle. Die New Yorker Met graviert seinen Namen 30 Zentimeter hoch vor die besten Plätze und nennt ihr Restaurant Vilar Restaurant.

Der Mäzen beharrt darauf, er fordere diese Anerkennung für sich nur, um weitere Gönner anzuziehen. Damit möglichst viele Menschen die Oper lieben lernen, so wie er. Sein Gegner, der Immobilientycoon Donald Trump, sieht ihn anders: "Vilar spendet Geld, als sei es Wasser. Er hat einen ernsten Schaden." Der Manager von Placido Domingo, den der Mäzen fördert, erklärt später: "Mein Gefühl ist, der Mann war unsicher und wollte den Respekt und die Liebe von so vielen Menschen wie möglich".

An der New Yorker Met stellt der Opernfreund immer neue Forderungen. Er möchte sein Gesicht im Programmheft sehen. Er möchte seinen Namen in den Aufzügen sehen. Er möchte seinen Namen auf den Displays sehen, über die die Untertitel huschen. Joe Volpe, der sich vom Bühnenarbeiter zum Manager hochgearbeitet hat, findet das alles unglaublich. Er misstraut diesem Neureichen, der mit seiner Bekanntschaft zu Prinz Charles angibt. Er verachtet ihn. Aber sein Geld nimmt er gerne. So halten es viele in der Welt der Künste. Opernhäuser wie die Met machen sich abhängig von Gönnern, statt ihre Ausgaben an den Ticketeinnahmen zu orientieren.

Im März 2000 steigt der Technologie-Index Nasdaq auf ein neues Hoch über 5300 Punkte, dann platzt die Blase. In den kommenden Jahren verliert der Nasdaq 90 Prozent seines Werts. Vilars Gesellschaft Amerindo erlebt das schlimmste Jahr ihrer Geschichte. Der Opernfreund reist weiter um die Welt, auch nach Deutschland, um Geld zuzusagen. Er verspricht 100 Millionen Dollar, so viel wie noch nie. Ein Mitarbeiter sagt: "Alberto um eine Spende zu fragen, ist genauso, wie einem Alkoholiker einen Drink anzubieten".

Lobhascherei

Einmal fährt Vilar mit der Limousine zu einem edlen Geschäft, um für 60 Dollar Handschuhe zu kaufen. Seine Kreditkartenfirma verweigert die Zahlung. Er muss die Handschuhe zurücklassen. Kunden, die ihr Kapital aus dem Fonds ziehen wollen, beschwichtigt er oder ruft nie zurück.

So ergeht es auch der reichen Klientin Lily Cates, die seit vielen Jahren ihre Millionen zu Amerindo trägt. Opernintendanten, die auf die volle Überweisung der versprochenen Summen warten, behandelt Vilar genauso. Gleichzeitig überrascht er an der Met mit neuen Wünschen: Er möchte nach der Premiere zusammen mit den Sängern auf die Bühne, um den Applaus zu empfangen.

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Doch an der Met und anderen Opernhäusern beginnen die Joe Volpes längst, sich an dem großsprecherischen Mäzen zu rächen. Als sein Geld ausbleibt, entfernt die Met seinen Namenszug aus der ersten Reihe, alle 30 Zentimeter. Sein Name verschwindet von den Speisekarten des Restaurants. Am Londoner Royal Opera House kratzen sie seinen Namen aus der Fassade.

Der Opernfreund ist untröstlich, vor allem, nachdem sie ihm auch noch seine Logenplätze wegnehmen. Er verhandelt. Er bittet. Er verspricht. Nach einiger Zeit kann Vilar darauf verweisen, dass die Aktien wieder besser stehen. In einem Jahr steigt sein Technologiefonds wieder um 85 Prozent, im folgenden gewinnt er ebenfalls dazu. Der Opernfreund hat große Pläne.

Mancher allerdings, der mit ihm zu tun hat, erfährt verstörende Dinge. Er ist gar nicht in Kuba geboren, sondern in New Yorks Nachbarstadt New Jersey, auf der langweiligeren Seite des Hudson Rivers. In seinem Pass steht auch nicht der Name Alberto, sondern Albert. "Er war nie der, der er zu sein vorgab", erzählt eine ehemalige Fondsmanagerin dem Wall Street Journal. "Und Amerindo schuf auch niemals den Reichtum, den er vorgab".

Im Juni 2005 klicken am Flughafen Newark die Handschellen, Vilar muss ins Gefängnis. Seiner langjährigen Kundin Lily Cates ist der Kragen geplatzt, weil sie ihr Geld nicht bekommen hat. Die Ermittler stellen fest, dass Vilar Cates' Kapital für private Zwecke abgezweigt hat, und: "Dieser Fall könnte nur die Spitze des Eisbergs sein".

Vor den Augen der Weltöffentlichkeit, die seinen Namen vor ein paar Jahren noch nicht kannte, beginnt die Entzauberung des Alberto oder Albert Vilar. Seine Schwestern weigern sich, Sicherheiten für seine Kaution zu leisten. Von all den Opernmäzenen, die er für seine besten Freunde auf Erden hielt, hört er: kein Wort. "Ich wäre so glücklich über eine kleine Nachricht", sagt Vilar. "Er ist ein armseliger Typ und ein richtiger Drecksack", sagt sein Gegner Donald Trump. "Aber er hat Millionen gespendet und sie behandeln ihn wie Scheiße. Das finde ich furchtbar."

In den nächsten Wochen wird sein Fall vor einem New Yorker Gericht verhandelt. Es geht um Wertpapierbetrug und anderes. Das Geld der Lily Cates aber, so stellten die Ermittler fest, hat der Opernfreund nicht etwa in Champagner oder Limousinen gesteckt. Er nahm es, um zu spenden und das Bild vom Mäzen Alberto Vilar in aller Welt zu verbreiten.

© SZ vom 9.9.2008/kim/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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