SZ-Serie: Deutsche Ökonomen:Seiteneinsteiger mit Wirkung

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Achim Wambach ist eigentlich Physiker und Mathematiker, dann erst kam er zur Volkswirtschaft. Heute ist er ein wichtiger Politik-Berater.

Von Caspar Busse

Im Dezember treten Achim Wambach und sein Kollege Axel Ockenfels gemeinsam vor die Studenten der Universität Köln. Die beiden halten dann eine ungewöhnliche Weihnachtsvorlesung in Mikroökonomie: Wambach gibt den Homo oeconomicus, also den kalten Nutzenmaximierer, Ockenfels argumentiert als verständiger Verhaltensökonom, für den Menschen nicht nur egoistisch sind, sondern auch an andere denken. Vor gut gefüllten Rängen diskutieren die beiden Ökonomen dann zum Beispiel über Geschenke. "Schenken ist, rein ökonomisch gesehen, ziemlicher Unsinn", sagt beispielsweise Wambach. Es komme zu "Fehlallokationen", Menschen bekommen Geschenke, die sie nicht wollen. Wenn schon schenken, dann am besten Geld. Ockenfels dagegen findet Geschenke toll, sie würden Werte schaffen, denn am Ende haben alle Spaß. So diskutieren die beiden im Hörsaal - nicht immer ganz ernst, am Ende gehen die Professoren und die Studenten gemeinsam zum Glühweintrinken.

Die Veranstaltung sei immer ein großer Erfolg, erzählt Wambach, 47. Man merkt, dass ihm so etwas Spaß macht. Der gebürtige Kölner mit dem rheinischen Singsang und der markanten Brille hat sich, ziemlich im Verborgenen, zu einem der wichtigsten Wettbewerbsökonomen in Deutschland entwickelt. Er ist seit 2014 Mitglied der Monopolkommission, des einflussreichen Beratergremiums der Bundesregierung in Sachen Wettbewerb. Er ist seit 2006 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, seit 2012 auch dessen Vorsitzender. Und in zwei Jahren soll er von Monika Schnitzer den Vorsitz des traditionsreichen Vereins für Socialpolitik übernehmen, einer der größten Vereinigung von Wissenschaftlern überhaupt.

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Dabei ist Wambach von Hause aus gar kein reiner Ökonom. Er hat vielmehr in seiner Heimatstadt Köln Physik und Mathematik studiert und anschließend an der Universität in Oxford promoviert. Dort befasste er sich vor allem mit Elementarteilchen, also den kleinsten bekannten Bauteilen der Materie. Dann kam das große Geld. Viele Kollegen hätten sich für Karriere entschieden, erzählt Wambach, und seien zu Investmentbanken in London gewechselt. Keine schlechten Aussichten, dachte er sich, wollte es vorher noch einmal kurz mit den Wirtschaftswissenschaften versuchen. Er ging für ein Jahr an die renommierte London School of Economics.

Die VWL findet er faszinierend: Man lernt jede Woche etwas, das einen überrascht

Noch heute schwärmt er von dieser Zeit. "Die Volkswirtschaft war damals an der LSE für mich so faszinierend, dass ich hängengeblieben bin. Man lernt jede Woche etwas, das einen überrascht." Jedenfalls blieb Wambach der Volkswirtschaft treu, machte einen Master of Science in Economics und wechselte 1995 nach München an die Ludwigs-Maximilians-Universität. Dort habilitierte er sich. Dabei untersuchte er die Frage, ob und wie Versicherungen Informationen aus Gentests ihrer Versicherten nutzen sollten - ein Thema, das heute noch immer sehr aktuell ist, da die Assekuranz immer mehr auf die Daten ihrer Kunden zurückgreifen will. Von 2001 bis 2005 war er dann Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg, und kehrte schließlich nach Köln in die Heimat zurück, wenn auch nicht an die Heimatfakultät, an der er einst seine Hochschulkarriere als Student begonnen hatte.

Heute ist Wambach in Köln Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik und Co-Direktor des Europäischen Zentrums für freie Berufe. In seiner Forschung beschäftigt sich Wambach mit Informationsproblemen auf Märkten. Er kümmert sich um Auktions-, Energie- und Telekommunikationsmärkte, aber auch die Bereiche Versicherungen und Gesundheit.

"Man muss sich die wissenschaftliche Exzellenz erarbeiten, um dann mit diesem Wissen in die wirtschaftspolitische Beratung hineingehen zu können", sagt Wambach. Auf ihn trifft das jedenfalls zu, einen guten Teil seiner Arbeitszeit verwendet er auf Beratung. In Sachen Monopolkommission ist er mindestens einen Tag im Monat unterwegs, oft auch mehr. Der Beirat beim Wirtschaftsminister trifft sich fünfmal im Jahr, dazu kommen Arbeitsgruppen. In den Talkshows zu Griechenland und den anderen Themen sitzt er dagegen nicht - anders als etwa die Kollegen Hans-Werner Sinn oder Clemens Fuest. Einer der Gründe dafür: Wambach hält nicht viel von Polarisierung. "Bei vielen Teilgebieten der VWL gibt es keine rechte oder linke Wirtschaftswissenschaft. Das ist wie in der Physik: Da gibt es keine Päpste, die Sache ist entweder richtig oder falsch", sagt er.

Als gelernter Physiker ist Wambach zudem ergebnisorientiert, er wirkt hinter den Kulissen, in der Monopolkommission. Das Gremium mit Geschäftsstelle und Mitarbeiterstab in Bonn erstellt für die Politik Gutachten, etwa zur Post, zur Bahn oder zur Lage auf den Telekommunikationsmärkten. Diese erregen oft Aufsehen. Gerade erst hatte die Kommission - zwei Professoren und drei Wirtschaftsvertreter - den mangelnden Wettbewerb bei der Bahn gerügt. In der vergangenen Woche nahmen Wambach und seine Kollegen zum Fall Tengelmann-Edeka Stellung. Der Handelskonzern aus Mülheim will gut 450 Filialen der Marken Tengelmann und Kaiser's an Edeka abgeben, die sind in Deutschland mit Abstand Marktführer.

Zwei Lieblingsbücher

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(Foto: N/A)

Nach einigen Abwägungen empfiehlt Justus Haucap "The Firm, the Market, and the Law". Die Aufsatzsammlung des britischen Ökonomen Ronald Coase habe sein Denken geprägt.

Zwei Lieblingsbücher

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(Foto: N/A)

Der Roman "Der menschliche Makel" des Amerikaners Philip Roth habe Haucaup beeindruckt, weil er zeige, wie Menschen, die sich moralisch überlegen fühlen, anderen das Leben zur Hölle machen können.

Das Bundeskartellamt untersagte die Fusion, die Beteiligten beantragten daraufhin eine sogenannte Ministererlaubnis. Die Monopolkommission hat dazu ein Gutachten erarbeitet - und rät Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jetzt ganz dringend zu einer Ablehnung. Es sind solche Fälle, die für Aufsehen sorgen. "Die Monopolkommission ist eine tolle Institution", schwärmt Wambach, er sei aber "noch in der Lernphase". Nicht ausgeschlossen, dass er später den Vorsitz von Juraprofessor Daniel Zimmer übernimmt.

Aber auch in der Praxis ist er zu Hause. In seiner Münchner Zeit hatte er einst die Beratungsfirma TWS Partners mitbegründet, dort ist er nun Aufsichtsrat. Das Unternehmen entwickelt für Kunden spieltheoretisch fundierter Verhandlungsstrategien und berät bei Auktionen, etwa bei der Vergabe der Telekommunikationslizenzen. TWS hat heute immerhin 50 Mitarbeiter.

© SZ vom 11.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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