Süßwaren:Fruchtige Handys und süße Regenwürmer

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Die fränkische Familienfirma Mederer, Hersteller der Trolli-Gummibonbons, will demnächst auch in Venezuela und sogar in Iran produzieren.

U. Ritzer

Zu Tausenden liegen die Haifischchen in dünnen Holzkästen übereinandergestapelt bis unter die Decke. Vor ein paar Stunden erst hat man sie zusammengerührt aus Zucker, Gelatine, Wasser, Farbstoffen und Aromen. Nun härten sie in ihren Formen aus Maisstärkepulver in einem klimatisierten Raum aus. Die Haifische sind fingerlang und auf das Zehntelgramm gleich schwer. Morgen um diese Zeit werden sie den nötigen Biss haben und in Plastiktüten verpackt sein. Zwei Stockwerke über ihnen macht Herbert Mederer eine Rechnung auf: "Wenn man unsere Jahresproduktion an Gummibonbons hintereinanderlegen würde, ergäbe das die Strecke Erde-Mond-Erde-Mond." Und noch eine Statistik wirfte er in den Raum: "Hauptabnehmer für Gummibonbons sind nicht Kinder, sondern Erwachsene zwischen 20 und 40 Jahren."

Vor allem bei den 20- bis 40-Jährigen beliebt: Trolli-Produkte. (Foto: Foto: oH)

Womit die größte Zielgruppe definiert wäre, für welche die Mederer Süßwarenvertriebs GmbH produziert. Unter diesem Namen ist sie nur in der Lebensmittelbranche ein Begriff. Wer die Hausmarken von Schlecker, Plus oder Lidl kaut, weiß in der Regel nicht, dass sie aus dem Süßwaren-Reich des Herbert Mederer stammen. Die Verbraucher kennen vielmehr die Markennamen des Fürther Familienunternehmens: Efruti, vor allem aber Trolli. Nimmt man alle Produktreihen zusammen, ist Mederer die Nummer zwei der Gummibonbon-Branche, vor Katjes, aber deutlich hinter dem fünf- bis sechsmal größeren Marktführer Haribo. "Wir können nur mithalten, wenn wir erfindungsreicher sind als unser großer Mitbewerber", sagt Herbert Mederer. Auf seinem Schreibtisch begrüßt ein kleines Schild jeden Besucher. "Haben Sie eine Lösung oder sind Sie Teil des Problems?", steht darauf. Der Mann dahinter sagt, er habe auch mit 62 Jahren noch jeden Tag Lust auf sein süßes Geschäft.

Von der Schule an den Kochtopf

Mit 16 Jahren sei er "von der Schulbank direkt an den Kochtopf" gewechselt. Eines haben Regenwürmer, Bärchen, saure Apfelringe oder schaumig-weiche Cola-Kühe gemein: Sie werden aus eingangs erwähnter Grundmasse gekocht, die dann allerdings in ihrer Konsistenz, in der Bisshärte, dem Schmelz, der Glätte, in Farbe, Aroma und Form variiert wird.

Für das Aussehen sorgt bei Mederer ein examinierter Bildhauer. Nach seinen Zeichnungen werden die Formen gebaut, in denen die Helden der schönen bunten Fruchtgummiwelt gegossen werden. "Ein erfolgreiches Gummibonbon lebt nicht nur von Form und Geschmack", sagt Herbert Mederer. "Es muss auch eine Story erzählen können." Also kündet die "FC-Bayern-München-Meistermischung" mit ihren Pokalen und Meisterschalen von den Titeln des Fußballvereins, und die "Polar-Kids"-Kollektion lockt Kinder in die Welt der Eisbären. Auch Fernsehsendungen, Comics oder sogar Kunden liefern Ideen. So kochen die Fürther auch für PR-Aktionen etwa von Telekom oder Volkswagen fruchtig-süße, bunte Handy- oder VW-Beatle-Winzlinge.

Die Deutschen sind ein Volk der Gummibonbon-Esser: Viereinhalb Kilo verzehrt jeder Bundesbürger statistisch pro Jahr. In Frankreich ist es nur die Hälfte. Die Firma Mederer, 1948 von Herberts Vater Willi gegründet, kam erst vor 30 Jahren so richtig auf den Geschmack, nachdem sie zuvor vor allem Cremehütchen, Kokosflocken, Geleefrüchte und Rumkugeln produziert und verkauft hatte. Heute geht fast jedes zweite Gummibonbon ins Ausland. In den USA, wo man 1985 im Bundestaat Iowa ein Werk eröffnete, waren die Fürther zeitweise Marktführer. 1998 verkaufte Mederer die Fabrik an eine Fondsgesellschaft, zu "super Bedingungen", wie er sagt. "Mit dem Geld habe ich andere Standorte aufgebaut."

Neben dem Stammsitz Fürth zählt man heute auch zwei Fabriken in Mecklenburg-Vorpommern und eine im oberpfälzischen Neunburg vorm Wald sowie vier weitere in Spanien, Tschechien und China. Aktuell plant Mederer, meist gemeinsam mit Partnern, neue Standorte in Venezuela, Saudi-Arabien und in Iran. "Das sind einwohnerstarke Länder mit junger Bevölkerung, die erwiesenermaßen Fruchtgummis mögen", sagt der Unternehmer.

Süßigkeit für gesunde Zähne

Der Markt globalisiert sich aber nicht nur, er wird auch komplizierter. Die Verbraucher werden qualitäts- und gesundheitsbewusster und schauen nicht mehr nur auf die Form, sondern auch auf den Inhalt. Fett wird verdrängt, künstliche Aromen und Farbstoffe werden immer häufiger durch natürliche Aromen ersetzt. Sie werden meist nicht unmittelbar aus der Pflanze gewonnen, nach der sie schmecken. "Das beste Erdbeeraroma gewinnt man nicht aus Erdbeeren, sondern aus einem speziellen Pilz", sagt Mederer. Andere Aromaquellen sind Hölzer, Kräuter oder Blätter. Auch die Biowelle macht vor Fruchtgummis nicht halt.

In den Fürther Labors wird zudem munter an Spezialkreationen gemixt. Zum Beispiel an "einer Art Red Bull in Gummibonbon-Form", von der Herbert Mederer sagt: "Wenn Sie da am Abend einen Beutel essen, schlafen Sie in der Nacht garantiert nicht." Eine "große Innovation, in der mehrere Millionen Euro Entwicklungskosten stecken" nennt der Unternehmer ein Kaubonbon, das Zahnschmelz aufbaue. Gemeinsam mit der Uni-Zahnklinik in Würzburg habe man es entwickelt, sagt Mederer. Die Wirkung sei unumstritten - doch Verbraucherschützer glaubten nicht daran, so Mederer. Weil sie Hersteller mit solchen Angeboten als Trittbrettfahrer in Sachen Gesundheitsbewusstsein kritisieren, will Mederer nun eine große Studie in Auftrag geben.

© SZ vom 05.01.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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