Suchtprävention:Apple soll Kinder vor Apple schützen

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Hedgefonds fordern, dass der iPhone-Konzern gegen die Smartphone-Sucht bei jungen Nutzern vorgeht. Aber sind sie damit an der richtigen Adresse?

Von Mirjam Hauck, München

Niederländische Schüler mit ihren Smartphones: Bislang können Eltern die Nutzungsdauer beim iPhone ihrer Kinder nicht begrenzen. (Foto: Remko De Waal/dpa)

Dass viele Kinder ständig mit ihrem Handy zugange sind, macht nicht nur deren Eltern Sorgen, die Folgen beschäftigen auch Wissenschaftler. Und offenbar auch die Großaktionäre von Technikunternehmen: Zwei von ihnen fordern Apple nun auf, etwas gegen Smartphone-Sucht bei jungen Menschen zu unternehmen. Bei Apple-Geräten gibt es bislang keine technische Möglichkeit die Nutzungsdauer zu beschränken. Eltern können lediglich regeln, welche Apps und Funktionen ihre Kinder nutzen dürfen und welche nicht.

Die Vertreter der Hedgefonds Jana Partners und der kalifornische Lehrer-Pensionsfonds CalSTRS sind zudem der Meinung, dass Apple untersuchen lassen sollte, wie sich die übermäßige Smartphonenutzung auf die Psyche von Jugendlichen auswirkt. In einem offenen Brief an Apple, zu dem sich der Konzern bislang nicht geäußert hat, schreiben die Fonds-Manager Barry Rosenstein und Anne Sheehan, dass Apple soziale Verantwortung übernehmen müsse - gerade in Hinblick auf seine jüngsten Kunden.

Aber natürlich geht es ihnen nicht allein um die Psyche der Teenager, sondern auch um das eigene Geld: Es werde den langfristigen Wert für alle Aktionäre erhöhen, wenn die nächste Generation von Führungskräften, Innovatoren und Kunden geschützt werde, schreiben sie. Oder anders herum: Die Manager beider Fonds fürchteten, dass sich das Thema negative Folgen auf den Apple-Aktienkurs haben könnte, wenn es nicht aktiv angegangen werde, schreibt das Wall Street Journal. Die beiden Investoren verfügen zusammen über Anteilsscheine im Wert von etwa zwei Milliarden Dollar. Apple ist derzeit das wertvollste Unternehmen der Welt, der Börsenwert lag Ende 2017 bei 876 Milliarden Dollar. Und das iPhone ist das wichtigste Produkt des Techkonzerns. Im Steuerjahr 2017 sorgte es für einen Gewinn von rund 48 Milliarden Dollar. Nach Angaben der Marktforscher von Comscore sind 43 Prozent der in den USA genutzten Smartphones von Apple. Und rund 86 Millionen US-Amerikaner über 13 Jahre besitzen ein iPhone.

Die Investoren stützen sich auf die Studie einer höchst umstrittenen Psychologin

Es gebe immer mehr Belege dafür, dass die starke Smartphone-Nutzung für Jugendliche negative Folgen haben kann, so die Autoren des Briefes. Und dieses wachsende gesellschaftliche Unbehagen werde irgendwann auch Apple treffen. Die Fonds-Manager berufen sich bei Ihrem Vorstoß unter anderem auf Untersuchungen der US-Psychologin Jean Twenge von der San Diego State University. Sie macht die Smartphone-Nutzung dafür verantwortlich, eine ganze Generation von Jugendlichen - sie nennt sie "iGen" - zerstört zu haben. Dadurch, dass sie so viel Zeit mit dem Smartphone verbrächten, verlören sie fundamentale soziale Fähigkeiten. Sie redeten nicht mehr mit anderen, sie seien einsam und unselbstständig. Und sie haben weniger Sex. Die Wahrscheinlichkeit, Suizid zu begehen sei deutlich erhöht, folgert die Wissenschaftlerin aus Studiendaten.

Allerdings ist die von den Hedgefonds-Managern zitierte Psychologin Twenge auch in den USA mit ihren technikfeindlichen Thesen umstritten. So wird ihr beispielsweise von ihrer Kollegin Sarah Cavanagh vorgeworfen, dass sie vorliegende Studien selektiv auswähle und interpretiere. Smartphones hätten sowohl positive als auch negative Effekte. Und gerade die Vernetzung mithilfe des Smartphones könne für depressive Jugendliche hilfreich sein, weil sie dort leichter Zugang zu Hilfsangeboten fänden.

Der deutsche Psychiater Jan Kalbitzer sieht das ähnlich. Er will die Schuld für negative Folgen der Mediennutzung nicht der Technik geben, auch die Eltern und die Gesellschaft seien in der Verantwortung. So stehe völlig außer Frage, dass man ein Kind nicht stundenlang allein mit einem Smartphone versacken lassen solle. Man müsse ihm auch beibringen, nicht impulshaft auf jeden Reiz zu reagieren.

Seit das iPhone vor elf Jahren auf den Markt kam, hat es das Zusammenleben vieler Menschen verändert. Erstmals soll jetzt der Auslöser des Booms, das Unternehmen Apple selbst, für die sozialen Folgen des Geräts zur Verantwortung gezogen worden. Beherrschten lange die katastrophalen Arbeitsbedingen der Zulieferer in China sowie der Ressourcenverbrauch und das Recycling- und Elektronikschrott-Problem die öffentliche Diskussion, verlagert sich nun der Fokus auf die gesellschaftlichen Kosten von Apples Siegeszug.

Der Appell der Hedgefonds- und Pensionsfonds-Manager richtet sich indes nicht nur an Apple. In dem Brief heißt es auch: Das Unternehmen könne eine entscheidende Rolle als Pionier spielen. Indem es der Industrie signalisiere, dass ein besonderer Augenmerk auf die Gesundheit der folgenden Generationen nicht nur ethisch richtig sei, sondern auch ein gutes Geschäft.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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