Studie:Durch und durch freudlos

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Fußball-Weltmeisterschaft 2014: Ein Gartenzwerg mit Deutschland-Flagge. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Deutschen sind zum Sparen bereit. Urlaub, Computer, Kleidung - von allem geht weniger. Nur Haus und Garten bleiben unangetastet.

Von Patrick Wehner, München

Es klingt ein wenig nach einem Klischee. Der Deutsche, ein durch und durch rationaler Mensch, nüchtern, analytisch, immer vorbereitet, auch auf den schlimmsten Fall. Früher: die Russen. Der Atomkrieg. Heute: die Rezession. Die diffuse Angst vor einer Bedrohung, sie scheint irgendwie immer da zu sein. Sinnliche Vergnügen lenken da nur ab. Hedonismus? Ein griechisches Wort. Natürlich. Doch das Klischee des arbeitsamen Bundesbürgers trifft zu. Zwei Drittel der Deutschen würden im Fall der Fälle am ehesten bei den Dingen sparen, deren einziger Zweck es ist, Freude zu bereiten. Disco, Kino, Kneipe. Essen im Restaurant. Vergnügungen? Verzichtbar.

Diese Erkenntnis basiert auf einer Studie, die die Stiftung für Zukunftsfragen nun veröffentlicht hat. Die Stiftung, gegründet von einem Tabakkonzern, fragte dazu mehr als 2000 Deutsche, wo sie im Notfall am ehesten Geld sparen würden. Bei einer ähnlichen Befragung im Jahr 2003 waren nur 49 Prozent bereit, weniger Geld für Amüsement auszugeben. "Das Ausgehen war früher das Highlight der Woche", sagte der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Ulrich Reinhardt. Inzwischen seien aber alle Altersgruppen bereit, notfalls kürzerzutreten. Er vermutet unterschiedliche Gründe für diese Entwicklung. Einer davon: Man könnte sich heute auch gut zu Hause unterhalten, erklärte Reinhardt. Wie aufregend.

Kürzen würden die Befragten bei Geldmangel am ehesten auch bei Urlaubsreisen (60 Prozent), Wochenendausflügen (56 Prozent), Medien wie Computern, Zeitschriften und Videos (42 Prozent) und Kleidung (40 Prozent). Bei Haushaltsdingen hingegen, da versteht der Bundesbürger keinen Spaß. Die sind ihm heilig. Lediglich 13 Prozent der Befragten würden ihr Budget für Wohnen, Haus und Garten antasten. Der Rasenmäher muss ja laufen. Die Vorratskammer stets gefüllt sein. Glühbirnen - immer auf Reserve. My home? My castle!

Vielleicht erklärt das alles auch, weshalb Deutschland seit Jahrzehnten riesige, geheime und kostspielige Lebensmittellager auf dem kompletten Bundesgebiet unterhält. Jedenfalls: Das Zuhause hat laut Reinhardt einfach einen sehr hohen Stellenwert. Viele seien in der Nachbarschaft verwurzelt und würden auch nicht umziehen, nur um ein wenig Miete zu sparen.

Der Deutsche an und für sich ist aber nicht nur ein heimatverbundener, sondern auch ein gerechtigkeitsliebender Mensch. Er spart nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei anderen. Die alte Faustregel "zehn Prozent Trinkgeld" zum Beispiel hat sich der Studie zufolge überlebt; mittlerweile halten die Bundesbürger weniger als sieben Prozent für angemessen. Auch sonst hatten die Befragten recht konkrete Preisvorstellungen. Der anstehende Sommerurlaub sollte rund 920 Euro pro Person kosten und ein Wochenendtrip nicht mehr als 226 Euro.

Am wenigsten würde der Deutsche demnach aber beim Essen sparen. Aber nicht etwa, weil er im Geheimen eigentlich doch ein Gourmet ist. Mitnichten. Sondern weil er für Lebensmittel ohnehin schon wenig Geld ausgibt - und dort das Sparpotenzial am geringsten ist. Rein rational betrachtet.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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