Studie der Bundesbank:Bargeld schlägt alles

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Geldscheine beim Einkauf sind beliebt - vor allem bei dubiosen Geschäften. Die Bundesbank weiß bei gut der Hälfte des Geldes nicht, wo es steckt. Der Durchschnittsbürger trägt 118 Euro mit sich.

Helga Einecke

Thilo Sarrazin ist seit kurzem im Bundesbank-Vorstand für den Bereich Bargeld zuständig und schon um eine Erkenntnis reicher. "Die meisten halten Bargeld für Steinzeit", sagt er und meinte sich selbst.

Der Durchschnittsbürger hat 118 Euro im Geldbeutel. Sechs Prozent der Bevölkerung tragen jedoch 300 Euro und mehr bei sich. Mit einem Klick auf das Bild sehen Sie, wo Sie liegen. (Foto: Foto: AP, SZ-Graphik)

Das Gegenteil ist der Fall. Bargeld schlägt alle anderen modernen Zahlungsmöglichkeiten bei weitem, ist also Gegenwart und Zukunft, zeigt eine neue Studie der Notenbank.

Binnen zehn Jahren hat die Bundesbank die Ausgabe der Banknoten verdoppelt. An den Kassen der Läden und Dienstleister wird überwiegend bar bezahlt. "Das hat auch mich erstaunt", räumt Sarrazin ein.

Die Bundesbank-Studie zeigt auch, warum die Bürger Cash bevorzugen. Geldscheine werden überall akzeptiert, weit über die Grenzen Deutschlands hinaus.

Bargeld verursacht keine Kosten wie ein Girokonto bei der Bank oder eine Kreditkarte. Es lässt sich schnell und bequem ausgeben oder behalten und hinterlässt keine Spuren. Vielen Menschen ist Bargeld von Kindesbeinen an vertraut, anders als der elektronische Umgang mit Geld.

118 Euro im Geldbeutel sind der Durchschnitt

Im Durchschnitt tragen die Verbraucher 118 Euro im Geldbeutel mit sich herum. Wenn sie etwas bezahlen, tun sie dies in 82,5 Prozent aller Fälle mit Bargeld. An zweiter Stelle folgt die Girokarte mit zwölf Prozent, an dritter Stelle die Überweisung mit zwei Prozent.

Alle anderen Zahlungsformen, also Kreditkarten, Geldkarten, Kundenkarten, Lastschriften oder Internetverfahren spielen nur eine verschwindend geringe Rolle.

Die meisten Konsumenten wissen nicht einmal, dass sie mit der Karte, mit der sie am Automaten ihr Bargeld abholen, auch über eine Geldkarte verfügen. Kleine Beträge werden in der Regel bar beglichen, größere Summen, beispielsweise bei Übernachtungen in Hotels und beim Internet-Einkauf, überwiegend vom Konto überwiesen.

Den Einkauf per Geldschein schätzen vor allem die jüngeren und die älteren Konsumenten, die auch häufig über geringe Einkommen verfügen.

Allerdings wird nur ein Zehntel des gesamten Bargeldes, das die Bundesbank ausgegeben hat, überhaupt für den täglichen Einkauf benötigt. Ein weiteres Viertel bis ein Drittel geht ins Ausland.

Wo ist das Bargeld?

Der überwiegende Teil - also 55 Prozent bis 60 Prozent - dürften die Besitzer der Geldscheine horten. "Wir wissen es nicht", bekannte Sarrazin auf die Frage, was denn mit dem überwiegenden Teil des umlaufenden Bargeldes passiert.

Aber er hat so seine Vermutungen über den "informellen Sektor". So umschreibt der Bundesbankvorstand die Schwarzarbeit und die Kriminalität. Neulich sei er in einem Baumarkt in Mainz gewesen. Dort habe ein Kunde mit Scheinen bezahlt, die nach Wein rochen. "Die hatte der Winzer aus seinem Schwarzgeldbestand im Keller", erklärte sich Sarrazin sein Erlebnis.

Handwerker würden ihre Leistungen "mit und ohne" Umsatzsteuer und Rechnung erbringen. In Berliner Kneipen betrage der "informelle Sektor" 40 Prozent. In Spanien hätten Wohlhabende Ferienwohnungen bar bezahlt, nicht nur, um ihr Schwarzgeld einzusetzen, sondern auch, um die unterschiedlichen Beträge zu kaschieren, die im Kaufvertrag stünden und die tatsächlich bezahlt würden.

Aber die Umgehung der Steuer ist nach Einschätzung der Bundesbank nur einer von vielen möglichen Gründen, warum so viele Menschen das Bargeld bevorzugen. Bereits vor der Finanzkrise und danach beschleunigt sind die Zinsen stark gesunken.

Es lohnt sich also immer weniger, das Geld auf einem Konto anzulegen. Einige Sparer scheinen die Euros lieber in Tresoren oder Schließfächern zu horten. Die starke Nachfrage nach der europäischen Währung könnte auch mit einem Vertrauensverlust gegenüber dem Dollar und anderen Währungen zusammenhängen. Als Beispiel wurde Russland genannt, wo die eigene Währung nicht besonders hoch im Kurs steht.

Bargeld-Boom nach Lehman-Pleite

Einen regelrechten Bargeld-Boom gab es im Herbst 2008. Nach der Pleite der US-Bank Lehman musste die Bundesbank in einem Monat 500-Euro-Banknoten im Rekordbetrag von 11,4 Milliarden Euro ausliefern.

"Die Leute haben sich auf Schlimmeres vorbereitet", erklärten Bundesbank-Experten diesen Vorgang. Vor allem Banken und das Ausland hätten die hohen Scheine vorgehalten. Eine Vorbereitung auf die Stürmung der Kreditinstitute durch die Sparer sei das aber nicht gewesen.

© SZ vom 08.07.2009/kfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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