Studie:Das Beste aus zwei Welten

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Wie eine Kooperation zwischen Start-ups und Familienunternehmen zum Erfolg wird.

Von Norbert Hofmann

Familienunternehmen, die mit Start-ups zusammenarbeiten, können Innovationen schneller umsetzen. Im Idealfall winken auch finanzielle Vorteile. Zu diesem Ergebnis kommt das Institute of Family Business der WHU Otto Beisheim School of Management in einer Studie. "In den meisten untersuchten Fällen sind sowohl Familienunternehmen als auch Start-ups rückblickend sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit", sagt Professor Max Leitterstorf, einer der Autoren der Studie.

Etablierte Firmen suchen bei Start-ups, die oft im Umfeld von Hochschulen entstehen, den Zugang zu neuen Technologien, jungen Talenten und zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen. Das kann unterm Strich weniger Finanzierungsreserven kosten als eigenständige Entwicklungen. Gründer wiederum sind an der Finanzierung durch unternehmerische Eigenkapital-Investoren, deren Erfahrung und Reputation interessiert. "Wenn beide Partner ihre Stärken einbringen, führt das zu einer Win-win-Situation", sagt Co-Autorin Professor Nadine Kammerlander, die Leiterin des Instituts for Family Business. So sind Start-ups in der Lage, etwa Prototypen oder eine verbesserte Website schneller zu erstellen. Sie entwickeln disruptive Ideen oft unabhängig von bestehenden Produkten und sind risikofreudiger. "Das kann zwar zum Scheitern führen, ist in bestimmten Industrien aber ein notwendiger Schlüssel zum Erfolg", betont Kammerlander. Familienunternehmen ihrerseits bringen neben dem langfristigen Denkansatz die Marktkenntnisse und Netzwerke ein.

Nicht selten scheitert eine Zusammenarbeit aufgrund von Vorurteilen und Ängsten. Familienunternehmer verbinden mit jungen Gründern mangelnde Erfahrung und Unzuverlässigkeit, eine "flapsige" Kommunikation oder auch überzogene Vorstellungen vom Wert ihres Unternehmens. Die Gründer bemängeln bei der anderen Seite komplizierte Entscheidungsprozesse. "Für Start-ups kann es frustrierend sein, wenn sie in ihrer Geschwindigkeit ausgebremst werden", sagt Leitterstorf. Er rät dazu, die unterschiedlichen Unternehmenskulturen vor einer Zusammenarbeit offen anzusprechen. Die Wissenschaftler beobachten drei Formen der Zusammenarbeit. Zum einen ist da die reine Kooperation, die sich ohne Kapitalbeteiligung auf bestimmte Projekte beschränkt. Familienunternehmen schätzten daran besonders die Flexibilität und das relativ geringe Risiko. Sie können aber auch einen Teil des Start-ups erwerben und damit ein größeres finanzielles Risiko übernehmen. Weil dem Mittelständler bei einer solchen Beteiligung auch finanzielle Vorteile durch die Teilhabe am Wachstum des Gründers winken, stellt er oft etwa Lagerflächen oder Fahrzeuge zur Verfügung oder er übernimmt die Lohnbuchhaltung. Vor allem treiben die Partner gemeinsam Projekte voran. "Die Beteiligung führt häufig zum Besten aus beiden Welten", sagt Leitterstorf. Das Management des Gründerunternehmens sollte beteiligt werden, damit die Start-up-Kultur nicht verloren geht.

Immer häufiger gründen Familienmitglieder selbst Start-ups

Eine dritte Variante ist die Übernahme eines Start-ups. In der Praxis hat sich die schrittweise Intensivierung der Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor erwiesen. Eine zunächst eingegangene Kooperation wird im Lauf der Zeit immer enger, bis eine schrittweise Beteiligung oder die Übernahme folgt. Bei Familienunternehmen stehen strategische Überlegungen im Vordergrund. "Sie fragen sich zum Beispiel, ob das Start-up eine technologische Lücke schließen oder eine marktseitige Schwäche wie etwa das Fehlen einer E-Commerce-Plattform beheben kann", sagt Kammerlander. Alternativ zu dieser Ausgangsposition bieten vielleicht Ideen von Mitarbeitern oder Familienmitgliedern die Grundlage für ein eigenständiges Start-up.

Gelingt es dem Familienbetrieb, ein Ökosystem aus mehreren Start-ups aufzubauen, kann er als Ankerunternehmen den Austausch und Wissenstransfer zwischen den Start-ups vorantreiben. Zur Umsetzung nutzen die Ankerunternehmen dafür regelmäßige Treffen auf ihrem Betriebsgelände. Dieser Ansatz ist auch deshalb sinnvoll, weil die Mehrheit der Start-ups erfahrungsgemäß scheitert. "Ist aber wenigstens eines von mehreren Gründerteams erfolgreich, kann das die Fehlschläge der anderen wettmachen", sagt Kammerlander. Immer häufiger gründen Familienmitglieder selbst Start-ups, weil sie auch außerhalb des elterlichen Unternehmens erfolgreich sein wollen. "Solche Next-Gen-Gründer können ideale Brückenbauer bei der Zusammenarbeit sein, da sie beide Kulturen und ihre jeweiligen Stärken kennen", sagt Larissa Leitner, Co-Autorin der Studie. Sie stammt selbst aus einer Unternehmerfamilie, kennt aufgrund leitender Tätigkeiten in mehreren Start-ups die deutsche Gründerszene. Die Wissenschaftler werteten für ihre Untersuchung unter anderem Interviews mit 40 Gründern aus sowie Onlinefragebögen von 242 Startups aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Viele Gründer seien in der Branche des elterlichen Betriebs tätig. Bei der Entwicklung von Lösungen können sie auf Netzwerke zurückgreifen und schneller an Kunden oder Partner kommen.

"Da Start-ups meist in der digitalen Welt zu Hause sind, unterstützen sie mit ihrem Wissen ihrerseits das Familienunternehmen", sagt Leitner. Häufig klärt sich so dann auch die Nachfolgelösung. "Eine eigene Unternehmensgründung hilft potenziellen Nachfolgern dabei, die erforderlichen Fähigkeiten für einen Einstieg ins Familienunternehmen zu erwerben", sagt Leitner.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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