Streit ums VW-Gesetz:Furcht vor der "reinen Willkür des Kapitals"

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Tausende VW-Mitarbeiter protestieren in Wolfsburg für den Verbleib des VW-Gesetzes - und Porsche versucht, die Lage zu entschärfen.

Rund 40.000 VW-Beschäftigte haben sich bei der größten Demonstration in der Geschichte des Wolfsburger Autobauers am Freitag für den Erhalt des umstrittenen VW-Gesetzes stark gemacht.

40.000 Mitarbeiter demonstrieren gegen die Abschaffung des VW-Gesetzes. (Foto: Foto: Reuters)

Vor der Konzernzentrale, in der gleichzeitig der Aufsichtsrat tagte, sandte die Belegschaft damit ein starkes Signal an die EU-Kommission in Brüssel sowie an den Sportwagenbauer Porsche, der VW übernehmen und das VW-Gesetz ersatzlos streichen will.

Die Beschäftigten sehen alle Versuche zur Abschaffung der Sonderregelungen auch als massiven Angriff auf die Mitbestimmung.

Das VW-Gesetz ermöglicht dem Land Niedersachsen mit 20 Prozent Anteil eine Sperrminorität - nach dem Aktienrecht sind 25 Prozent üblich - und sichert der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat wichtige Mitbestimmungsrechte, etwa bei Standort-Entscheidungen.

"VW-Gesetz schützt uns vor Managern"

"Wir brauchen im Zeitalter von Globalisierung und Finanzmarktkapitalismus mehr Demokratie und nicht weniger", sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber. Auch DGB-Chef Michael Sommer setzte sich nachdrücklich für den Erhalt des Gesetzes ein.

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh meinte, jedes Unternehmen sollte solche Regelungen "gegen die reine Willkür des Kapitals" haben. "Das VW-Gesetz schützt uns vor Managern, die nur ihre persönliche Karriere und Renditen im Kopf haben und auf das Schicksal von Menschen pfeifen", sagte IG Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine.

Der jahrelange Streit um die Sonderregelungen bei VW hatte in dieser Woche einen neuen Höhepunkt erreicht. EU-Kommissar Charlie McCreevy will die Bundesregierung, die an einer Neuauflage des Gesetzes festhält, erneut vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) griff McCreevy am Morgen im ZDF scharf an.

Der Kommissar müsse akzeptieren, dass es "ein paar Gesetze" gebe, wo Brüssel kein Mitspracherecht habe. Wulff sagte, die Sperrminorität sei auch wichtig, um zu verhindern, dass Porsche den Sitz des VW-Konzerns von Wolfsburg nach Stuttgart verlagere.

Niedersachsen will die VW-Satzung so ändern, dass die vom EuGH vor einem Jahr beanstandeten Punkte gestrichen werden, die 20-Prozent- Klausel aber erhalten bleibt.

Nach einem Bericht des Focus hat Wulff für einen entsprechenden Antrag bei der Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums am Donnerstagabend eine Mehrheit bekommen - Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sei unterlegen.

Porsche versicherte indes, auch nach der Machtübernahme bei VW und einem Wegfall des VW-Gesetzes keinen Kahlschlag bei dem Autobauer zu planen. Werkschließungen oder Verlagerungen stünden nicht "auf irgendeiner Tagesordnung", teilte Porsche in Stuttgart mit.

Der Porsche-SE-Vorstand habe außerdem der Führungsspitze von VW zugesichert, derartige Fragen nur einvernehmlich zu entscheiden. Auch ohne VW-Gesetz würden Verlegungen oder Werkschließungen nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Aufsichtsrat zugelassen werden.

"Nicht mit uns"

IG Metall-Chef Huber sagte, wenn das VW-Gesetz falle, wäre für Porsche der Weg frei zur Beherrschung von VW. Aufsichtsrat und Management von VW wären dann "Marionetten" an den Fäden des Vorstandschefs von Porsche. "Nicht mit uns, sage ich dazu."

Das VW-Gesetz sei ein "Leuchtturm" der Unternehmens-Mitbestimmung. Notwendig sei "mehr VW-Gesetz" und nicht weniger, betonte Huber. "Wir wollen an wichtigen Unternehmensentscheidungen beteiligt werden." Huber rief zudem eindringlich dazu auf, den Streit um die Mitbestimmung in der künftigen Porsche-Holding beizulegen. Er erwarte vom Holding- Vorstand, dass er endlich einlenke.

© sueddeutsche.de/dpa/hgn/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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