Briefe zu schreiben ist wieder in Mode. Zumindest dann, wenn das Anliegen besonders heikel ist. Für die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken steht einiges auf dem Spiel: In Brüssel wird an einer zentralen Bankenaufsicht gearbeitet. In den Augen der Vertreter der kleinen Banken ist das eine schwere Attacke auf ihr Geschäftsmodell. Und so griffen Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon, Ober-Genossenschaftsbanker Uwe Fröhlich und Christian Brand, Chef des Verbands öffentlicher Banken, gemeinsam zur Feder. Adressatin: keine Geringere als Bundeskanzlerin Angela Merkel.
"Mit großer Sorge und Irritation haben wir zur Kenntnis genommen, dass derzeit in Brüssel diskutiert wird, alle Kreditinstitute der Euro-Zone dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus zu unterstellen", schreiben die drei Bankenvertreter in dem Brief, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Man bitte die Kanzlerin, sich dafür einzusetzen, dass nur die größten, systemrelevanten Institute der zentralen Aufsicht unterstellt werden.
Die drei Verbandspräsidenten sprechen sich nun dafür aus, dass nur Großbanken zentral beaufsichtigt werden sollen. Kleine Institute - wie die ihrigen - sollen weiterhin den nationalen Behörden Rede und Antwort stehen. Mit ihrem Brief beziehen die drei Verbände eine deutliche Gegenposition zum Verband der Privatbanken (BdB), der eine zentrale Aufsicht für alle Institute in der Euro-Zone befürwortet.
Die Frage, wer in Zukunft die Banken beaufsichtigen soll, ist ein Kräftemessen der Behörden. In Deutschland teilen sich bislang die Bundesbank und die dem Finanzministerium unterstellte Bafin die Kompetenzen. Dass sie Macht an die EZB abgeben sollen, stößt bei der Bonner Behörde auf wenig Gegenliebe. Europas Zentralbank hingegen hat großes Interesse daran, die Banken genauer kontrollieren zu können. Schließlich erhält sie derzeit Banken in Südeuropa am Leben, indem sie ihnen Milliarden Euro zur Verfügung stellt. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen fordert, dass die EZB "mit allen Instrumenten" ausgestattet werden müsse, um die Aufgaben einer Bankenaufsicht effektiv ausführen zu können. Dazu zählt er ein umfassendes Informationsrecht und die Kompetenz, Geldhäuser abzuwickeln.
Im Tauziehen um die neue Aufsicht geht es jedoch nicht nur um Macht, es geht vor allem ums Geld. Während die Privatbanken eine Wettbewerbsverzerrung sehen, wenn es ein zweigeteiltes Aufsichtssystem gibt, fürchten die kleinen Institute Nachteile, wenn sie mit behördlichen Anfragen überfrachtet werden. Sie können die Kosten, die durch neue Risikomodelle oder ähnliche Investitionen entstehen, schlechter umlegen als Großbanken.
Gemeinsamer Rettungsfonds geplant
Noch entscheidender für die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken ist ein anderer Aspekt der Bankenunion. Neben der Zentral-Aufsicht soll es auch einen gemeinsamen Rettungsfonds geben, wenn eine Bank ins Straucheln gerät. "Wir lehnen eine einheitliche Einlagensicherung im Interesse der deutschen Sparer strikt ab", heißt es in dem Brief an Merkel. Sparkassen und Volksbanken garantieren den Kunden ihre Spareinlagen ohne Einschränkungen - da die kleinen Institute die Pflicht haben, sich im jeweiligen Verbund gegenseitig aufzufangen. Würden diese Banken verpflichtet, zusätzlich in einen europäischen Rettungsfonds einzuzahlen, würde das erhebliche Mehrkosten für die Institute bedeuten, so die Begründung. Und dagegen wehren sich die Verbände vehement.
Die Argumentationslinie in dem Brief zielt hingegen auf die Sparer ab. Immerhin liegen bei den Sparkassen, Landesbanken und den Genossenschaftsbanken knapp 70 Prozent der deutschen Spareinlagen. Die gemeinsame europäische Sicherung würde eine "geringere Glaubwürdigkeit" aufweisen als die eigene Sicherung, da sie "zahlreiche Zugriffsmöglichkeiten" aufweise, heißt es im Brandbrief der Banker. Denn in der europäischen Lösung würde der gleiche Topf beispielsweise für spanische, französische oder deutsche Sparer ausreichen müssen. Doch auf der anderen Seite zahlen dann auch mehrere Banken in den Topf ein. Das verteilt das Risiko auf mehrere Schultern, was für sich allein genommen die Sicherheit eigentlich erhöht - aber nur so lange, wie die Bankenaufsicht gut arbeitet und nicht überdurchschnittlich viele Geldhäuser pleitegehen.
Auch das derzeitige deutsche Einlagensicherungssystem gilt unter Experten nicht als Ideallösung. "Es ist plausibel, dass sich kleine Volksbanken oder Sparkassen gegenseitig stützen. Aber die Systeme reichen nicht aus, um Landesbanken oder die genossenschaftlichen Spitzeninstitute mit abzusichern", kritisiert Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Doch auch das Sicherungssystem der privaten Banken überzeugt den Politiker nicht: "Die Einlagensicherung des BdB ist ein nicht einhaltbares Versprechen." Denn der größte Einzahler ist die Deutsche Bank - sie sichere gewissermaßen ihre eigenen Einlagen ab. Schick: "Wir dürfen uns einer Diskussion über die Sicherungssysteme nicht verschließen."
In diesen Tagen wird in Brüssel unter Hochdruck an dieser Reform gearbeitet, die am 11. September vorgestellt werden soll. Die Kanzlerin wird indes aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zur Füllfeder greifen, um den Bankern zu antworten. Auf offene Briefe reagiert sie prinzipiell nicht.