Strategie der Versandhändler:Anpassen oder untergehen

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Was hat Quelle falsch gemacht? Im Gegensatz zu dem taumelnden Versandhändler hat Konkurrent Otto den Sprung in die neue Handelswelt längst geschafft.

Meite Thiede

Als Michael Otto sich vor gut einem Jahr endlich einen großen Herzenswunsch erfüllen konnte und die WAZ-Gruppe als Minderheitsaktionär aus dem Konzern herauskaufte, da behielt er seine Freude über die zurückgewonnene Freiheit streng für sich.

Ohne Blessuren kommt auch Otto nicht durch die Krise - trotzdem haben die Hamburger den Konkurrenten Quelle längst abgehängt. (Foto: Foto: dpa)

Es sei ein "ganz hervorragendes Gefühl", wieder alleiniger Herr im Hause zu sein, kommentierte er knapp und trocken. Zwischen der WAZ-Gruppe und Otto hatte es, so wurde damals gemunkelt, immer wieder Dispute über die Ausschüttungspolitik gegeben.

Für die WAZ-Gruppe war Otto eine Finanzinvestition, die Rendite bringen musste. Otto aber ist ein Familienunternehmer, der möglichst große Anteile des Gewinns im Unternehmen lassen will. "Wir denken in Generationen, nicht in Quartalen", sagte er einmal.

Quelle hat den Internet-Trend verschlafen

Als Alleineigentümer kann er das nun auch wieder ungehindert tun, und in der gegenwärtigen Einzelhandelsschwäche könnte sich das für die Hamburger Versandhandelsgruppe und ihre knapp 50.000 Mitarbeiter womöglich noch als ein ganz besonderer Vorteil erweisen. Denn die Otto Group steht vergleichsweise gut da, ist von Problemen, wie die zum insolventen Arcandor-Konzern gehörende Quelle-Gruppe weit entfernt.

Quelle hat die Trends der vergangenen Jahre verschlafen, ist viel zu spät ins Internet gestartet. Der Versender aus Franken war zu lange auch mit internen Problemen beschäftigt, vor allem mit dem Zusammengehen mit Karstadt. In der Zwischenzeit ist die Konkurrenz aus Hamburg davongezogen.

Aber die Krise geht auch an Otto, dem inzwischen größten Versandhändler der Welt, nicht spurlos vorüber. Zum ersten Mal seit 60 Jahren hat Otto im Geschäftsjahr 2008/2009, das im Februar endete, im Kerngeschäft einen Verlust erwirtschaftet. Mit Hilfe eines Buchgewinns konnten unter dem Strich rote Zahlen vermieden werden. Doch eine Prognose für das laufende Jahr hat das Management noch nicht gewagt.

Jahrzehntelang hatte das Hamburger Familienunternehmen mit dem Kataloggeschäft seine ganz persönliche Erfolgsgeschichte geschrieben. Der heute 99 Jahre alte Senior Werner Otto hatte einst mit den dicken Katalogen Deutschland erobert, sein Sohn Michael die Welt. Anfang des neuen Jahrtausends aber wurde das Geschäft auch für den Marktführer zum harten Kampf um die Gunst des knauserigen Konsumenten.

Otto musste die traditionelle Rolle des Versandhändlers grundlegend überdenken. Das Internet machte der bunten "Bibel" Konkurrenz. Dort konnten Anbieter ihre Preise ständig verändern, und plötzlich reichte es für Otto nicht mehr, einen Sommer- und einen Winterkatalog in die Wohnstuben der Stammkunden zu schicken.

Dutzende Spezialkataloge wurden nötig, etwa für Sport, für besonders junge Mode, für ältere Damen oder für Heimwerker. Zusätzlich mussten die Kunden ständig mit "Kaufanstößen" per Internet oder Post zum Einkaufen animiert werden.

Damals war die Otto Group in eine Krise geraten, und Michael Otto startete einen gewaltigen Umbau. Auf allen Vertriebskanälen sollte die Otto-Flagge gehisst werden; das Internet-Geschäft, der stationäre Handel wurden massiv ausgebaut. Als Ziel wurde noch vor wenigen Jahren ausgegeben, dass der stationäre Handel 50 Prozent des Geschäfts bringen sollte, aber inzwischen macht man in der Konzernzentrale längst keinen Unterschied mehr, wo der Kunde denn nun gekauft hat. Hauptsache ist, Otto zeigt überall Präsenz.

Das bedeutet, dass Otto jetzt mit 1900 verschiedenen Katalogen, 50 Online-Shops und 340 Geschäften seinen Kunden auf der Spur ist. "Multichannel" nennt sich das Segment inzwischen, das im vergangenen Jahr 8,87 Milliarden Euro vom Gesamtumsatz von 10,1 Milliarden Euro gebracht hatte.

Ein Eigentümer, der langfristig denkt

Beendet ist der Umbau freilich noch lange nicht. So müssen die Universalversender Baur und Schwab noch in Spezialisten umgewandelt werden, was viel Geld kostet. Und auch die Service-Tochter Hermes kommt Otto teuer. Der Logistiker beliefert nicht nur Ottos Kunden mit Paketen, sondern hat früh seine Dienste auch an andere Unternehmen verkauft. Jetzt aber macht der Preiskampf im Wettbewerb mit der Post Hermes zu schaffen: Die Tochter steckt tief in den roten Zahlen und muss saniert werden.

Doch Otto hat Reserven, eine Eigenkapitalquote von 30 Prozent und würde nach eigenem Bekunden locker eine Investition von einer Milliarde Euro stemmen können. Vor allem: Im Gegensatz zu Quelle hat die Gruppe einen Eigentümer, der langfristig denkt. Zu Quelle heißt es: "Nicht sanierungsfähig."

© SZ vom 26.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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