Stickoxide:Dicke Luft am Straßenrand

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In München wird an besonders neuralgischen Stellen die Luftqualität gemessen. (Foto: Sven Hoppe/picture alliance/dpa)

Ist es das Auto oder die Messung? Schon die Frage sorgt für Streit. Nun soll sich der Deutsche Wetterdienst um die korrekte Messung der Stickoxidbelastung in der Luft kümmern. Kritiker sprechen von einem Stück aus dem Tollhaus.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Der Deutsche Wetterdienst hat gerade alle Hände voll zu tun: Hitzewarnungen, Unwetterwarnungen, UV-Warnungen: Die Behörde ist im Ausnahmezustand. Damit nicht genug, hat sie jetzt eine neue Aufgabe. Die Staats-Meteorologen sollen sich jetzt auch um die Luft in den Städten kümmern, genauer: um die korrekte Messung von Stickoxid in der Luft.

Das Bundesverkehrsministerium hat die Behörde damit beauftragt. Hinter dem Auftrag wiederum steht ein Petitum der Landesverkehrsminister und dahinter wiederum ein böser Verdacht: Die angeblich schlechte Luft in den Städten könnte Ergebnis falsch aufgestellter Messstationen sein. Alle Diskussionen um Fahrverbote, um manipulierte Motoren und Nachrüstungen von Dieselfahrzeugen könnten sich gewissermaßen in Luft auflösen. Könnten.

Zuständig für die Aufstellung und Kontrolle der Messstellen sind eigentlich die Umweltbehörden der Länder. Doch bei einer Umfrage, ob es Hinweise auf Probleme gibt, meldeten sich nur Thüringen und Berlin. In Thüringen seien an einer Messstation "gärtnerische Tätigkeiten vonnöten", damit die Stadtluft die Messstation richtig anströmen kann. In Berlin steht eine Station 21 statt der vorgeschriebenen 25 Meter von der nächsten Kreuzung entfernt. Alle anderen meldeten Dienst nach Vorschrift.

"Der Vorgang ist ein Stück aus dem Tollhaus."

Das Thema ist heikel, denn viele der Stationen messen Werte, die sie eigentlich nicht messen dürfen: In 65 Städten ist mehr Stickoxid in der Luft, als die EU seit 2010 erlaubt. Das Bundesverwaltungsgericht machte deshalb Ende Februar den Weg für Fahrverbote frei, die EU-Kommission hat Klage gegen Deutschland eingereicht. Eine Entlastung durch den Deutschen Wetterdienst käme da gerade recht.

Doch in der Bundesregierung sorgt der Auftrag für Ärger. "Der Vorgang ist ein Stück aus dem Tollhaus", ereifert sich Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. "Das Problem nun bei den Messstellen zu suchen, ist an den Haaren herbeigezogen." Und selbst, wenn sich bei ein oder zwei Stationen Beanstandungen fänden: "Das Problem liegt bei den Schadstoffen, nicht bei deren Messung." Ausgerechnet den Wetterdienst damit zu betrauen, sei "ungefähr so, als würde die Genehmigung der Software-Nachrüstung von Fahrzeugen durch das Kraftfahrt-Bundesamt, vom Bundesamt für Naturschutz überprüft." Die Behörde habe viele Kompetenzen, sagt Flasbarth. "Aber da eben nicht".

Das sieht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ganz anders. "Mit dem Deutschen Wetterdienst haben wir erfahrene Experten, die sich mit Messungen von Feinstaub, Grobstaub und Stickoxiden bestens auskennen", sagt er. Der Wetterdienst prüft auch die Luft von Kurorten. Und: "Wenn eine Messstation direkt neben einer hochfrequentierten Bushaltestelle steht, darf man sich fragen, ob der Standort repräsentative Messergebnisse liefert." Eine erste "Validierung" von Messstationen ist im Gange, in Nordrhein-Westfalen.

Der Wetterdienst selbst will lieber nichts zu der Causa sagen, um nicht weiter zwischen die Fronten zu geraten. Zumal die Behörde auf Mitwirkung der Länder angewiesen ist, sie kann nicht einfach so losprüfen. Aus Baden-Württemberg kommt schon eine Absage. Schließlich sei das Bundesverkehrsministerium nicht einmal für die Luftqualität zuständig, sagt Uwe Lahl, zuständiger Ministerialdirektor im Stuttgarter Verkehrsministerium. "Auf so einen Dilettantismus lässt sich Baden-Württemberg nicht ein."

© SZ vom 10.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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