Steuerprivilegien:"Die Erbschaftsteuer muss in den Koalitionsvertrag!"

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Ein Bündnis ruft dazu auf, Steuerprivilegien für Wohlhabende zu kippen. Mindestens 80 Milliarden Euro entgingen dem Staat jedes Jahr.

Von Jonah Wermter, Berlin

Stefanie Bremer ist Firmenerbin und Millionärin. Ihr Vermögen hat sie fast steuerfrei erben können. Bremer, die öffentlich unter einem Pseudonym auftritt, findet das unfair: "Während viele Menschen keine Chance mehr haben, durch Arbeit ein eigenes Vermögen aufzubauen, bietet unser aktuelles Steuersystem Leuten wie mir diverse Schlupflöcher und Freibeträge", sagt sie. Das führe dazu, dass in Deutschland zehn Prozent der Menschen 65 Prozent des Vermögens besäßen. "Dabei dient diese Vermögenskonzentration in keiner Weise dem Allgemeinwohl. Dadurch wird kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, keine Schule und keine Straße gebaut", sagt Bremer. Sie hat mit 46 gleichgesinnten Millionärinnen und Millionären die Initiative "taxmenow" gegründet. Gemeinsam mit dem Netzwerk Steuergerechtigkeit und der Bürgerbewegung Finanzwende ruft sie nun dazu auf, Steuerprivilegien für Wohlhabende zu kippen.

80 Milliarden Euro - so viel kosten die Entlastungen und Schlupflöcher für die Wohlhabendsten den Staat pro Jahr, sagt Christoph Trautvetter, Wissenschaftlicher Referent beim Netzwerk Steuergerechtigkeit, das sich für eine gemeinwohlorientierte Finanzpolitik einsetzt: "Und das ist noch eine konservative Schätzung!" Allein durch die ausgesetzte Vermögensteuer entgingen dem Staat jährlich neuneinhalb Milliarden Euro, durch das Fehlen einer Finanztransaktionssteuer weitere 17 Milliarden. Hinzu käme ein fast unschätzbarer Schaden durch Steuervermeidung und -hinterziehung.

30 Jahre Lobbyerfolge

"Seit 30 Jahren höhlt die Lobby des großen Geldes unser Steuersystem aus", sagt daher Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende und einst Finanzexperte der Grünen im Bundestag. Am deutlichsten würde dies bei der Erbschaftsteuer: "Die Ausnahmeregelungen für Betriebsvermögen und Unternehmenserben hat sogar das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Doch die Politik hat sie bis heute nicht geändert." Vor allem die Stiftung Familienunternehmen hätte vehement für die Ausnahmen lobbyiert, sagt Schick. Eine konsequente Besteuerung würde dem Staat jährlich mindestens sechs Milliarden Euro einbringen.

"Wir fordern daher: Die Erbschaftsteuer muss im nächsten Koalitionsvertrag stehen", sagt Schick. Das sei unabhängig davon, welche Parteien die nächste Regierung bilden: "Alle politischen Konstellationen der vergangenen 30 Jahre haben unter dem Lobbydruck der Wohlhabenden Steuererleichterungen durchgesetzt." Das Bündnis der drei Initiativen setze daher auf den Druck der Öffentlichkeit. Mit Aktionen und einer Petition soll Aufmerksamkeit für die Privilegien der Reichen geschaffen werden, bis die Parteien nicht mehr an einer Reform vorbeikämen.

"Wir profitieren alle von den Leistungen des Staates. Ein Unternehmen ist nichts ohne ein gutes Bildungssystem und funktionierende Infrastruktur", sagt die Firmenerbin Bremer. Langfristig möchte das Bündnis daher alle Steuerprivilegien abgeschafft sehen.

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