Steuerpolitik:Nun auch noch Walmart

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Die EU-Kommission will es großen Konzernen schwerer machen, ihre Steuerlast zu senken. Welch ein Kraftakt das ist, zeigen die Praktiken des weltweit größten Handelskonzerns.

Von Alexander Hagelüken und Alexander Mühlauer, München/Brüssel

Der amerikanische Walmart-Konzern steht in vielen Disziplinen weltweit ganz oben. Nach der Rangliste des US-Magazins Fortune ist der Einzelhändler die umsatzstärkste Firma der Welt, vor einigen Öl- und Finanzfirmen. Der 1962 vom knorrigen Sam Walton gegründete Konzern fällt seit Langem durch niedrige Preise und ebenso niedrige Löhne auf. Nun legt eine neue Untersuchung nahe, dass die Supermarktkette mit 2,2 Millionen Beschäftigten auf dem ganzen Globus noch in einer anderen Disziplin spitze ist: beim Vermeiden von Steuern.

Walmart soll in einem bisher verborgenen globalen Netzwerk in 15 Steueroasen Vermögenswerte von mindestens 76 Milliarden Dollar deponiert haben, ermittelt die amerikanische Nichtregierungsorganisation (NGO) Americans for Tax Fairness in einer Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. In all diesen Ländern, darunter sieben aus Europa, betreibt der Konzern keinen einzigen Laden. Der Vorwurf: Walmart benutzt dieses System womöglich, um Steuern in den USA und anderen Staaten etwa in Europa zu vermeiden, in denen es tatsächlich Supermärkte gibt. Laut Studie gehören fast alle der 27 operativen Walmart-Töchter außerhalb der USA Dependancen in Steuerparadiesen, darunter das wichtige Geschäft in Großbritannien, China, Japan und Brasilien. Auf diese Weise seien 90 Prozent der Vermögenswerte von Walmarts internationaler Einheit in Ländern gebunkert, in denen die Finanzbehörden wenig Forderungen haben.

Zentral bei dem Konstrukt ist Luxemburg, dessen konzernfreundliche Politik bereits Ende vergangenen Jahres von einem weltweiten Medienverbund enthüllt wurde. Hier lagern laut der Studie in Briefkastenfirmen angeblich 64 Milliarden Dollar, in den Niederlanden zwölf Milliarden, weiteres Geld liegt in der Schweiz, Irland und den zu Großbritannien gehörenden Jungferninseln. Der Konzern vergibt Kredite aus den Steueroasen an Tochterfirmen in Staaten, in denen tatsächliche Supermärkte stehen - so verringern sich die Gewinnsteuern durch Zinszahlungen an die Gesellschaften in den Steueroasen. Auf diese Weise könnten auch europäischen Staaten Einnahmen entgangen sein.

Walmart soll in 15 Steueroasen Vermögenswerte von mindestens 76 Milliarden Dollar deponiert haben. (Foto: Jessica Rinaldi/Reuters)

Die deutlichsten Hinweise gebe es darauf im Umfeld von Asda, der zweitgrößten britischen Supermarktkette. Sie gehört seit mehr als 15 Jahren Walmart. Nach Analyse der Finanzberichte von Asda-Firmen erhebt die Studie den Vorwurf, das Unternehmen habe in Großbritannien zwischen 2004 und 2013 etwa 850 Millionen Dollar Steuern vermieden. Der Trick: In diesem Zeitraum sei fast ein Viertel der Gewinne der Asda-Gruppe nach Luxemburg transferiert worden, als Zinszahlungen, die sich von der Steuer abziehen lassen. Auf diese Zahlungen habe man dann in Luxemburg nur 0,55 Prozent Steuern zahlen müssen, jedenfalls, wenn man das letzte Jahr zugrunde legt, für das Finanzberichte erhältlich sind. Asda lehnte eine Stellungnahme ab, von Walmart war zunächst keine Antwort auf die Vorwürfe zu erhalten.

Auf der Liste der Brüsseler Behörde stehen 30 Steueroasen, vor allem in der Karibik

Die Tax-Fairness-NGO fordert die EU-Kommission auf, in einem Verfahren zu untersuchen, ob Luxemburg Walmart eine illegale Beihilfe gewährt hat. Eine Forderung, die der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold unterstützt: "Nicht nur Internetfirmen betreiben über Luxemburg aggressive Steuervermeidung. Auch Walmart nutzt die Steueroase, um Gewinne von 1,3 Milliarden Euro mit weniger als einem Prozent zu versteuern. Walmart betreibt in Luxemburg nicht mal einen Kiosk, aber 22 Briefkastenfirmen." Giegold forderte Luxemburg auf, die Vereinbarungen mit dem Konzern zu veröffentlichen.

In Brüssel hat die EU-Kommission am Mittwoch eine Liste mit Steueroasen vorgestellt. Darauf finden sich die Namen jener Länder, die nicht mit der Europäischen Union in Steuerfragen kooperieren. 30 Staaten stehen darauf. In Europa sind es die Kleinstaaten Monaco, Andorra, Liechtenstein sowie die Kanalinsel Guernsey. Die meisten Steueroasen befinden sich den Angaben zufolge in der Karibik. Aber auch Hongkong zählt dazu.

Die Kommission hat die Namen für die Liste bei den Mitgliedsländern eingesammelt. Manche Staaten halten ihre Einschätzung bisher unter Verschluss, aus diplomatischen Gründen. EU-Länder selbst fehlen auf der Liste - so etwa Luxemburg. Konkrete Maßnahmen gegen die aufgelisteten Länder nannte die Kommission nicht.

Außerdem will die Brüsseler Behörde einen neuen Anlauf zur Unternehmensbesteuerung machen. Bereits 2011 war ein entsprechender Vorschlag zur Harmonisierung gescheitert. In ihrem neuen Versuch will die Kommission nun klären, wie die Bemessungsgrundlage gestaltet wird und diese in einem zweiten Schritt in allen EU-Staaten einander annähern. Eine völlige Angleichung solle es nicht geben, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Auch gemeinsame Mindeststeuersätze seien nicht geplant. Stattdessen sollen alle Gewinne und Verluste einer Firma in der EU in die Bemessungsrundlage einfließen. Für multinationale Konzerne sollen die harmonisierten Regeln verpflichtend sein. Der genaue Vorschlag, der mit den EU-Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament abgestimmt werden muss, soll bis Ende 2016 präsentiert werden. Zum automatischen Austausch von Informationen zu Steuervorbescheiden haben die EU-Finanzminister bereits Zustimmung signalisiert.

Wie glaubwürdig die neue Steuerstrategie der Kommission ist, liegt auch an Präsident Jean-Claude Juncker selbst. Er muss den Aktionsplan durchsetzen. Dabei steht er als ehemaliger Regierungschef und Finanzminister von Luxemburg für die laxen Regeln des Großherzogtums.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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