Steuerflucht:Die Millionen-Angst der Erben

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Nur einen Tag, nachdem der Allgäuer Unternehmer Theo Müller ("Alles Müller oder was?") angekündigt hat, aus Steuergründen ins Ausland ziehen, ist in der SPD eine Debatte über eine höhere Erbschaftsteuer losgebrochen. Finanzminister Eichel blockt noch ab - doch die Gerichte könnten ihn bald zum Handeln zwingen.

Von Karl-Heinz Büschemann, Marc Beise und Ulrich Schäfer

(SZ vom 13.09.03) - Theo Müller, 63, ist es leid. Der quirlige Chef und Eigentümer des Allgäuer Familien-Unternehmens Müller Milch wird Deutschland verlassen. Der Unternehmer aus Aretsried bei Augsburg, der mit pfiffigen Werbesprüchen zu einer bekannten Größe der deutschen Wirtschaft wurde, verlegt seinen Wohnsitz in die Schweiz. Wegen der Erbschaftsteuer.

Um diese Steuer bei der Übertragung seiner Firma, die etwa 1,8 Milliarden Euro umsetzt und 4.500 Beschäftigte hat, an eines oder mehrere seiner neun Kinder zu vermeiden, will der Senior schon im November in die Schweiz ziehen.

Müller müsste in Deutschland rund 200 Millionen Euro Steuer zahlen. Durch solche Steuergesetze würde der gesamte Mittelstand vernichtet, schimpft der Mittelständler.

Weitere Müllers

Es wird weitere Müllers geben, prophezeien Unternehmensberater ebenso wie Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU). Der Unternehmer sei nur einer von vielen Firmenchefs, die den Auszug aus Deutschland erwägen, um steuerlich besser behandelt zu werden, "und viele Unternehmern wickeln diese Verlagerungen sehr diskret ab" (Faltlhauser).

In der Schweiz habe in den vergangenen Jahren ein Kanton nach dem anderen die Erbschaftsteuer abgeschafft, sagt der bayerische Finanzminister, in Italien sei sie im vergangenen Jahr vollkommen entfallen. Auch in Österreich kann man Betriebe ohne Steuerbelastung auf die nächste Generation verlagern.

"Insgesamt veranlasst die schwierige und kaum planbare steuerliche Gesetzeslage zunehmend Unternehmer, über die Möglichkeiten des Wegzugs nachzudenken", sagt Karsten Randt, Steuerexperte der Bonner Kanzlei Flick Gocke Schaumburg.

Wegzugsfrage

Auch Otmar Thömmes von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche weiß aus Erfahrung: "Die Erbschaftsteuer ist ein Motiv, die Wegzugsfrage zu stellen." Er stoße zunehmend auf "verdrossene Unternehmer, die sich vom Fiskus schlecht behandelt fühlen".Dazu trage stark die wachsende Verunsicherung bei, die sich aus dem Hin- und Her der Steuerpolitik ergebe.

Dass die Kompliziertheit des Steuerrechts ein Ärgernis sei, räumte Heide Simonis, SPD-Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein, am Freitag bei einem Redaktionsbesuch in der Süddeutschen Zeitung ein.

Die Behauptung, dass explizit die Erbschaftsteuer Unternehmer ins Ausland treibe, hält sie aber für falsch: "Das ist der Versuch, die Politik zu erpressen."

Jeder müsse seinen Anteil zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Hier sei sie sich mit Edmund Stoiber (CSU), dem bayerischen Ministerpräsidenten, einig, der auf die Verantwortung des Unternehmers hingewiesen habe.

Kaum höhere Einnahmen

Simonis räumte ein, dass eine höhere Erbschaftsteuer dem Fiskus kaum höhere Einnahmen bescheren werde. "Es geht aber um ein Signal der Solidarität, dass besonders in der derzeitigen Finanzkrise alle gesellschaftlichen Gruppen in die Pflicht genommen werden".

Ähnlich sehen dies viele SPD-Politiker: Für den Parteitag im November werden derzeit wieder mehrere Anträge zu diesem Thema vorbereitet. "Wir können uns vorstellen, dass größere Vermögen stärker herangezogen werden", sagte Fraktionsvize Joachim Poß zum Abschluss der Haushaltsdebatte im Bundestag.

Auch die "Demokratische Linke" will, nachdem sie mit ihren Forderungen nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer gescheitert sei, die Erben zur Kasse bitten.

Eichel will keine neue Steuerdebatte

Finanzminister Hans Eichel tritt aber nach wie vor auf die Bremse. Er will keine neue Steuerdebatte lostreten, zudem verweist er stereotyp darauf, die Erbschaftsteuer sei Sache der Länder: "Eine Initiative für Änderungen kann nur sinnvollerweise von denen ausgehen, denen das Aufkommen daraus ausschließlich zusteht", sagt ein Sprecher.

Allerdings weiß auch das Finanzministerium, dass es bald zum Handeln gezwungen sein wird: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt derzeit über einige Vorlagen, die der Bundesfinanzhof an die obersten Richter weitergeleitet hat.

Der Finanzhof bezweifelt, dass ein einheitlicher Tarif für alle Erbschaften angemessen ist und hat zudem in zwei weiteren Urteilen kritisiert, dass Grundstücke und Gebäude im Erbfall, anders als Bares und Kapitalanlagen, mit veralteten Einheitswerten taxiert werden. Die Verfassungsrichter werden aber nicht mehr in diesem Jahr darüber befinden.

Drei Grundsätze

Wenn es soweit ist, will die Regierung schnell reagieren - und sich an drei Grundsätzen orientieren, die auch von der SPD gutgeheißen werden.

Erstens: Immobilien und Grundbesitz sollen in etwa wie Geldvermögen bewertet werden. Zweitens: Durch Freibeträge soll das privat genutzte Häuschen für Kinder und Ehepartner weitgehend steuerfrei bleiben. Und drittens: Bei der Neubewertung des Betriebsvermögens will die Regierung sicher stellen, dass der Betriebsübergang bei kleinen und mittleren Unternehmen nicht erschwert wird.

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