Start-ups:Jungunternehmer lieben London

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Ganz vorne im Start-up-Barometer: Großbritanniens Hauptstadt London. (Foto: Eddie Keogh/Reuters)

Gründer in Europa sammeln Rekordsummen ein. In Deutschland bieten neben Berlin die Städte München und Hamburg interessante "Start-up-Ökosysteme", so eine Studie.

Von Elisabeth Dostert, München

Kein anderes Start-up in Europa hat im vergangenen Jahr mehr Geld bei Investoren eingesammelt als der britische Luxus-Onlinehändler Farfetch. Beim Börsengang nahm das Unternehmen 583 Millionen Euro ein. Auf den Rängen folgen zwei deutsche Start-ups, die sich Geld bei Risikokapitalgebern holten: Die Gebrauchtwagen-Plattform Auto1 sammelte 460 Millionen Euro ein, der Modehändler About You 264 Millionen Euro. Insgesamt erreichten Investitionsvolumen und Zahl der Transaktionen Rekordhöhe, wie aus dem jüngsten Start-up-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY für Europa hervorgeht. Der Gesamtwert stieg um elf Prozent auf 21,3 Milliarden Euro, die Zahl der Finanzierungsrunden um 15 Prozent auf fast 4200. Den Spitzenplatz belegten britische Gründer mit insgesamt 7,2 Milliarden Euro vor deutschen (4,6 Milliarden Euro) und französischen (3,4 Milliarden Euro). Gemessen an der Summe führt London das Städteranking mit weitem Abstand an, vor Berlin und Paris. Auch bei der Deal-Zahl liegt die britische Hauptstadt vorne.

Der Trend in Europa zeige weiter klar nach oben, sagt Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY in Deutschland: "Immer mehr europäische Unternehmen erhalten frisches Kapital." Barth sieht das europäische Start-up-Ökosystem weiter gestärkt.

Um die Konjunktur scheren sich die Investoren wenig, so die Studie. "Die Art und Weise, wie wir wirtschaften und leben, verändert sich derzeit mit enormer Geschwindigkeit", sagt EY-Partner Peter Lennartz. Zu den wichtigsten Treibern zählt er junge, disruptive Unternehmen mit innovativen Technologien und Geschäftsmodellen. "Die Investoren erkennen gerade in Tech-Start-ups, die auch in Deutschland eine immer größere Rolle spielen, großes Potenzial, und sie sind auch bereit und in der Lage, hohe Summen auf deren Erfolg zu setzen", so Lennartz. Europaweit 24 Start-ups konnten Finanzierungen mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro stemmen, davon kam die Hälfte aus Großbritannien und sechs aus Deutschland. Wie das Beispiel Auto1 zeige, stünden deutsche Gründer inzwischen durchaus im Fokus nationaler und internationaler Investoren", sagt Barth.

Das Gründungsgeschehen spiegelt auch die politische Organisationsstruktur eines Landes wider. Es konzentriere sich in Großbritannien sehr auf London und in Frankreich auf Paris. In Deutschland gebe es neben dem "international anerkannten und stark wachsendem Leuchtturm Berlin", der gut und wichtig für das Land sei, "bis zu 20 sehr interessante Start-up-Ökosysteme". Zwei sehr starke Städte seien München und Hamburg, urteilen die Berater. Sehr gut entwickeln sich Köln, Düsseldorf, Aachen und Dortmund. Große Ambitionen hegt nach Einschätzung der Berater auch das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt, Mainz, Wiesbaden und Offenbach. "Weltklasse" sei bereits Karlsruhe im Bereich IT und künstliche Intelligenz, Dresden unter anderem in der Chip-Technologie und Heidelberg in der Medizintechnik und Biotechnologie. Diese Ökosysteme für Gründer seien zwar in der Breite weniger bekannt, "beheimaten aber mehrere Hidden-Start-up-Champions", sagt Berater Lennartz: "Das macht Deutschland im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich stark".

Frankreich ist nicht so von Megadeals abhängig wie Deutschland

Deutschland liegt gemessen an der Investitionssumme noch vor Frankreich, gemessen an der Zahl der Deals liegt das Nachbarland schon auf Platz zwei. Die französische Politik wolle das Land zur Start-up-Nation Nummer eins in Europa entwickeln, sagt Lennartz. Es gebe in Frankreich zwar weniger Mega-Transaktionen, dafür würden Gründer stärker in der Breite finanziert und gefördert. Es gebe günstige Kredite vom Staat, Steuererleichterungen für Gründer und Investoren. Auch der Aufbau des Start-up-Campus Station F in Paris zeige, wie ernst es Frankreich mit Start-ups meine.

Zwar habe sich die Zahl der Transaktionen in Deutschland zuletzt positiv entwickelt. Als Problem erachten es die EY-Experten allerdings, dass es relativ wenige mittelgroße Deals gibt. Für das Rekordvolumen sorgen "einige wenige" Mega-Deals. Bleiben solche aus, sinkt das Investitionsvolumen deutlich. Diese Abhängigkeit von großen Deals gebe es in Frankreich nicht, erläutert Lennartz: "Die französische und vor allem die Pariser Start-up-Szene ist sehr lebendig, international sichtbar und gerade im Tech-Bereich hervorragend aufgestellt."

Welche Folgen der Brexit haben werde, sei noch immer nicht klar, so die Berater. Es sei nicht vollkommen auszuschließen, dass London in Zukunft an Anziehungskraft für Gründer und Investoren verlieren werde, wenn der Brexit tatsächlich komme. "Die Prognose eines Exodus an Investoren und Start-ups aus London ist allerdings eher ein Schauermärchen und nicht die Wirklichkeit", so EY-Partner Lennartz. Er ist überzeugt, dass der britische Finanzsektor weiter eine "sehr starke Rolle" spielen werde. Das gelte besonders für Investmentgesellschaften, Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaften, die "sehr viel Liquidität horten" und nach weiteren Anlagemöglichkeiten suchen, auch in Start-ups und Scale-ups, also fortgeschrittene Gründer.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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