Standort-Diskussion:Opelaner verzichten auf Lohnerhöhung

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Erst sagt das Management eine Standortsicherung bis 2016 zu, jetzt geht die Gewerkschaft ein Stück auf Opel zu: Die eigentlich schon vereinbarte Lohnerhöhung wird bis zum Herbst ausgesetzt. Die Verhandlungen über die Zukunft von Opel laufen weiter.

Die Opel-Beschäftigten haben sich etwas Zeit erkauft. Den Arbeitnehmervertretern bleiben nun etwas mehr als vier Monate, um - ohne die ungeduldige Konzernzentrale in Detroit im Nacken - über eine Neuverteilung der Produktionsaufträge für die chronisch unterbeschäftigten Werke zu verhandeln.

Bis Ende Oktober hat die Gewerkschaft der angeschlagenen GM-Tochter die in der Branche vereinbarte Lohnerhöhung um 4,3 Prozent gestundet. Das Unternehmen hat dadurch Luft, um eine Einigung mit den Arbeitnehmern zu finden. "Damit wird etwas Druck vom Kessel genommen", sagt Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen. Am GM-Plan, das Werk in Bochum über kurz oder lang zu schließen, dürfte das aber nichts ändern.

Durch ihr geschlossenes Auftreten gegenüber der Führung des US-Konzerns haben die Gewerkschaft und die Regierungschefs der vier betroffenen Bundesländer mit Opel-Standorten immerhin erreicht, dass betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2016 ausgeschlossen sind. Darüber muss im Detail noch verhandelt werden, Grundzüge des Kompromisses stehen aber bereits.

"Damit erhalten alle Beteiligte eine genügend lange Übergangszeit", sagt Branchenexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Die Amerikaner könnten dies als Entgegenkommen verbuchen. So haben beide Seiten ihre Position gewahrt, ein für die Verhandlungen nicht zu vernachlässigender Gesichtspunkt. Allzu große Härten für die Beschäftigten würden vermieden, meint der Autoanalyst.

Ursprünglich war die Schließung von Bochum mit über 3000 Mitarbeitern bereits Ende 2015 befürchtet worden, wenn der geltende Standortsicherungsvertrag ausläuft. Die Opelaner hätten nun mehr Zeit, sich nach alternativen Arbeitsplätzen umzusehen, meint Pieper.

Mit dem Automobilbau vergleichbare Beschäftigungsangebote in der von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Ruhrgebietsregion sind jedoch rar. Die Betroffenen müssten aber womöglich weite Arbeitswege in Kauf nehmen, um eine neue Stelle zu finden.

Schon in der zurückliegenden Sanierungsrunde hatten es einige Bochumer Opelaner allerdings abgelehnt, ins Stammwerk nach Rüsselsheim zu wechseln. Dudenhöffer ist der Meinung, dass GM das Werk in Bochum ohnehin nicht früher schließen kann, weil dies mitten im Lebenszyklus des aktuellen Zafira-Modells viel zu teuer wäre. Das Modell läuft noch bis Ende 2016 vom Band, danach soll es einen Nachfolger bekommen.

Das Opel-Management hat bereits deutlich gemacht, dass dieser nicht in Bochum gebaut werden soll. Hoffnungen darauf macht sich der französische GM-Partner Peugeot. Durch den Aufschub der Tariferhöhung erhalte Opel einen Lohnkostenvorteil im Vergleich zur Konkurrenz und habe mehr Zeit, sich mit den Arbeitnehmern auf weitere Einsparungen zu verständigen, erläutert Dudenhöffer. In dieser Zeit könne der Autobauer aus den negativen Schlagzeilen kommen, in die das Unternehmen durch die seit Monaten anhaltende Debatte über Werksschließungen geraten ist.

Bereits vor einigen Jahren war das Image der Marke mit dem Blitz allerdings bereits ramponiert, als GM seine Tochter zunächst verkaufen wollte, sich dann aber kurzerhand entschied, Opel selbst zu sanieren. Bisher ohne durchschlagenden Erfolg, denn Opel türmt weiter Verluste auf - 256 Millionen Dollar alleine im ersten Vierteljahr. In der nun gewonnenen Zeit könne die Marke mit dem Blitz verlorenes Vertrauen bei der Kundschaft zurückgewinnen, glaubt Dudenhöffer.

Analyst Pieper ist überzeugt, dass GM an seinem Plan festhalten wird. Bochum zu schließen. "GM will nach dieser langen Durststrecke in Europa endlich eine Lösung finden." Der US-Konzern könne "nicht ständig Werke infrage stellen, die nicht in Deutschland liegen".

In der zurückliegenden Sanierungsrunde hatte GM europaweit 8000 der einst 48.000 Arbeitsplätze gestrichen und das Werk im belgischen Antwerpen dicht gemacht. Die Gewerkschaft will darüber verhandeln, dass GM die Produktion von Fahrzeugen, die bisher im Ausland gefertigt werden, an deutsche Werke vergibt. Dadurch soll dort Druck sinken, Überkapazitäten abzubauen. Dabei geht es um etwa 160.000 Fahrzeuge, vor allem der GM-Marke Chevrolet, die bisher aus Korea importiert werden.

Ab Oktober kommt der kleine Geländewagen Mokka in die Schauräume, der ebenfalls in Südkorea vom Band rollt. Sollte GM diese Fahrzeuge in Deutschland bauen lassen, könnte die Opel die Kurve noch rechtzeitig kriegen, lautet die Hoffnung der IG Metall. Letzte Gewissheit wird Bochum aber wohl auch Ende Oktober nicht haben. "Wir werden dann hoffentlich einen Weg beschrieben haben, wie wir das erreichen wollen", sagte der nordrhein-westfälischen IG-Metall-Chef Oliver Burkhard zu Reuters. Letztlich hänge jedoch alles von der weiteren Geschäftsentwicklung von Opel ab.

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