Staatsanleihen:Ungeliebt und unverzichtbar

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Blick auf die Frankfurter Bankentürme: Die sonnigen Zeiten für sichere Staatsanleihen sind vorbei - und sie dürften so schnell nicht wiederkommen. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Der Markt für Staatsanleihen in der Euro-Zone ist durch die Geldpolitik der EZB stark verzerrt. Doch Pensionskassen und Versicherer sind durch die neue Regulierung praktisch gezwungen, in diese Papiere zu investieren.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Man darf sich schon mal fragen, warum Anlageprofis in diesen Zeiten noch Bundesanleihen kaufen. Die deutschen Schuldscheine werfen bei einer Laufzeit von zehn Jahren gerade mal 0,6 Prozent ab. Selbst vergleichbare italienische Staatsanleihen bringen den Gläubigern nur noch eine Rendite von 1,7 Prozent. Zwar gilt eine Staatspleite Italiens derzeit als unwahrscheinlich, doch auszuschließen ist sie nicht. Eigentlich müssten die Kreditzinsen für das Land deshalb höher liegen, doch die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt durch ihr Anleihekaufprogramm dafür, dass sie niedrig bleiben.

Die Preisfindung auf Europas Staatsanleihemarkt ist verzerrt. Dennoch ist die Nachfrage seitens der Versicherungen und Pensionskassen ungebrochen. Warum?

"Die Regularien sorgen dafür, dass Versicherer das meiste Geld in sichere Anleihen stecken müssen", sagt Rainer Matthes, Chefinvestmentstratege des Bankhaus Metzler. Ab 2016 gelten neue Vorschriften (Solvency 2). "Dann müssen Versicherungen riskante Aktieninvestments mit Eigenkapital unterlegen. Europäische Staatsanleihen unterliegen keinen solchen Anforderungen", sagt Matthes, der aus diesem Grund nicht damit rechnet, dass institutionelle Investoren verstärkt in Aktien gehen. Die deutschen Versicherer hätten derzeit eine Aktienquote von rund 3,5 Prozent, Ende der 1990er Jahre lag die Quote bei bis zu 30 Prozent.

Mancher erinnert sich an die 1980er Jahre, als Bundesanleihen mehr als zehn Prozent brachten

So kommt es, dass die Nachfrage nach Staatsanleihen stark bleibt, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, Verluste zu erleiden, immer größer wird. Die Metzler-Experten gehen davon aus, dass Bundesanleihen in den kommenden sieben Jahren per annum einen realen Verlust von 2,1 Prozent aufweisen werden. "Die mittelfristigen Perspektiven für Staatsanleihen sind eher mau", so die Bank.

Viele Deutsche mögen sich noch an die D-Mark-Zeiten erinnern. In den 1960er-Jahren brachte die zehnjährige Bundesanleihe noch mehr als acht Prozent Rendite. In den 1980er-Jahren waren es sogar mehr als zehn Prozent, wobei auch die Inflationsraten vergleichsweise hoch lagen. Seit den 1990er Jahren fielen die Renditen für Bundesanleihen kontinuierlich bis auf fast null Prozent. So könnte es auch noch einige Jahre weitergehen.

Bei der EZB diskutiert man, das Anleihekaufprogramm zu erweitern. Bislang ist vorgesehen, dass die EZB bis Ende September 2016 rund 1,1 Billionen Euro in den Kauf dieser Wertpapiere steckt. Das Zinsniveau in der Euro-Zone soll reduziert werden, damit Unternehmen vermehrt Kredit aufnehmen, das Wirtschaftswachstum in Gang kommt und in der Folge die Inflationsraten steigen.

Bislang geht der Plan nicht auf: Trotz der großen Geldflut der EZB fallen die Preise in der Euro-Zone. Im September sind sie im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,1 Prozent gefallen, wie das Europäische Statistikamt am Mittwoch mitteilte. Dauerhaft fallende Preise gelten als gefährlich. Japan leidet seit Jahrzehnten unter den Folgen einer solchen Deflation. Die EZB könnte daher ihr Kaufprogramm ausweiten. Bislang erwirbt die EZB jeden Monat Anleihen im Wert von 60 Milliarden Euro. "Die EZB dürfte aus der Inflationsrate zunehmend neuen geldpolitischen Handlungsbedarf ableiten", sagt Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Denn die Notenbank sei meilenweit von ihrem Inflationsziel von knapp zwei Prozent entfernt, das für die Wirtschaftsentwicklung als ideal gelte. In den hauseigenen Prognosen der EZB wird für 2016 nur ein Wert von 1,1 Prozent veranschlagt.

In den USA steht die Wende bei den Zinsen bevor, in Europa wird sie wohl noch Jahre dauern

Eine stärkere Nachfrage seitens der EZB könnte die Kurse von Europas Staatsanleihen weiter stützen - und die Renditen im Gegenzug senken. Doch je näher man bei den Renditen der Nulllinie kommt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Investoren Kursgewinne wie in den letzten beiden Jahren machen können. So betrug die Wertentwicklung italienischer Staatsanleihen seit 2013 zehn Prozent per annum, mit Bundesanleihen konnte man 5,5 Prozent erzielen, so Daten von Metzler.

Zudem droht die Zinswende. Die US-Notenbank Federal Reserve möchte noch in diesem Jahr den Leitzins wieder erhöhen. Wenn die Leitzinsen steigen, fallen die Kurse von Anleihen. Anleger machen dann Verluste. Bei der EZB wird eine solche Zinswende womöglich noch Jahre dauern. Doch wenn sie kommt, wird es happig. Die Euro-Staaten haben sich über Jahre an die niedrigen Kreditzinsen gewöhnt. Wenn die Zinsen steigen, dann klaffen neue Haushaltslöcher. Es kommt wohl zu erneuten Verwerfungen an den Finanzmärkten.

Doch auch wenn die EZB die Leitzinsen auf ewig niedrig halten würde, kämen die Bürger nicht ungeschoren davon. "Das wäre der Todesstoß für die Altersvorsorge der Versicherten", sagt Matthes.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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