Spielwaren:Der Wirklichkeit entfliehen

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Die Menschen bleiben zuhause - und spielen. Das merken die Spielwarenhersteller. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Brettspiele, Puzzles, Puppen: Die Corona-Pandemie beschert der Spielzeugbranche ein rekordverdächtiges Plus. Die Kunden verändern allerdings ihr Kaufverhalten.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

In Zeiten der Pandemie kaufen die Menschen in Deutschland Spielwaren wie noch nie. Nach Zuwächsen von maximal drei Prozent in den vergangenen Jahren rechnen Hersteller und Händler für 2020 mit einem rekordverdächtigen Umsatzplus von mindestens acht Prozent. Die Branche starte in ein "erfolgreiches Weihnachtsgeschäft, wie wir es schon lange nicht mehr gesehen haben", prophezeite der Branchenexperte Joachim Stempfle vom Marktforscher Npdgroup.

Wegen der Einschränkungen im Alltagsleben würden die Menschen enger zusammenrücken und sich gemeinsame Beschäftigungen suchen, sagten Experten der Spielwarenbranche bei einer gemeinsamen, digitalen Pressekonferenz. "Spielen bedeutet Wohlbefinden und glücklich sein", sagte Jochen Kahnt vom Spielwaren-Einzelhandelsverband BVS. "Da kann man der Realität auch mal entfliehen." Dazu passen die Ergebnisse einer vom Industrieverband DVSI in Auftrag gegebenen Studie. 36 Prozent der Befragten gaben dabei an, der Umgang mit Spielwaren habe ihnen in diesem Jahr geholfen, um besser durch die Pandemie zu kommen.

Voraussichtlich 3,7 Milliarden Euro geben die Menschen hierzulande in diesem Jahr für Spielwaren aus. Gefragt sind vor allem Puzzles und Brettspiele, aber auch Artikel zum Malen und Basteln. Hier liegen die Zuwächse bei bis zu 25 Prozent. Auch klassisches Spielzeug profitiere von dem Trend, sagten die Branchenvertreter. Der Urlaubsverzicht vieler Familien im zurückliegenden Sommer habe dazu geführt, dass der Absatz von Outdoor-Spielzeug wie beispielsweise Kinder-Trampolins um 18 Prozent gestiegen sei.

Wer keinen Online-Shop hat, bekommt ein Problem

Im anstehenden Weihnachtsgeschäft zeichne sich bereits eine große Nachfrage nach Experimentierkästen und Bausets ab. "Spielzeuge, die junge Entdecker fördern, liegen voll im Trend", sagte Einzelhandelsvertreter Kahnt und nannte als Beispiel unter anderem ein Set, mit dem Kinder Bio-Kosmetik selbst herstellen können. Aber auch klassische Produkte wie Barbie-Puppen oder Eisenbahnen stünden auf den Wunschzetteln.

Vor allem für den dänischen Marktführer Lego ist 2020 ein Boomjahr. Dessen Umsatzplus in Deutschland beziffern die Marktforscher auf 30 Millionen Euro, etwa doppelt so viel wie beim Spieleverlag Kosmos, der in Sachen Wachstum auf Platz zwei liegt. Ulrich Brobeil vom deutschen Herstellerverband DVSI erklärte die Spielwarenindustrie zu "einem der Gewinner der Corona-Pandemie". 28 Prozent der Firmen planen nach seinen Angaben, zusätzliches Personal einzustellen.

Allerdings gehört nicht jeder, der Spielwaren verkauft, auch automatisch zu den Profiteuren des Booms. Die klassischen Spielwarengeschäfte werden seit Jahren immer weniger und wer neben seinem realen Laden nicht auch noch einen Online-Shop betreibt, hat schlechte Zukunftsaussichten. Gut die Hälfte des Umsatzes mit Spielwaren wird in Deutschland über den Verkauf im Internet erwirtschaftet. Der Anteil am Gesamtgeschäft wächst, auch das ist eine Corona-Folge, in diesem Jahr von 42 auf 52 Prozent. Im Gegensatz dazu sinkt der Anteil des stationären Handels am Gesamt-Umsatzvolumen von 26 auf 18 Prozent.

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