SPD:Weg mit dem Soli

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Das Steuerkonzept des Kanzlerkandidaten Martin Schulz kommt bei der Bevölkerung gut an, wie eine Umfrage zeigt. Es könnte auch dazu führen, dass der Solidaritätszuschlag schneller verschwindet als bisher geplant.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl ist heftiger Streit um die künftige Steuerpolitik und die Abschaffung des Soli-Zuschlages entbrannt. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) lobte am Donnerstag das von SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz präsentierte Steuerkonzept als "klug und ausgewogen". Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) attackierte die sozialdemokratische Vorlage als "Mogelpackung". In der Bevölkerung konnte die SPD mit dem Schulz-Konzept punkten. Laut einer Umfrage des weltweit tätigen Meinungsforschungsinstituts YouGov, das 1054 Menschen befragt hat, halten zwei Drittel der Bürger die vorgestellten Maßnahmen, mit denen vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet werden sollen, für grundsätzlich sinnvoll. In der Wirtschaft überwog Skepsis. Zypries hielt dagegen. Personengesellschaften und Einzelunternehmer würden profitieren, sagte sie. "Dass der jetzige Spitzensteuersatz von 42 Prozent nach Schulz erst bei einem zu versteuerndem Einkommen von 60 000 Euro greifen soll, kommt ihnen unmittelbar zu Gute".

Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), bezeichnete das Konzept als "Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen", weil ihnen über die Steuerpläne wichtiges Kapital entzogen werden solle. Das hemme Innovationen und Investitionen. Arbeitsplätze seien bedroht. Ähnliche Kritik gab es vom Zentralverband des Deutschen Handwerks.

Abgesehen von Söder hielten sich CDU und CSU mit Kritik zurück. Die Union hat noch kein eigenes Konzept vorzuweisen, sie will es Anfang Juli vorgelegen. Die Schwesterparteien ringen um eine gemeinsame Linie. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte im Herbst 2016 "die größte Steuersenkung aller Zeiten" angekündigt, später von "wuchtigen Steuersenkungen" gesprochen. Das Spitzenpersonal der CDU um Parteivorsitzende Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble deckelt dagegen die Summe auf 15 Milliarden Euro. Schäuble bestätigte diese Zahl am Donnerstag. "Ich habe immer gesagt, wir haben Spielraum für 15 Milliarden Euro Steuersenkung plus Soli". Besonders heftig wird um die Abschaffung des Soli-Zuschlages gestritten. Die Einnahmen für den Bund belaufen sich auf 20 Milliarden Euro.

Finanzminister Schäuble hält sich beim Thema Steuern zurück. (Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Bisher wollen CDU und CSU den Soli über das Jahr 2020 hinaus fortführen - die CDU will ihn bis 2030 abschmelzen, die CSU bis 2025. Merkel bekräftigte beim Tag der deutschen Industrie am Dienstag den "schrittweisen" Abbau. Allerdings ohne weitere Details zu nennen.

Auch Schäuble ließ am Donnerstag offen, ob der Soli womöglich doch schneller abgebaut wird, etwa wie von der SPD vorgeschlagen. Sie SPD will den Zuschlag ab 2020 hälftig streichen - und den gesamten Rest in einer kurzen Übergangsperiode. Zunächst sollen Bürger mit einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 52 000 Euro keinen Soli mehr zahlen, später alle anderen. Partei-Vize Olaf Scholz begründete dies mit dem Auslaufen des Solidarpaktes Ende 2019. Damit entfalle die Grundlage. "Die zehnjährige Abschmelzperiode, die sich Unionsparteien und Bundesfinanzminister vorgestellt haben, ist sicherlich zu lang", sagte Scholz. Auch Schäuble räumte ein, die Grundlage entfalle sukzessive. Verschärft wird der Steuer-Streit von Forderungen der Bundesländer. "Wir haben großes Interesse daran, dass die Ausfälle bei etwaigen Steuersenkungen verteilt werden", sagte Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider am Donnerstag in Berlin. Nicht, dass mehr als die Hälfte der Ausfälle von Ländern und Gemeinden getragen werden müsse, warnte er. "Der Soli muss eine tragende Rolle bei Steuersenkungen übernehmen". Damit zeichnet sich ein neuer Konflikt zwischen Bund und Ländern ab. Unterstützung kommt vom Bund der Steuerzahler, die seit Jahren fordern, den Soli abzuschaffen. Sie sind der Ansicht, dass die Steuer "rechtlich auf tönernen Füßen steht". Sie unterstützen eine seit 2008 laufende Klage eines Steuerzahlers aus Niedersachsen. Sie liegt inzwischen beim Bundesverfassungsgericht. Seit dem überraschenden Urteil der Verfassungsrichter zur Atomsteuer dürfte der Druck gestiegen sein, den Soli abzuschaffen. Die Richter hatten die Atom-Steuer als zweckfremd gekippt und den Bund zur Rückzahlung der Einnahmen von fast acht Milliarden Euro verdonnert. Ähnliches könnte passieren, wenn der Bund den Soli weiter erhebt, obwohl die Grundlage entfallen ist.

Die SPD legte am Donnerstag Beispielrechnungen über die Auswirkungen ihres Konzeptes vor. Danach würde eine alleinerziehende Mutter eines zweijährigen Kindes aus Dresden, die Teilzeit im Einzelhandel arbeitet und jährlich 20 400 Euro Brutto verdient, die Kita-Gebühren von 1550 Euro einsparen und steuerlich um 260 Euro jährlich entlastet. Ein nichtverheiratetes, voll berufstätiges Paar in Köln mit zwei kleinen Kindern und Jahreseinkommen von 32 400 Euro und 34 800 Euro würde um 4660 Euro jährlich entlastet.

Das SPD-Konzept sieht neben steuerlichen Veränderungen auch Entlastungen bei den Sozialabgaben für Geringstverdiener, die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung, Familienzulagen und die Abschaffung der Kita-Gebühren vor.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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