Wenn es um die private Altersvorsorge geht, ist der Staat besonders großzügig - vor allem bei der Riester-Rente. Seit 2002 hat er mehr als zwölf Milliarden Euro als direkte Zulagen an Riester-Sparer ausgeschüttet. Obendrauf kommen Steuervorteile. Doch dieses Geschenk lassen sich Millionen Deutsche ganz oder teilweise entgehen - dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Sie enthält neue Zahlen. Und sie enthält einigen politischen Sprengstoff.
Es geht bei den Zulagen für jeden Riester-Sparer im Laufe seines Erwerbslebens um mehrere Tausend Euro, bei jenen mit Kindern sogar um fünfstellige Beträge. Immerhin hat jeder, der "riestert", wie das so schön heißt, Anspruch auf 154 Euro Grundzulage im Jahr plus 185 Euro je Kind. Für Kinder, die von 2008 an auf die Welt kamen, sind es sogar jeweils 300 Euro jährlich. Die volle Förderung erhält jedoch nur, wer vier Prozent seines sozialversicherungspflichtigen Vorjahreseinkommens investiert - abzüglich der Zulagen vom Staat. Wer weniger einzahlt, erhält auch entsprechend weniger Zuschüsse.
Zwei Jahre können sich Riester-Sparer Zeit lassen, die Zulagen zu beantragen. Wer sich das Geld für 2010 noch nicht geholt hat, muss sich also bis Jahresende beeilen. In ihrer Antwort hat die Regierung nun die Zahlen für 2009 vorgelegt. Danach wurden in diesem Beitragsjahr mehr als 9,6 Millionen geförderte Personen gezählt - bei damals 13,25 Millionen Verträgen. Gut drei Millionen Sparer haben die Zulage für 2009 also gar nicht beantragt. Von denjenigen, die dies schafften, erhielten wiederum nur 5,4 Millionen, also etwas mehr als die Hälfte, die volle Zulage. Der Rest schöpfte die Förderung nicht aus. Fast jeder Fünfte (knapp 1,7 Millionen) kassierte nicht mal 50 Prozent des Zuschusses.
Sozialpolitische Leerstelle
Etwas besser sind die Zahlen bei den 3,7 Millionen Sparern mit Kinderzulage: Von diesen ließen sich 2,6 Millionen den vollen Zuschuss nicht entgehen. Doch gut 400.000 bekamen weniger als 50 Prozent der Zulage. Außerdem gibt die Bundesregierung an, dass 2010 bereits 18,5 Prozent der Verträge ruhten. Der Anteil derjenigen, die keine Beiträge mehr überweisen, ist somit weiter gestiegen. Vor einem Jahr betrug die Quote noch 15 Prozent.
Die neuen Fakten weisen auf eine sozialpolitische Leerstelle. Die im Jahr 2002 eingeführte Riester-Rente sollte dafür sorgen, dass die Versorgungslücke durch die Senkung des Rentenniveaus - von über 50 auf 43 Prozent eines durchschnittlichen Nettolohns im Jahr 2030 - ausgeglichen wird. Dies klappt jedoch nur, wenn die Riester-Verträge genug Rendite für die Leute abwerfen und die Sparer die volle Förderung einsacken. Deshalb zweifelt der Sozialbeirat der Bundesregierung am System - nicht nur weil die meisten Geringverdiener überhaupt nicht vorsorgen.
So kalkuliert die Regierung bei der Riester-Rente mit vier Prozent Zins jährlich sowie Abschluss- und Verwaltungskosten in Höhe von zehn Prozent der Beiträge. Die Experten im Sozialbeirat merken an: "Dies sind aber Annahmen, die in einer Reihe von Fällen in der Realität nicht so verwirklicht werden können, weil entweder die Kosten höher liegen oder die Verzinsung von vier Prozent unterschritten wird."
Mit der Komplexität überfordert
Für Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sind die aktuellen Riester-Zahlen "nicht verwunderlich". Die Verbraucher seien mit der Komplexität der Riester-Rente überfordert. Und die meisten hätten kein Interesse daran, sich immer wieder mit Altersvorsorge zu beschäftigen. Hinzu komme, dass es den Vermittlern vor allem um die Provision bei Abschluss des Vertrags gehe. Den Kunden Jahr für Jahr bei der Nutzung der Riester-Rente zu beraten, sei nicht lukrativ. Nauhauser glaubt, durch das geplante "Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz" ändere sich nichts: "Die Probleme sind systembedingt."
Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hält es für "bedauerlich, aber vermeidbar", dass viele Riester-Sparer die Förderung nicht voll ausschöpfen. "Wir empfehlen jedem dringend, gleich zu Beginn des Vertrages einen Dauerzulagenantrag zu stellen", sagt ein Sprecher. Man müsse allerdings die Angaben von Zeit zu Zeit prüfen und maßgebliche Veränderungen seiner Versicherung schnell mitteilen. "Ändert sich die persönliche Lebenssituation, weil man zum Beispiel heiratet, sich scheiden lässt oder ein Kind bekommt, können sich auch Zulagenansprüche ändern.
Die Linken-Abgeordnete Yvonne Ploetz sagt: "Die Bundesregierung dokumentiert mit der Antwort auf meine Anfrage selbst, dass ihre Pläne zur Vermeidung von Altersarmut nur heiße Luft sind."