Sparen:Bloß kein Bank-Run

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Eine gemeinsame Einlagensicherung könnte die Finanzmärkte zugunsten der Sparer sicherer machen. Warum ist die Aufregung darüber gerade in Deutschland so groß?

Von Meike Schreiber, Jan Willmroth und Markus Zydra, Frankfurt

Kaum ein Thema erregt die Gemüter von Bankmanagern, Finanzpolitikern und Sparern derzeit so sehr wie die europäische Einlagensicherung (Edis). Und niemand sperrt sich auf europäischer Ebene so vehement gegen diese Idee wie Deutschland. Bislang hat es das Thema noch nicht über die Ebene der EU-Finanzminister hinaus geschafft. Und mehr als die Absicht, von Herbst an über einen Zeitplan für Gespräche zu sprechen, gibt es noch nicht. Dafür kursieren jede Menge Vorurteile, fragwürdige Argumente und Warnungen vor den Folgen einer gemeinsamen Einlagensicherung in der EU. Höchste Zeit, für mehr Klarheit zu sorgen.

In Frankfurt haben große deutsche Banken ihre Zentralen. (Foto: imago/Jan Huebner)

Warum ist die Einlagensicherung als Teil der Bankenunion wichtig?

Die Finanzkrise hat gezeigt, wie gefährlich die Schicksalsgemeinschaft zwischen Banken und Staaten ist. In Deutschland konnte 2008 ein Ansturm der Bürger auf ihre Spareinlagen erst gestoppt werden, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück versprachen, die Spareinlagen seien sicher. Einen Rechtsanspruch gab es nicht, das Versprechen aber wirkte schon allein deshalb, weil die Bundesrepublik dies theoretisch hätte erfüllen können. Anders in finanzschwachen Ländern wie Griechenland oder Zypern: Dort verloren die Bürger immer wieder Vertrauen in das Bankensystem und zogen Geld ab. Das wiederum führte die Banken an den Rand des Abgrunds, zog staatliche Rettungen nach sich und verschärfte die Staatsschuldenkrise, für die schließlich alle Europäer aufkommen mussten. Die Bankenunion mit gemeinsamer Aufsicht, Regeln für eine Bankenabwicklung und einer Einlagensicherung soll den Nexus Staat/Bank brechen: Die Risiken des Finanzsystems werden auf den Bankensektor verlagert, der die Versicherung bezahlt. Erst im schlimmsten Fall müsste der Staat einspringen. Die gemeinsame Einlagensicherung soll Bank-Runs verhindern, vor allem in Staaten mit schwacher Finanzkraft. Die seit 2015 gesetzlich vorgeschriebenen nationalen Töpfe zur Einlagensicherung reichen nach Meinung der Edis-Befürworter nicht aus. Ein weiteres Argument: Banken könnten dank europäischer Einlagensicherung ihre Spareinlagen europaweit als Kredite ausreichen. Bislang sind etwa deutschen Banken Grenzen gesetzt, ihre hohen Einlagenbestände für Kredite in Italien oder Spanien zu verwenden - obwohl sie dort dringend gebraucht werden.

Gefährdet der Plan die Sparer?

Sparkassen und Volksbanken erwecken bewusst den Eindruck, dass die Bürger bei Edis mit ihren Sparguthaben für Sparer andere Länder haften. Das ist nicht der Fall. Vielmehr zahlen die Banken für die Einlagensicherung eine Versicherungsprämie und zwar aus ihren erwirtschafteten Erträgen. Edis betrifft Sparer in Deutschland daher allenfalls indirekt, etwa wenn Banken diese Prämie mit höheren Gebühren finanzieren. Oder wenn sämtliche Töpfe leer wären und zugleich der deutsche Staat pleiteginge, so dass er die Bürger bei einem Bankrun nicht mehr entschädigen könnte.

Wer würde am meisten profitieren?

Am Ende sollten alle Bürger in der EU von der Einlagensicherung profitieren, weil die Gefahr von Finanz- und Schuldenkrisen sinkt. Den größten Nutzen, in Form von mehr Sicherheit, hätten zunächst Sparer in finanzschwachen Staaten.

Was sind die Gegenargumente?

Erstens: Die EU hat in ihrer Geschichte immer wieder zugelassen, dass Regeln gebrochen oder arg gedehnt wurden. Das gilt auch für die Bankenunion. Eigentlich gibt es klare Vorschriften, wann finanzschwache Banken abgewickelt werden sollen. Doch die vergangenen Jahre zeigten: Es wurden immer wieder Schlupflöcher genutzt, das zu vermeiden. Die Furcht ist daher: Selbst wenn sich die Euro-Zone auf strenge Regeln für die Einlagensicherung einigt - werden diese im Ernstfall befolgt? Zweitens: Der italienische Bankensektor sitzt auf faulen Krediten im Wert von 220 Milliarden Euro. Pleiten sind nicht auszuschließen. Doch warum sollte Rest-Europa für die faulen Kredite aus der Vergangenheit haften? Drittens: Europas Banken geben ihren Heimatstaaten häufig Kredit. Sollte der Staat in Finanznöte kommen, haben auch die Banken sofort ein Problem. Der Europäische Einlagensicherungsfonds könnte missbraucht werden, als Rettungsanker einer riskanten Staatsfinanzierung durch die Banken.

Reicht das Geld für eine Bankenkrise?

Die EZB kommt in einer aktuellen Studie zu folgendem Ergebnis: "Ein gefüllter europäischer Einlagensicherungsfonds würde in einer schweren Krise reichen, um Sparer auszubezahlen - sogar wenn es schlimmer käme als in der globalen Finanzkrise 2007 bis 2009." Diese Einschätzung basiert auf vielen Annahmen. Fest steht, dass eine Pleitewelle von Großbanken in Frankreich und Deutschland den Sicherungsfonds sprengen würde. Der Euro-Rettungsschirm ESM und womöglich die Regierungen müssten einspringen. Bislang haben Europas Banken 42 Milliarden Euro angespart. Gemessen daran, dass die Fonds in der Regel 0,8 Prozent der geschützten Spareinlagen vorhalten sollen, fehlen nach jetzigem Stand noch etwa 30 Milliarden Euro. Die EU hat den Banken bis 2024 Zeit gegeben, die Fonds zu füllen. Aber letztlich sind das auch nur 800 Euro pro Sparer - von insgesamt 100 000 Euro, die versichert sind.

Ist Deutschland so viel besser?

Die politische Debatte in Deutschland über die europäische Einlagensicherung ist unsachlich. Natürlich gibt es Gegenargumente, doch häufig wird so getan, als ob das "vortreffliche" deutsche Bankensystem dazu missbraucht werden sollte, die unfähigen Banker in Südeuropa zu stützen. "Der deutsche Bankensektor musste in der Finanzkrise mit viel Steuergeld gerettet werden", sagt die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. "Dass deutsche Banken sicherer sind als Banken in anderen EU-Staaten, ist ein Mythos." Darüber hinaus ist die gesetzlich vorgeschriebene deutsche Einlagensicherung derzeit noch unterfinanziert. Von den bislang vorgeschriebenen 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen sind nach neuesten Zahlen der Europäischen Bankenaufsicht EBA bislang nur 0,4 Prozent erreicht. Wie viel zudem in der häufig gelobten freiwilligen Einlagensicherung liegt, dazu schweigen sich die Bankenverbände traditionell aus.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Eine direkte europäische Versicherung als Ersatz für die nationalen Sicherungstöpfe brächte zu viele Umverteilungsrisiken mit sich. Isabel Schnabel und ihr französischer Kollege Nicolas Véron schlagen deshalb erstens risikoabhängige Prämien vor. Je höher die Risiken im Bankensystem eines Landes, desto höher sollten dessen Beiträge zur Einlagensicherung ausfallen. Zweitens: Geraten in einem Land eine oder mehrere Banken in Schieflage, "haften immer zuerst die nationalen Banken füreinander", sagt Schnabel. Erst wenn der nationale Sicherungstopf nicht mehr ausreicht, kommt der EU-weite Einlagenschutz ins Spiel. Den meisten Krisen wäre dann mit nationalen Töpfen vorgebeugt; Sparer in anderen Ländern und Steuergelder blieben außen vor. So ließen sich auf Nationalstaaten beschränkte Schocks weiter über das jeweilige Bankensystem abfedern. Wichtigste Voraussetzung aber laut Schnabel: Die Regulierung von Staatsanleihen in den Bankbilanzen müsste zuerst verschärft werden.

Was sind die nächsten Schritte?

Kaum jemand scheint bereit zu sein, politisches Kapital für einen Kompromiss zu investieren. Von September an sollen die EU-Finanzminister zunächst einen Plan für Verhandlungen erarbeiten. Zwar liegen vernünftige Vorschläge auf dem Tisch, aber bis es zu einer Einigung kommt, dürften noch viele Jahre vergehen. Die nächste Finanzkrise könnte dann längst ausgebrochen sein.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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