Spanien:Tod eines Bankers

Lesezeit: 2 min

Die Korruptionsaffäre erreicht einen tragischen Höhepunkt. Ein früherer Direktor der Caja Madrid ist tot aufgefunden worden. Er galt als Strippenzieher der Finanzwelt. Der Skandal wird juristisch aufgearbeitet.

Von Thomas Urban, Madrid

Die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft war dürr: "Die Untersuchung hat ergeben, dass Miguel Blesa sich mit seinem eigenen Jagdgewehr erschossen hat." Nach den ersten Nachrichten über seinen Tod, wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag, hatte ein Teil der spanischen Medien am Vorabend darüber spekuliert, "ob Blesa nicht sterben musste, weil er zuviel wusste". Ein Jahrzehnt lang, während des großen Booms, den das Platzen einer Immobilienblase 2008 beendete, hatte der Direktor der Caja Madrid als der große Strippenzieher in der spanischen Finanzwelt gegolten. Die Regenbogenpresse berichtete regelmäßig über die von ihm ausgerichteten großen Feste für die Madrider Hautevolee. Er galt als enger Freund des konservativen Regierungschefs José Maria Aznar (1996 bis 2004), auch im Königspalast war er regelmäßig zu Gast.

Doch am Ende seines Lebens stand er als Verurteilter und Geächteter da, wegen Untreue war er im März zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Zwar hatten seine Anwälte das Urteil angefochten, doch sahen Rechtsexperten kaum Chancen, dass er um die Haft herumkomme. Blesa war in den vergangenen Monaten stark gealtert; er beklagte sich wiederholt, er sei zum Sündenbock gemacht worden, dabei habe er nichts anderes getan, als viele andere Bankdirektoren.

Damit hatte er zweifellos recht: Er war keine Ausnahme in der von zahlreichen Korruptionsfällen erschütterten Branche. Ursprünglich war Blesa Beamter der staatlichen Finanzverwaltung gewesen. Als Gefolgsmann der konservativen Volkspartei (PP) wurde er zum Direktor der größten regionalen Sparkasse des Landes berufen, der Caja Madrid. Wie viele andere spanische Bankdirektoren wollte auch er während des Booms international mitmischen. Zunächst kaufte er im neuen Madrider Bankenviertel einen Wolkenkratzer, wie sich später herausstellte, zu einem völlig überhöhten Preis.

Anschließend übernahm er die City National Bank of Florida. Dass diese am Rande der Pleite stand, Blesa also deren Bücher nicht hatte gründlich prüfen lassen, wurde ebenfalls erst später bei der großen Bankenkrise deutlich. Mit fünf anderen Sparkassen wurde die von ihm an den Rand der Pleite geführte Caja Madrid 2011 verstaatlicht, sie gingen in der Bankia-Gruppe auf.

Die Geldhäuser haben massenhaft die Grundsätze der Bonitätsprüfung missachtet

Es wurde offensichtlich, dass während des Immobilienbooms ein Großteil der spanischen Bankiers die Ansicht vertrat, das Wachstum werde ewig währen. Allerdings beruhte der Boom auf Pump. Doch ignorierte die Branche nicht nur alle Warnungen vor einer Überhitzung der Konjunktur, sondern trug im Gegenteil mit aggressiven Werbekampagnen erheblich zum Entstehen der großen Blase bei. Bei der Kreditvergabe wurden Grundsätze der Bonitätsprüfung massenhaft in grob fahrlässiger Weise missachtet.

In den vergangenen Jahren wurde Blesa vorgeworfen, zu einem korrupten Netzwerk aus Politikern der PP, Bankiers und Geschäftsleuten zu gehören, die von der EU mitfinanzierte große Infrastrukturprojekte zu überhöhten Preisen abrechneten. Derzeit laufen mehrere Prozesse um das Netzwerk, dem ein sprachkundiger Untersuchungsrichter das deutsche Wort "Gürtel" als Code gegeben hat - es handelt sich um die Übersetzung des Familiennamens des Hauptbeschuldigten, des Geschäftsmanns Francisco Correa.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass die wichtigsten Figuren des Netzwerks im September 2002 im Königsschloss El Escorial bei Madrid zusammengekommen waren. Es handelte sich pikanterweise um die Hochzeit der damals 20-jährigen Tochter des Premierministers Aznar, zu der auch das Königspaar sowie die damaligen Regierungschefs von Italien und Großbritannien, Silvio Berlusconi und Tony Blair, erschienen. Auch Blesa war unter den Gästen der Feier, die den Steuerzahler nach Medienberichten eine siebenstellige Summe gekostet hat - auch wegen des Einsatzes Tausender Polizisten. Diese private Sause gab sehr gut das Staatsverständnis der damaligen politischen Elite um Aznar wieder. Blesa verhielt sich als Caja-Chef ähnlich: Er ließ an mehrere Dutzend Politiker und Spitzenbeamte Kreditkarten "zur privaten Nutzung" ausgeben. Die Kosten wurden als "Computerfehler" verbucht - und auf die Kunden abgewälzt.

Wegen dieser "schwarzen Kreditkarten" wurde Blesa, eine der Schlüsselfiguren der Bankenkrise, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die spanische Presse spekuliert, dass Blesa nun manches Geheimnis mit ins Grab genommen hat.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: