Soziale Netzwerke:Die beste Werbung

A woman takes a selfie outside Madrid's Royal Palace

Ob zu Hause, am Firmensitz oder im Ausland wie etwa hier in Madrid – bei manchen Firmen sind die Mitarbeiter angehalten, Selfies für die Unternehmenswebsite zu machen.

(Foto: Juan Medina/Reuters)

Viele Mittelständler tun sich mit sozialen Medien schwer. Dass es auch anders geht, zeigen diese vier Unternehmen.

Von Moritz Schnorpfeil

Es könnte so einfach sein. Mehrere Stunden am Tag verbringen die meisten auf Portalen wie Facebook, Linkedin und Co. Als Nutzer macht man seine private Kommunikation öffentlich, und jeder, dessen Posts nur interessant genug sind, kann daran teilhaben. Unternehmen müssen ihre Botschaften nicht mehr in aufdringlichen E-Mails oder teuren Plakataktionen an den Konsumenten bringen. Stattdessen können sie ihn direkt in seinem digitalen Wohnzimmer besuchen - im Newsfeed eingerahmt vom neuesten Foto einer Bekannten und dem Video des Lieblingspromis. Schöne neue Marketingwelt.

Doch insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen tun sich noch immer schwer mit der neuen Marketingwelt. Zwar nutzen laut einer Studie des Digitalverbandes Bitkom aus dem Kreise der Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitenden immerhin 72 Prozent bereits Social Media. Das sind 25 Prozent mehr als noch 2012. Doch vielen von ihnen mangelt es an einer wohlüberlegten Strategie für die neuen Medien.

"Kleine und mittelständische Unternehmen haben natürlich nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung. Und wenn es für die Koordinierung der Aktivitäten keine eigens dafür Verantwortlichen gibt, dann läuft Social Media eher 'nebenher'", sagt Christopher Meinecke, Leiter für Digitale Transformation beim Bitkom. So haben kleinere Firmen im Vergleich zu Großunternehmen seltener interne Richtlinien für den Einsatz sozialer Medien und betreiben oft kein Monitoring ihres Erfolges. Social-Media-Marketing ist im Mittelstand also häufig mittelmäßig? Diese Unternehmen zeigen, dass es auch anders geht.

Kunden finden

"Wir produzieren erklärungsbedürftige Investitionsgüter", entschließt sich Kommunikationschef Otmar Reichmeyer für die Kurzfassung dessen, was auch eine zehnminütige Einführung in die Welt der Schaltungstransformatoren hätte werden können. Als Industrieunternehmen mit einem Produkt, das sich nicht unbedingt stilvoll inszenieren lässt, scheint Maschinenfabrik Reinhausen nicht wirklich prädestiniert für Social-Media-Marketing. Dennoch folgen dem Mittelständler aus Regensburg auf der Karriereplattform Linkedin mittlerweile 6000 Nutzer, auf Facebook sind es gar 82 000.

Das Erfolgsgeheimnis sei dabei ganz einfach gewesen: "Wir haben geschaut, wo unsere Kunden unterwegs sind, worüber sie sprechen, und uns dann mit relevanten Inhalten eingeklinkt", sagt Reichmeyer. Heute hat Maschinenfabrik Reinhausen eine Social-Media-Jahresplanung und eine wöchentliche Redaktionskonferenz. Zwei Mitarbeiter kümmern sich in Vollzeit um Website und Social Media, drei Redakteure arbeiten am Inhaltlichen.

Vor allem Linkedin habe sich als nützlicher Kanal zur Kommunikation mit den Geschäftskunden herausgestellt. Hier bewirbt der Mittelständler Produkteinführungen, postet Erklärungsvideos und kündigt Messeauftritte an. Spannend sei vor allem, dass sich Marketing auf Netzwerken wie Linkedin vom Monolog zum Dialog gewandelt habe. "Dadurch kann ich Kampagnenerfolg wirklich messbar machen. Ich sehe genau, wie viele Kontakte ich generiere und wie viele Kommentare ich erhalte."

Und dann gelingt es einem scheinbar langweiligen Maschinenbauer gelegentlich sogar, Aufsehen zu erregen. Anlässlich des 90-Jahre-Jubiläums des Stufenschalters hatte Maschinenfabrik Reinhausen seine Kunden zur Suche nach dem ältesten noch aktiven Stufenschalter aufgefordert. Die maßgeblich über Linkedin vorangetriebene Kampagne generierte Antworten und Kommentare aus aller Welt. Schließlich habe ein Kunde stolz über einen 65 Jahre alten Stufenschalter in seinem Betrieb berichtet. Und Maschinenfabrik Reinhausen konnte neben internationaler Aufmerksamkeit in Fachkreisen sogar zwei konkrete Wartungsaufträge verbuchen.

Appetit machen

"Mir war immer klar, dass ich hier in der Pampa stecke", erzählt Unternehmerin Jutta Zeisset. "Ich musste deshalb schauen, dass die Leute irgendwie von meinem Betrieb erfahren, damit sie dann auch zu uns rausfahren." Zeisset und ihr 30-köpfiges Team betreiben ein mittlerweile florierendes Café mit Hofladen und Museum. Doch als die gelernte Gärtnerin den elterlichen Betrieb 2007 übernahm, erschien der Familienhof nicht grade wie eine Goldgrube. In der 2000-Einwohner-Gemeinde Weisweil nahe der französischen Grenze gelegen, war die Kundengewinnung eine besondere Herausforderung.

Bereits seit 2009, ein Jahr nach dem Start der deutschen Version von Facebook, ist Zeisset in den sozialen Medien unterwegs. Weil das Posten kostenlos und die Einstiegshürden niedrig waren, habe sie das neue Medium einfach mal ausprobieren wollen. "2012 habe ich dann begonnen, regelmäßiger und mit mehr Bildern zu posten. Ab dann ging es richtig los." Die Reichweite der Posts sei deutlich gestiegen, das Nutzerfeedback habe zugenommen und die Leute seien auch wirklich im Geschäft vorbeigekommen. Mittlerweile macht Zeisset keinerlei analoge Werbung mehr und bewirbt ihren Familienhof ausschließlich über Social Media. Flyeraktionen und Anzeigen in der Regionalzeitung gehören der Vergangenheit an. "Wenn ich jetzt poste, dass wir frischen Zwetschgenkuchen da haben, stehen keine zwei Stunden später die Leute im Café."

Heute hat der Familienhof mehr als 15 000 Likes auf Facebook, über den Nachrichtendienst Whatsapp können Kunden direkt einen Tisch reservieren, und auf der Fotoplattform Instagram postet Zeisset mehrmals pro Woche frische Backwaren. Auf die verschiedenen Kanäle angesprochen, hat die Unternehmerin ein genaues Bild davon, über welches Medium mit welcher Tonlage sie welche Zielgruppe erreicht. Und sie überprüft dieses Bild regelmäßig mithilfe mehrerer Monitoring-Tools. Aus dem spontanen Social-Media-Einstieg mitten in der Provinz ist ein professionelles Online-Marketing geworden, das Kunden aus der gesamten Region anspricht.

Authentisch bleiben

Geschichtenerzählen war von Anfang an eine Kernaktivität des Berliner Start-ups Einhorn-Kondome. Der Kondommarkt in Deutschland wird seit Jahren von Billy Boy, Ritex und Durex beherrscht. Um sich als neuer Anbieter durchzusetzen, wollte Einhorn seinen Kunden deshalb eine ganz neue Geschichte vermitteln: über Kondome, über sich selbst und über ihre Art des Wirtschaftens. In aufwendig designten Plastiktüten verpackt sollten Kondome nicht mehr peinlicher Hygieneartikel, sondern cooles Lifestyleprodukt sein. Als junge, verantwortungsvolle Gründer wollten die Einhorn-Unternehmer zudem komplett vegane Kondome herstellen und die Arbeitsbedingungen auf den malaysischen Kautschukplantagen der Zulieferer fairer machen. Die Kunden hat es überzeugt. Das erst 2015 in einer Crowdfunding-Kampagne gestartete Unternehmen beschäftigt mittlerweile 20 Mitarbeiter, ist mit seinen Kondomen in 4000 Geschäften gelistet und betreibt seinen eigenen Onlineshop.

"Wir machen eigentlich gar kein Marketing - zumindest nicht im klassischen Sinn", sagt Waldemar Zeiler, Gründer von Einhorn. "Wir haben keine Marketingabteilung und keinen strikten Social-Media-Plan." Stattdessen habe jedes Teammitglied Zugang zu allen Social-Media-Accounts. "Bei uns ist jeder ermuntert, einfach die Kamera draufzuhalten, wenn er unterwegs ist und etwas Interessantes passiert." Die meisten Posts entstehen ganz spontan. Statt professionellen Firmenaufnahmen setzt das Start-up auf Authentisches, Persönliches und vor allem: Unterhaltung. "Anfangs dachten wir, es ginge viel um die Sicherheit unserer Produkte", sagt Zeiler. Dann habe sich jedoch herausgestellt, dass Humor und Staunen viel besser ankomme. "Du musst das Herz knacken, um in den Kopf zu gelangen." Heute ist der überwiegende Großteil des Einhorn-Posts Unterhaltung, nur selten stehen Informationen im Zentrum.

Eine solche Kultur des uneingeschränkten Postens ist natürlich nicht ganz ohne Risiko. Shitstorms können sich im Netz schnell zu einer Reputationskrise ausweiten. Das weiß auch Einhorn. Doch auch hier sei das Wichtigste, als Unternehmen ehrlich und nahbar zu bleiben, so Zeiler. "Vor einiger Zeit haben wir in Malaysia gefilmt, wie Plantagenmitarbeiter ausgezeichnet wurden, die nie wegen Krankheit gefehlt haben." Viele Nutzer hätten sich daraufhin beschwert, dass das nicht zu Einhorns Bekenntnis für faire Arbeitsbedingungen passe. "Wir haben dann gesagt: 'Stimmt, wir sprechen mal mit unseren Zulieferern.'" Und auch davon habe Einhorn der Netzgemeinschaft dann ganz unmittelbar berichtet.

Bewusst verzichten

Egal ob durchstrukturierte Postingpläne oder gelebte Spontanität - Zeisset, Maschinenfabrik Reinhausen und Einhorn sind auf ganz eigene Weise erfolgreich in den neuen Medien. Denn bei allen Unterschieden haben die drei Unternehmen doch eine Gemeinsamkeit: Sie alle haben eine klare Social-Media-Strategie. Statt soziale Medien "nebenher" laufen zu lassen, gehen sie bewusst und strategisch mit dem Thema um.

Am Ende der strategischen Auseinandersetzung mit Marketing in sozialen Medien kann dann sogar der bewusste Verzicht auf ihre Verwendung stehen. So macht das zum Beispiel die Münchner Brauerei Augustiner Bräu. Das Traditionsunternehmen macht keinerlei Werbung und betreibt keine Social-Media-Profile. Kommunikationsberater Rüdiger Ruoss sagt hierzu, dass Augustiner sich mit den Jahren einen Kultstatus geschaffen habe. Werbekampagnen und Social Media würden einer solchen Kultmarke nur schaden. Der Verzicht auf Werbung ist in diesem Fall also vielleicht die beste Werbung.

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