Soziale Berufe:Mehr Geld in der Altenpflege

Lesezeit: 3 min

Die Beschäftigten in der Altenpflege waren in der Pandemie besonderen Belastungen ausgesetzt. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Pflegekräfte sollen deutlich mehr Lohn und bis zu neun Tage mehr Jahresurlaub bekommen. Damit soll der Beruf nach dem Willen der Regierung attraktiver werden, trotz der Belastungen durch die Pandemie.

Von Roland Preuß, Berlin

Mitten in der Debatte über einen möglichen verschärften Mangel an Pflegekräften hat die Bundesregierung angekündigt, dass die Arbeitsbedingungen in der Branche deutlich verbessert werden sollen. Die Mindestlöhne für Beschäftigte in der Altenpflege in Deutschland sollen vom 1. September an schrittweise spürbar steigen, teilten das Bundesarbeitsministerium und das Bundesgesundheitsministerium am Dienstag mit. Der Anstieg geht auf eine Empfehlung der Pflegekommission zurück, sie habe sich einstimmig auf die Erhöhung geeinigt, hieß es.

"Pflege- und Betreuungskräfte sind fachlich hochkompetent - das muss sich auch in der Bezahlung ausdrücken", erklärte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Hierfür sei ein deutlich höherer Pflegemindestlohn zentral. "Nur wenn in der Pflege Tarif und mehr die Regel ist, wird der Beruf attraktiv bleiben. Dafür werden wir sorgen", sagte Lauterbach. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach von wichtigen Schritten, "um die Arbeitsbedingungen spürbar zu verbessern". Die Pandemie und ihre Folgen hätten gezeigt, "dass unsere Gesellschaft ohne Pflegekräfte nicht funktioniert". Heil will nun per Verordnung die Empfehlungen verbindlich machen.

Demnach sollen die Mindestlöhne für Hilfskräfte bis Ende 2023 schrittweise von derzeit zwölf auf 14,15 Euro steigen, für qualifizierte Hilfskräfte von 12,50 auf 15,25 Euro und für Pflegefachkräfte von 15 Euro auf 18,25 Euro. Etwa 1,2 Millionen Beschäftigte in Deutschland arbeiten in Einrichtungen, in denen der Pflegemindestlohn gilt. Nicht betroffen sind Pflegekräfte in privaten Haushalten, dort gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von derzeit 9,82 Euro pro Stunde. Die Bundesregierung plant jedoch eine Anhebung auch des allgemeinen Mindestlohns zum 1. Oktober auf zwölf Euro.

Zudem sollen die Pflegekräfte mehr Urlaub erhalten über den gesetzlichen Anspruch hinaus. Bei Beschäftigten mit einer 5-Tage-Woche sollen es für das Jahr 2022 sieben Tage zusätzlich sein, für die Jahre 2023 und 2024 jeweils neun Tage. Die Beschäftigten in der Altenpflege waren in der Pandemie besonderen Belastungen ausgesetzt, sie mussten beispielsweise in Schutzkleidung arbeiten, viele Bewohner von Altenheimen starben, Kolleginnen und Kollegen fielen durch Corona-Infektionen aus. Die extra Urlaubstage sollen nun einen gewissen Ausgleich schaffen.

Laut Cornelia Prüfer-Storcks, Beauftragte des Arbeitsministeriums für die Pflegekommission, ist die Anhebung der Mindestlöhne die bislang stärkste Steigerung für Pflegekräfte. Vergangenes Jahr hatte die Zahl der Beschäftigten in der Pflege zwischenzeitlich um mehrere tausend abgenommen, hierfür hatten Fachleute und Interessenvertreter vor allem die starke Belastung im Beruf verantwortlich gemacht.

Nach den jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist die Zahl der Beschäftigten in der Pflege danach allerdings wieder deutlich angestiegen. Seit dem Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 bis zum Sommer 2021 in der Krankenpflege um etwa 40 000, in der Altenpflege um etwa 10 000 Beschäftigte. Der Personalmangel in der Pflege ist dennoch ein Dauerthema, weil die Zahl der Pflegebedürftigen stark gestiegen ist und weiter steigen dürfte. Verschärfen könnte sich die Lage durch die Mitte März anstehende Impfpflicht, die auch in Pflegeeinrichtungen gilt. Sie könnte dazu führen, dass Ungeimpfte nicht mehr arbeiten dürfen oder selbst kündigen.

Für die Mehrausgaben werden laut Arbeitgeberverband vor allem die Angehörigen aufkommen müssen

Die Pflegekommission besteht aus acht Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Branche. Vertreten sind auch die Kirchen, die ein eigenes Tarifsystem haben. Die Beschlüsse der Kommission müssen von der Bundesregierung per Verordnung umgesetzt werden. Aus Sicht der Arbeitgeber im Deutschen Caritasverband zeigt die Einigung, dass das System der Pflegekommission auch unter Zeitdruck gut funktioniert. Die Pflegekommission war erst im vergangenen Dezember auf Betreiben von Arbeitsminister Heil neu berufen worden, nachdem vergangenen Februar ein bundesweit gültiger Tarifvertrag in der Altenpflege am Widerstand des Caritasverbandes gescheitert war.

Auch der evangelische Sozialverband Diakonie lobte die Empfehlungen. Die für Sozialpolitik zuständige Vorständin Maria Loheide sagte, es sei allerdings zwingend erforderlich, auch die Personalausstattung zu verbessern. Der Arbeitgeberverband Pflege wies darauf hin, dass die Anhebung der Mindestlöhne nicht durch die Pflegeversicherung gedeckt sei. "Wegen der zusätzlichen Kosten werden Pflege-Unternehmen weniger investieren können, und am Ende sind es vor allem die Pflegebedürftigen und ihre Familien, die über höhere Eigenanteile für die Mehrausgaben aufkommen müssen", erklärte Präsident Thomas Greiner.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: