Smartphones:"Okay Google"

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Das neue Smartphone Pixel des Internetkonzerns kann es nicht nur beim Preis mit den Konkurrenten aufnehmen.Klar ist auch: Software ist hier wichtiger als Hardware. Mit dem Gerät kann man sich fast schon unterhalten.

Das Smartphone liegt stumm und schwarz auf dem Tisch, aber man kann mit ihm reden: "Okay, Google." Das Display leuchtet auf. "Wer bist du?" Eine freundliche Frauenstimme stellt sich als Google-Assistent vor. Was sie wohl alles kann? "Ich kann dir helfen, viele verschiedene Dinge zu tun." Eine tatsächlich recht lange Liste mit Sprachbefehlen und Aufgaben erscheint: E-Mails schreiben, Hotels buchen oder Restaurants finden - alles per Sprachsteuerung. Vielleicht ist Googles virtuelle Assistentin ja tatsächlich mehr als eine Spielerei? Die Probe aufs Exempel: "Okay, Google, kannst du das Google Pixel für mich testen?" "Ich habe das hier im Internet für dich gefunden." Statt des erwünschten Testberichts folgt ein Link auf einen Text von SZ.de über die Präsentation des Pixel Anfang Oktober.

Das zeigt zwei Dinge: Google versteht Fragen mittlerweile ziemlich gut. Und Google weiß genau, wer fragt. Es wäre schon großer Zufall, dass angesichts Tausender Berichte über das Pixel ausgerechnet ein Link zu SZ.de die erste Wahl ist. Als zentrale Erkenntnis bleibt: Wir leben im Jahr 2016, nicht im Jahr 2026, und die meiste Arbeit muss man immer noch selbst erledigen. Auffällig ist die optische Ähnlichkeit zum iPhone von Apple. Google versichert zwar, dass man sich große Mühe gegeben habe, das Smartphone optisch einzigartig zu machen, doch die Unterschiede sind eher marginal. Die Gehäuseform mit den abgerundeten Ecken und die breiten schwarzen Balken unter- und oberhalb des Displays erinnern an Apples Designsprache. iPhone-Fans dürften das spöttisch zur Kenntnis nehmen, doch schon Steve Job bekannte: "Wir haben gute Ideen schon immer schamlos geklaut." Aluminium und Glas des Pixel wirken hochwertig, die Verarbeitung des Testgeräts ist makellos. Im Gegensatz zu Apple verzichtet Google auf extravagante Farben und setzt auf bewährtes Silber und Mattschwarz.

Mit seinen nach hinten abgeflachten Kanten liegt das Pixel gut in der Hand. Das Modell mit 5-Zoll-AMOLED-Display lässt sich bequem einhändig bedienen, dafür bietet das Pixel XL nicht nur ein halbes Zoll mehr Bildschirmfläche, sondern hat auch eine höhere Auflösung.

Wie beim iPhone muss man sich also zwischen Portabilität und Lesekomfort entscheiden. Von Display, Abmessungen und Akkugröße abgesehen sind beide Pixel-Versionen identisch. Die exakte Akkulaufzeit hängt von der individuellen Nutzung ab. Wer das Smartphone nicht ständig aus der Tasche zieht, keine Videos anschaut und auf Spiele verzichtet, könnte zwei Tage ohne Aufladen hinkommen. Für einen Arbeitstag reicht die Kapazität aber auf jeden Fall. Prozessor und Arbeitsspeicher reichen für alle Alltagsaufgaben aus. Apps starten ohne Verzögerung, auch Spiele und hochauflösende Videos liefen im Test ruckelfrei. Während Hersteller wie Samsung, Huawei oder LG oft lange brauchen, bis sie Sicherheitsupdates und neue Android-Versionen verteilen, erhalten Google-Smartphones diese Aktualisierungen als erste. Diese Tradition setzt das Pixel fort: Es kommt mit der neuesten Android-Version 7.1 und wird noch mindestens zwei Jahre Updates erhalten.

Der Konzern hat 17 Jahre Erfahrung mit Suchanfragen - und das merkt man auch

Viele moderne Smartphones ersetzen mittlerweile Kompaktkameras, die Fotoqualität ist zu einem wichtigen Kriterium bei der Kaufentscheidung geworden. Das Pixel liefert hervorragende Bildqualität, und das nicht nur bei perfekt ausgeleuchteten Motiven, sondern auch bei schwierigen Lichtverhältnissen. Wo Mittelklasse-Smartphones oft rauschende Fotos produzieren, sehen die Bilder des Pixel auch in der Dämmerung noch brauchbar aus. Die Farben wirken natürlich, der automatische Weißabgleich funktioniert gut, und der Autofokus ist schnell und zuverlässig. Leider verzichtet Google auf optische Bildstabilisierung, verspricht aber, dass ein Algorithmus verwackelte Videoaufnahmen retten kann. In der Tat funktioniert diese elektronische Stabilisierung selbst in hoher Auflösung gut, auch unter schwierigen Bedingungen lassen sich weitestgehend wackelfreie Videos aufnehmen.

Die Kritikpunkte auf der Hardware-Seite bleiben marginal: Im Unterschied zu den neuesten Modellen von Apple und Samsung ist das Pixel nicht wasserdicht, sondern lediglich gegen Staub und Spritzwasser geschützt. Außerdem fehlen Stereo-Lautsprecher und ein SD-Kartenslot. Dafür bietet Google unbegrenzten und kostenlosen Cloud-Speicher für Fotos und Videos an. Die Funktion steht allen Nutzern zur Verfügung, während die Dateien dabei normalerweise komprimiert gespeichert werden, landen die Aufnahmen von Pixel-Besitzern in voller Auflösung auf Googles Servern. Das ist typisch für das Pixel: Software ist wichtiger als Hardware, die Google-Dienste stehen im Vordergrund, allen voran der Google Assistant. Mit Alexa, Cortana und Siri bieten auch Amazon, Microsoft und Apple virtuelle Assistentinnen an. Googles namenlose Helferin kann mehr. Sie erkennt komplexere Fragen, versteht den Zusammenhang zwischen mehreren unterschiedlichen Fragen und lernt dazu.

Google hat 17 Jahre Erfahrung mit Suchanfragen und viele Milliarden Webseiten indexiert, unter anderem Wikipedia, dementsprechend bekommt man auf fast jede Frage eine Antwort. Die Interaktion mit der smarten Assistentin fühlt sich nicht wie eine bloße Abfolge von Befehlen und Reaktionen an, sondern ähnelt teilweise einer menschlichen Unterhaltung. Richtig gut funktioniert das jedoch nur, wenn man bereit ist, dem Google Assistant umfassenden Zugriff auf alle privaten Daten zu geben. Um Kontakte anzurufen, muss das Telefonbuch ausgelesen werden, für Terminvorschläge ist der Zugriff auf den Kalender nötig, und wer am Morgen personalisierte Nachrichten hören will, muss seinen Suchverlauf offenlegen. Natürlich besitzt und analysiert Google diese Daten ohnehin, doch der Assistent zeigt, wie gut das Unternehmen seine Nutzer kennt.

So sehen die Google-Telefone (Mitte) aus: Die blaue Sonderedition war sofort ausverkauft. (Foto: REUTERS)

Die Daten dürften bei Google vergleichsweise gut aufgehoben sein. Im Gegensatz zu anderen IT-Konzernen ist dort in den letzten Jahren kein erfolgreicher Hacker-Angriff bekannt geworden. Google verkauft auch keine Informationen über einzelne Nutzer, sondern lässt sich von Unternehmen dafür bezahlen, Anzeigen an bestimmte Zielgruppen auszuspielen, ohne dass die Werbekunden dabei etwas über individuelle Nutzer erfahren. Apple dagegen verdient Milliarden mit Hardware und ist nicht auf Anzeigenkunden angewiesen. Wem Googles Geschäftsmodell suspekt ist, der sollte also ein iPhone kaufen - dann aber konsequenterweise auch gleich Facebook- und Whatsapp-Konto löschen.

Unabhängig von Datenschutz-Bedenken bleibt das Pixel eines der besten Smartphones. Aber die deutschen Preise entsprechen denen des neuen iPhones: 759 Euro für die 5-Zoll-Version mit 32 Gigabyte, 1009 Euro für das Pixel XL mit 128 Gigabyte. Eine selbstbewusste Strategie, die aufgehen könnte: Das Galaxy Note 7 hat eine Lücke im Smartphone-Markt gelassen, die eine Chance für andere Hersteller bietet. Der bekannte Analyst Ming-Chi Kuo rechnet damit, dass rund die Hälfte der zwölf Millionen Note-7-Käufer und -Vorbesteller zu Apple wechseln. Für den Rest sei das Pixel eine mögliche Option.

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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