Smart:Kleiner Chinese

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Der Elektro-Smart EQ fortwo sollte eigentlich im französischen Stammwerk in Hambach gebaut werden. Doch nun ist fraglich, ob es so kommt. (Foto: Daniel Roland/AFP)

Daimler und Geely gründen ein Joint-Venture. Die Kleinstwagen sollen bald aus China kommen und größer werden.

Von Leo Klimm und Stefan Mayr, Stuttgart

Der Bonsai-Benz, der nie richtig gedeihen wollte, wird jetzt nach Asien verpflanzt. Es ist wohl die letzte Chance des Kleinstwagens Smart, nach mehr als 20 Jahren im roten Bereich endlich in die schwarzen Zahlen zu kommen. Für den Neustart gründet der Daimler-Konzern zusammen mit dem chinesischen Autohersteller Geely ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen. Das soll die nächste Generation der Smart-Modelle in einer neuen, speziell dafür errichteten Fabrik in China bauen. Um den Absatz anzukurbeln, ist auch eine Vergrößerung des Fahrzeugs in das wachstumsstarke Kleinwagen-Segment geplant. Der Smart wird also in die Polo- und Corsa-Klasse vorstoßen.

Es ist das erste große Projekt, das der neue Daimler-Hauptaktionär, Geely-Eigner Li Shufu, zusammen mit dem Stuttgarter Konzern anpackt. Schon bei seinem überraschenden Kauf von 9,7 Prozent der Aktien vor einem Jahr hatte der Milliardär angekündigt, er wolle mit Daimler die Elektro-Mobilität vorantreiben. Das Management ging darauf zunächst kaum ein, sondern verwies auf seine langjährigen anderen chinesischen Partner. Bislang hatten Daimler und Geely lediglich ein eher kleines gemeinsames Projekt für Premium-Fahrtenvermittlung in China angekündigt. Doch jetzt kommt Li Shufu gerade Recht, um Smart zu stärken: Die Verkaufszahlen des Kleinstwagens waren 2018 von einem ohnehin enttäuschenden Niveau auf 128 000 Exemplare gesunken. Schon vor längerem hatte Daimler angekündigt, von 2020 an ausschließlich elektrisch betriebene Smarts zu verkaufen. Dennoch stand der kleinste Daimler-Wagen angesichts dreistelliger Millionen-Verluste pro Jahr vor dem Aus.

Jetzt kann Daimler die wertvolle Marke doch erhalten - mithilfe des Geely-Konzerns. "Wir hegen größten Respekt für Smart", sagt Li Shufu. "Die Synergien aus dieser Kooperation werden beiden Seiten zugutekommen." Die Arbeitsteilung ist schon klar: Daimler bringt die Marke und das Design ein, Geely kümmert sich um Entwicklung und Produktion. Vor allem letztere soll in China viel weniger Kosten als in den bisherigen Fabriken im französischen Hambach und im slowenischen Novo Mesto. Die Gemeinschaftsfirma soll noch 2019 gegründet werden. Der weltweite Vertrieb soll 2022 starten. In welcher Stadt der Smart künftig vom Band rollt, verrieten die Partner nicht. Auch zu den finanziellen Konditionen schweigen sie.

Leidtragende könnten auch die Zulieferer von Smart im Umkreis der Werke sein

Die Abwanderung von Smart nach China hat Folgen für europäische Standorte. Daimler-Chef Dieter Zetsche versichert zwar, dass keiner der Beschäftigten, die heute für Smart arbeiten, seinen Job verliert. Am sichersten können sich damit die 170 Smart-Mitarbeiter fühlen, die in Böblingen bei Stuttgart in Vertrieb und Entwicklung tätig sind. Sie können mit konzerninternen Angeboten rechnen. Zetsches Garantie gilt jedoch nur für Daimler-Angestellte. Ungewissheit erwartet daher die Fabrikarbeiter in Slowenien. Dort baut der Partnerkonzern Renault in Daimlers Auftrag die Smart-Viersitzer. Dem Werk, in dem Renault den Kleinwagen Twingo fertigt, droht durch den Abzug der Produktion nach 2022 ein Auslastungsproblem.

Auch in Hambach erzeugt die Ankündigung Unsicherheit. Das historische Smart-Werk in Lothringen, wo die Zweisitzer gebaut werden, gehört Daimler. Für die etwa 750 direkt Angestellten gilt die Jobzusage demnach. Allerdings rätseln die Arbeitnehmervertreter, wie die Fabrik künftig ausgelastet werden soll: Dort stellt Daimler schon im Juni die Fertigung der Smart-Modelle mit Verbrennungsmotor ein. Die verbleibenden Elektromodelle machen aber nur ein Viertel der bisherigen Produktion aus. In den nächsten Jahren soll in Hambach zwar ein Kompaktwagen der neuen Mercedes-Elektromarke EQ gefertigt werden, der dann für mehr Arbeit sorgt. Doch wann genau, dazu hüllt sich Daimler in Schweigen. Hambach erwartet womöglich eine längere Durststrecke. Deren Leidtragende könnten vor allem die 800 Mitarbeiter von Smart-Zulieferern im Umland des Werks sein.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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