Siemens und seine schwarzen Kassen:Zwei Männer packen aus

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"Habt ihr eine Ahnung, wie es auf der Welt zugeht?" - Das Geständnis inhaftierter Mitarbeiter legt den Verdacht nahe, dass Bestechung bei dem Unternehmen zum System gehört - die Führung bringt dies in Erklärungsnot.

Hans Leyendecker und Klaus Ott

Aus der Welt der Geheimdienste stammt der schöne Begriff des "Only-what-you-need-to-know": Er steht für ein System der Abschottung von Informationen. Bei heiklen Operationen soll nicht jeder alles wissen und nur so viel erfahren, wie absolut notwendig ist. Wenn die Geständnisse der im Siemens-Korruptionsfall arrestierten Leute aus dem Unternehmen stimmen, ging es bei dem Weltkonzern manchmal genau so zu wie bei den Geheimen.

Klaus Kleinfeld, Vorstandschef der Siemens AG. (Foto: Foto: AP)

Als Anfang 2004 das System der schwarzen Kassen aufzufliegen drohte, sei er zu Thomas Ganswindt gegangen, damals Vorstand und Chef der Netzwerksparte ICN, behauptet ein in Haft sitzender ehemaliger Siemens-Mitarbeiter in seiner Vernehmung am Donnerstag vergangener Woche. Ganswindt habe sofort eine Rauschanlage in seinem Zimmer angestellt. So sollte verhindert werden, dass draußen einer mitbekam, was drinnen besprochen wurde.

Es sei um sogenannte Provisionszahlungen gegangen, also Schmiergeld. Er habe Ganswindt berichtet, dass in nächster Zeit etwa 15 Millionen Euro nach Griechenland fließen sollten, zehn Millionen nach Nigeria und rund zehn Millionen in Staaten der früheren Sowjetunion. Das sei zu viel. Der Einsatz von Schmiergeld müsse reduziert werden, denn es drohten strafrechtliche Probleme. In Italien werde schon ermittelt, und nichts sei mehr sicher. Ganswindt solle beim Vertrieb darauf hinwirken, dass die Kunden ihre Forderungen reduzierten.

Rauschanlage hinter Vorstandstüren? Geheimdienstgetue am Wittelsbacher Platz in München, dem Stammsitz von Siemens? Stimmt das wirklich oder versucht ein Beschuldigter, den Sumpf zu vergrößern, damit am Ende alle darin versinken? Ganswindt jedenfalls will sich zu all dem nicht öffentlich äußern. Über einen Sprecher lässt er am Freitagabend allerdings mitteilen, er verfolge "die laufenden Ermittlungen bei Siemens sehr aufmerksam". "Mit der Staatsanwaltschaft und anderen Behörden" werde er "selbstverständlich kooperieren", wenn dies "erforderlich" sein sollte.

Ein anderer Untersuchungshäftling berichtet Ähnliches. Er sei seit etwa 1994 Geldbote und Verwalter schwarzer Kassen gewesen. Bis zur zweiten Ebene, auf der Scheinfirmen ihre Scheinrechnungen stellten, sei er im Bilde gewesen. Die Offshore-Plätze mit den Briefkastenfirmen habe er nicht gekannt, und wer am Ende das schwarze Geld kassiert habe, sei ihm nicht gesagt worden. Dafür sei er ein zu kleines Licht gewesen. In diesen Bereichen, belehrte er die Vernehmer, würden keine Fragen gestellt, sie würden auch nicht beantwortet werden.

Wüste Materie

Abschottung, Hierarchien, Ebenen - und wer hatte den Durchblick? Es ist für die Fahnder nicht leicht, in diesen Tagen noch einen Überblick zu behalten. Die wüste Materie überfordert derzeit selbst erfahrene Strafverfolger. Jeder Schlag ins Kontor zieht einen anderen nach sich.

Aber vorläufig bleibt in einer ersten Bilanz festzuhalten: Es geht um hohe Schmiergeldsummen, um Zahlungen an Politiker und Chef-Manager, und der Krimi geht erst richtig an. Die beschlagnahmten Unterlagen, die Protokolle der ersten Vernehmungen lassen den Verdacht aufkommen, dass selbst ein Mitarbeiter der Saubermänner-Abteilung bei Siemens, der sogenannten Compliance-Abteilung, Mitte dieses Jahres eingeweiht wurde.

Er sei zu einem Mitarbeiter dieser Abteilung gegangen, berichtete einer der Inhaftierten. Der Gegenüber habe ihm erklärt, dass er, wenn die Ermittler denn einmarschierten, nicht alles sagen müsse, was er wisse. "Im Klartext war das ein Hinweis, ich sollte nichts sagen." Ein Siemens-Kollege, der das angebliche Gespräch mit dem Mitarbeiter der Compliance-Abteilung vermittelt hätte, habe von "individuellen Pensionszusagen" gesprochen.

Schweigegeld? Mag der Außenstehende nach Luft schnappen - was da sichtbar wird, ist kein adretter Krimi, sondern ein unendlich verfilztes unappetitliches Knäuel, in dem möglicherweise Spitzenmanager des Weltkonzerns drinhängen. Die in diesen Tagen kolportierte Geschichte von der Bande aus dem Souterrain des Konzerns, die mit raffinierten Methoden Millionen erbeutet habe, ist offenkundig eine Legende. Vieles deutet darauf hin, dass es hier möglicherweise um ein System Siemens geht. "Der Mensch fällt vom höchsten Berg ins tiefste Tal", lautet eine alte aramäische Weisheit.

Korruptionisbiotop einer Weltfirma

as individualistische Zurechnungskonzept des klassischen Strafrechts, in dem es einen Täter und ein Opfer gibt, reicht nicht hin, um den Fall zu beschreiben. Er könnte sogar die alten Forderungen der Korruptionsfahnder nach einem neuen Unternehmensstrafrecht wiederaufleben lassen. Schließlich ist das Problem der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen bis heute ungelöst. Der Außenstehende braucht eine Weile, um auch nur einen ungefähren Eindruck von der üppigen Vielfalt des Korruptionsbiotops einer Weltfirma zu bekommen, und es scheint, dass auch die da drinnen nicht mehr durchblicken oder nicht durchblicken wollen.

Ungelöste Fälle erscheinen plötzlich in neuem Licht. Da ist die Geschichte mit dem ehemaligen Generalbevollmächtigten der CDU-Schatzmeisterei, Uwe Lüthje, der noch bis an sein Sterbebett heilige Eide schwor, dass der Konzern seine Partei in den achtziger Jahren aus schwarzen Kassen in der Schweiz mit fünf oder sechs Millionen Mark ausstaffiert habe.

Ein Siemens-Vorstandsmitglied habe ihm angeblich anvertraut, dass das Geld aus einem Topf für Schmiergeldzahlungen im Ausland stamme. Da war jener rührende Ex-Siemens-Manager, der im Frühjahr 2005 vor der Konzernzentrale in München einen Hungerstreik abhielt und seinem Ex-Arbeitgeber vorwarf, zu Lasten des deutschen Steuerzahlers russische Auftraggeber geschmiert zu haben. Nichts dran, teilte der Konzern mit, was natürlich auch für den Fall Lüthje galt: "Wir haben die Vorwürfe überprüft, es gibt keine Beanstandungen."

Im Knast zu Stadelheim sitzt derzeit ein 56-jähriger Siemens-Mitarbeiter, dem zum Stichwort frühere Sowjetunion auf Anhieb etwas einfällt. Da sei ein Schließfach bei der UBS-Bank in Zürich gewesen, erzählte er den Ermittlern, die ihn in diesen Tagen vernehmen und da sei Schwarzgeld gebunkert worden. Hunderttausende Euro oder auch mal eine Million habe er abgehoben und dann weitergereicht. Für Provisionen in ehemaligen Sowjetrepubliken. Und wie war das mit Russland?

Die Russen hätten immer Barzahlung verlangt. Transfers auf Konten hinterlassen Spuren. Cash ist sicherer. "Cash in de Täsch", sagt der Rheinländer. Er werde auf jeden Fall mit den Ermittlern kooperieren, hat der Siemens-Mann den Beamten im Bayerischen Landeskriminalamt zugesichert, aber er möchte nicht nur die Kleinen, sondern auch die Verantwortlichen in den höheren Ebenen benennen.

Beim Verhör erzählt einer von einem Siemens-Manager, der für Griechenland zuständig gewesen sei. Beim Kampf um die Klientel seien größere Summen geflossen, auch im Millionenbereich. Kaum hat er den Satz gesagt, fällt ihm ein, dass auch ein Manager, der für Ägypten zuständig war, hohe Summen zum Beatmen der Kundschaft, wie das in der Schmiergeldsprache heißt, bekommen habe. Was es mit dem Project Telekonicasi Indonesia auf sich habe, wollten die Ermittler wissen. Daran könne er sich noch erinnern, sagte der Siemens-Mann.

Über angebliche Beratungsleistungen einer Firma sei "Kapital generiert" worden. Projekt Vietnam Post und Telekommunikation? Lief genauso. Projekt Saudi Telekom Company? Genauso. Projekt Ministery of Communication of Kuweit? Genauso. Die Strafverfolger rechneten mit. Bei sechs Verträgen seien also 20,55 Millionen Euro von Siemens in dunkle Kanäle geflossen. Die Summe überrasche ihn nicht, erklärte der Manager. Das sei doch für Siemens-Verhältnisse ein eher kleiner bis mittlerer Betrag gewesen. Immerhin müsse man die Summe im Vergleich zum mehr als zehn Milliarden großen Gesamtumsatz des Bereichs Telekommunikaton (Com) sehen.

Haben die Ermittler vielleicht eine andere Wirklichkeit im Kopf als die Siemens-Manager, die in 190 Ländern dieser Erde Niederlassungen haben und um Aufträge kämpfen. "Die Amerikaner setzen ihre Nachrichtendienste ein, um Aufträge zu bekommen, die Franzosen schalten ihre Botschaften ein - und was machen wir?" fragt ein Siemens-Manager, der nicht genannt werden möchte. "Habt ihr von der Zeitung oder haben die von der Polizei überhaupt eine Ahnung, wie es auf der Welt zugeht?", setzt er nach und ereifert sich. Da heißt es zugreifen, ehe es zu spät ist, einsteigen, bevor der Zug abgefahren ist.

Hängt die Beurteilung von Recht und Unrecht vielleicht davon ab, ob man vom Berg oder aus der Ebene guckt? Für einen Kriminalkommissar der Besoldungsgruppe A9 etwa, der rund 2501 Euro brutto verdient, es mit Familienzuschlägen, Erschwerniszulagen, ein bisschen Kindergeld und der Vergütung von Mehrarbeit durch Anordnung auf vielleicht 3000 Euro brutto bringen kann und der allenfalls einen Kugelschreiber als Präsent annehmen darf, sind 20,55 Millionen Euro eine unvorstellbare Summe Geld.

Selbst für ein kleines Siemens-Licht, wie jenen in Stadelheim einsitzenden kaufmännischen Angestellten, scheint diese Riesensumme überschaubar. Er war nach eigenen Angaben über ein Geheimkonto in Salzburg informiert, über das 150 bis 200 Millionen Mark im Jahr abgewickelt worden seien.

"Nützliche Aufwendungen"

Als der 56-jährige Mitarbeiter vor ein paar Tagen festgenommen wurde, haben ihn die Beamten schon auf der Fahrt ins Gefängnis gelöchert. Sie haben ihn nach dem Verbleib von Schmiergeld befragt, und das war dem Arrestierten sichtlich unangenehm. Später noch hat er angemerkt, dass ihm der Begriff "Nützliche Aufwendungen" viel besser als das schmutzige Wort gefalle. Nützliche Aufwendungen werden in der Branche mit NA abgekürzt. Solche Aufwendungen konnten in Deutschland bis 1998 noch von der Steuer abgesetzt werden, wenn sie im Ausland eingesetzt wurden. Auch fand der Siemens-Mann den Begriff "Provisionen" viel besser und treffender als das böse Wort "bestechen".

Ohnehin scheint es sich um einen Fall zu handeln, bei dem die Beteiligten verschiedene Soziolekte sprechen. Versteht das Unternehmen beispielsweise unter dem Wort Korruptionsbekämpfung dasselbe wie der Rest der Republik? Der langjährige Siemens-Vorstandsvorsitzende und heutige Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer hat zwar bei seiner letzten Hauptversammlung als Siemens-Chef im Januar 2005 erklärt, dass er mit den Fortschritten bei der Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten im Konzern "nicht hundertprozentig zufrieden" sei, aber diesen Hinweis hat damals kaum jemand verstanden.

Immer wieder geriet danach der Konzern in Verdacht, Mitarbeiter hätten mit Geld die jeweilige Landschaft gedüngt, um zum Zuge zu kommen. Es brennt an vielen Ecken: In Ungarn wurde in diesen Tagen ein früherer leitender Siemens-Angestellter wegen des Verdachts auf Bestechung angeklagt.

Seit März 2006 liegt beim Landgericht Darmstadt die Anklage gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied und einen weiteren ehemaligen Mitarbeiter des Firmenbereichs "Power Generation" der Siemens AG. Die beiden Männer (Korruption ist männlich) werden beschuldigt, in der Zeit zwischen 1999 und April 2002 an zwei Geschäftsführer der früher staatlichen italienischen Energieversorgungsunternehmen Enel Produzione S.p.A und Enelpower S.pA. mit Sitz in Mailand rund sechs Millionen Euro Bestechungsgeld gezahlt zu haben, um bei zwei Großprojekten im Umfang von rund 340 Millionen Euro zum Zuge zu kommen.

Eine Eingreifreserve des Hessischen Generalstaatsanwalts und ein Team des Hessischen Landeskriminalamts haben zusammen mit der Staatsanwaltschaft Mailand knapp zwei Jahre lang den Fall recherchiert. Die Leitende Frankfurter Oberstaatsanwältin Hildegard Becker-Touissant fasst das Ergebnis so zusammen: Schmiergeld an zwei italienische Manager sei über Konten verschiedener Firmen und Stiftungen in Liechtenstein, Dubai und Abu Dhabi auf die Konten der italienischen Manager geflossen. Das Geld stammte nach Feststellungen der Ermittler zumindest teilweise aus einer schwarzen Kasse außerhalb der offiziellen Siemens-Buchhaltung. Etwa zwölf Millionen Schweizer Franken sollen nach Feststellungen der Ermittler überwiegend für NA eingesetzt worden sein.

Vorne ein ehrwürdiges Beerdigungsinstitut, hinten ein wilder Saloon

Von nichts kommt nichts, und eine Hand wäscht die andere - meist zum Nachteil eines Dritten. Die Münchner Staatsanwaltschaft und eine Sonderkommission des Landeskriminalamts ermitteln in diesen Tagen mit einem so großen Aufgebot, als gehe es gegen einen Staatsfeind. Am ersten Tag, als sie zuschlugen und in die Siemens-Zentrale einmarschierten, waren alle elf Staatsanwälte der von der Oberstaatsanwältin Regina Sieh geleiteten Anti-Korruptionsabteilung im Einsatz plus erfahrene Kriminalbeamte. Jetzt treiben zwei Strafverfolger und eine Sonderkommission des LKA den Fall voran.

Sie haben das Recht auf ihrer Seite, denn das Zusammenleben in einer zivilisierten Gesellschaft setzt den Konsens über die Einhaltung gewisser Spielregeln voraus. Dazu gehört, dass Schmieren nicht erlaubt ist. Nach außen ging es bei Siemens zu wie in dem Film "Manche mögen's heiß": Vorne ein ehrwürdiges Beerdigungsinstitut, hinten ein wilder Saloon.

Vorne waren in den Auslagen Regeln für den sauberen Umgang in der Wirtschaft: Beispielsweise das Vier-Augen-Prinzip: Bei Vertragsabschluss unterzeichnen mindestens zwei Vertreter des Unternehmens. Siemens wurde korporatives Mitglied bei der weltweit größten Anti-Korruptionsorganisation Transparency International, die jedes Jahr mit ihrem Korruptions-Wahrnehmungs-Index weltweit Aufsehen erregt. Manches spricht dafür, dass Deutschland 2007 durch den Fall Siemens abrutschen und vielleicht sogar hinter Chile landen wird.

In Erinnerung kommen in diesen Tagen Szenen aus dem ersten großen Siemens-Korruptionsprozess Anfang der neunziger Jahre. Vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts München wurde damals Siemens-Managern der Prozess gemacht, weil sie beim Bau des städtischen Klärwerks geschoben und geschmiert hatten. Es stank aus allen Kanälen, die Sickergruben quollen über.

Der Vorsitzende Richter Günter Bechert fragte damals immer wieder nach der Firmenphilosophie. Er wollte wissen, ob solche Schmiergeldzahlungen, die damals schon über Schweizer Konten abgewickelt wurden, üblich seien. Nein, erklärten die angeklagten Siemensianer, deren Anwaltskosten zum großen Teil vom Konzern bezahlt wurden. Es handele sich um bedauerliche Einzelfälle.

Ein Einzelfall war natürlich auch der legendäre frühere Siemens-Mitarbeiter Joseph K., der "Mister drei Prozent" genannt wurde, weil er als Mittelsmann eines Elektrokartells bei Auftragsvergaben mit Listen behilflich sein konnte. Nach der Verurteilung von fünf Siemens-Beschäftigten wegen Bestechung und Betrugs erklärte damals die Konzernleitung: "Wir bedauern und missbilligen gesetzwidrige Praktiken."

War das ernst gemeint? Die Inhaftierten, die plaudern, beschreiben eine andere Wirklichkeit. Angeblich wurde, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als der erste große Siemens-Korruptionsfall in München Wirbel machte, ein ausgetüfteltes System mit dem verharmlosenden Titel "Provision für Kundenaufträge" erarbeitet. Alles hatte seine Ordnung: Zuerst mussten Auftragsland, Projekt und Projektwert festgehalten werden - dann wurde der Schmiergeldbetrag errechnet.

In Italien verjährt Bestechung nicht - also wurden Reisen nach Italien eingestellt

Der technische und der kaufmännische Regionalleiter sollen unterzeichnet haben. Dann seien, so ein Mitarbeiter, Zahlungen auf Firmen-oder Namens- oder Nummernkonten angewiesen worden. Mitte der neunziger Jahre habe es zwei große Töpfe bei Banken in Innsbruck und Salzburg gegeben.

Nachdem dann 1997 die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung weltweit die Bestechung im Ausland geächtet habe, seien die Regeln umgestellt worden. Es wurden Scheinfirmen zwischengeschaltet, die Geld an Offshore-Firmen überwiesen. Am Ende landeten die Millionen in der Schweiz. Von dort wurde das Geld dann bar oder über Konten an die zu Schmierenden gezahlt.

Ein paar Länder waren offenkundig tabu: Die USA vorneweg. Dort hätte größter Ärger mit der Börsenaufsicht gedroht. Schwarzes Geld für Manager in Italien sei als vermeintliches Nigeria-Geschäft getarnt worden, berichtete ein Mitarbeiter. Die Umwegzahlung sei dann aufgefallen.

In Italien verjährt Bestechung nicht, und fortan reisten einige Siemens-Leute nicht mehr ins Ausland. Auch Fahnder in Österreich waren aufmerksam geworden. Die bedrängten Siemens-Manager suchten einen Ausweg. Irgendwann 2002, die Angaben über den Termin gehen auseinander, trafen sich dann im Alten Wirt in Forstenried bei München mindestens vier Siemens-Leute, um nach einem Ausweg zu suchen: "Alle guckten auf mich", berichtete einer der verhafteten Mitarbeiter. Er habe sich fortan um diese Sonderaufgabe gekümmert.

Natürlich alles nach dem only-what-you-need-to-know-Prinzip. Er habe sich absolutes Vertrauen ausbedungen, erklärte der Manager schwarzer Kassen bei der Vernehmung etwas förmlich. Einer der Anwesenden habe ihm zugesichert, dass er keine Probleme mit der internen Revision bekommen werde. Ein anderer habe gesagt, dass auch das Rechnungswesen keine Sperenzchen machen werde. Der dritte habe erklärt, er werde ihm "ewig dankbar sein". Auch die Ewigkeit dauert nicht ewig.

© SZ vom 25.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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