Siemens-Skandal:Ehemaliger Finanzvorstand schwer beschuldigt

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Im Skandal um schwarze Kassen und Schmiergeldzahlungen bei der Siemens AG liegen der Staatsanwaltschaft schwere Anschuldigungen gegen den früheren Finanzvorstand Neubürger vor.

Klaus Ott und Markus Balser

Ein vormaliger Top-Manager aus der Sparte Telekommunikation (Com), der in Untersuchungshaft sitzende Michael Kutschenreuter, soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereits Ende vorvergangener Woche bei einer bis in die Nacht dauernden Vernehmung ausgesagt haben, ein junger Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sei bei der Prüfung des Jahresabschlusses 2004 auf merkwürdige Zahlungsvorgänge gestoßen.

Der Schmiergeld-Skandal bei Siemens sorgt für immer neue Schlagzeilen. (Foto: Foto: AP)

Kutschenreuter soll weiter ausgesagt haben, von erfahrenen Mitarbeitern der KPMG - sie testiert die Bilanzen von Siemens - seien solche Vorgänge üblicherweise ignoriert worden. Er, Kutschenreuter, habe dann mit dem damaligen Finanzvorstand Neubürger über diese Situation gesprochen.

Neubürger habe ihm, Kutschenreuter, daraufhin zugesagt, dieses Thema im Sinne von Siemens mit einer Führungskraft der KPMG zu besprechen. Danach habe sich eine KPMG-Mitarbeiterin für den Übereifer ihres jungen Kollegen entschuldigt.

Die KPMG hatte vergangene Woche erklärt, sie weise die Unterstellung zurück, man habe bei der Jahresabschlussprüfung 2004 Berichtspflichten verletzt: ,,Wir sind unseren Berichtspflichten nachgekommen.''

Keine Stellungsnahme von Siemens

Vergangene Woche waren erste Details der Aussage von Kutschenreuter bekannt geworden, allerdings noch ohne die angebliche Verwicklung Neubürgers. Ein Siemens-Sprecher erklärte am Sonntag, man nehme zu den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht Stellung.

Siemens sah sich auch nicht in der Lage, für die SZ einen Kontakt zu Neubürger herzustellen: ,,Er arbeitet nicht mehr für uns, wir sind nicht seine Vermittlungsstelle.''

Neubürger war im Mai 2006 im Alter von 53 Jahren überraschend aus seinem bis September 2007 laufenden Vertrag als Finanzvorstand ausgestiegen. Das geschehe aus ,,persönlichen Gründen'', erklärte Siemens damals.

Pierer lehnt Rücktritt ab

Neubürger war 1998 Finanzvorstand geworden und galt als enger Vertrauter des früheren Konzern- und heutigen Aufsichtsratschefs Heinrich von Pierer. Neubürger wurde sogar als Nachfolger Pierers an der Konzernspitze gehandelt. Den Vorstandsvorsitz übernahm Anfang 2005 dann allerdings Klaus Kleinfeld. Pierer sagte am Wochenende in mehreren Interviews, er trete nicht zurück.

Nach der Verhaftung des ehemaligen Zentralvorstandes Thomas Ganswindt ist Neubürger der zweite frühere Spitzenmanager von Siemens, der schwer beschuldigt wird. Ganswindt war im Vorstand für die Sparte Com zuständig gewesen.

In diesem Bereich waren nach bisherigen Erkenntnissen in den vergangenen zehn Jahren mehrere hundert Millionen Euro in schwarze Kassen geschleust worden, um weltweit Schmiergeld für lukrative Aufträge zahlen zu können.

Einen Teil der schwarzen Kassen hatte der frühere Com-Angestellte Reinhard S. angelegt, der in einem umfassenden Geständnis sowohl Kutschenreuter wie auch Ganswindt massiv belastete.

Ebenso wie Kutschenreuter sagte auch S. aus, der KPMG seien bestimmte Zahlungsvorgänge verdächtig vorgekommen. Die KPMG habe das in einem Prüfbericht erwähnen wollen.

Prüfbericht beeinflusst

S. sagte weiter, er habe mitbekommen, dass offensichtlich von hoher Stelle beziehungsweise Vorstandsseite bei Siemens darauf hingewirkt worden sei, dass dies aus dem Prüfbericht herausgenommen werde. Nach seiner Mutmaßung könne das nur der damalige Finanzvorstand Neubürger zusammen mit der KPMG so geregelt haben.

Die KPMG hatte bereits Ende vorvergangener Woche auch diese Vorwürfe zurückgewiesen. Außerdem hatte die KPMG erklärt, die Staatsanwaltschaft habe ihr mitgeteilt, man gehe den Behauptungen von S. nicht weiter nach.

Erste Hinweise auf fragwürdige Zahlungsvorgänge soll es nach SZ-Informationen bereits Mitte 2001 gegeben haben. Bei einer eingehenden Kostenanalyse mehrerer Prüfungs- und Beratungsgesellschaften in den Kommunikationssparten Festnetz (ICN) und Mobilfunk (ICM) seien hohe Kosten aufgefallen, die man nicht habe einordnen können, heißt es aus Konzernkreisen.

Dabei soll es sich zum großen Teil um merkwürdige Beraterverträge gehandelt haben. Siemens-Finanzchef Joe Kaeser, der 2001 Bereichsvorstand im Mobilfunkgeschäft wurde, sowie Zentralvorstand Rudi Lamprecht, zur fraglichen Zeit Bereichsvorstandschef für Mobilfunk, hätten von fragwürdigen Beraterverträgen damals nichts erfahren, sagte ein Sprecher des Unternehmens.

Weiter könne er sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Nach Konzernangaben waren fragwürdige Zahlungen in Höhe von 420 Millionen Euro erst in den vergangenen Wochen intern ermittelt worden.

(SZ vom 18.12.2006)

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