Siemens Energy:Wenn die Kohle fehlt

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Siemens Energy und das Börsenparkett in Frankfurt: Seit Ende September ist das Unternehmen eigenständig und börsennotiert. (Foto: Ralph Orlowski/Reuters)

Nur sechs Wochen nach dem Börsengang verkündet Siemens Energy einen Milliardenverlust. Und dann kommt noch der Ausstieg bei fossilen Kraftwerken.

Von Caspar Busse, München

Es war eine besondere Premiere: Erst vor sechs Wochen, Ende September, hatte Siemens seine Energiesparte abgespalten und als eigenständige Firma an die Börse gebracht. Jetzt legte Vorstandschef Christian Bruch erstmals eine Bilanz für das abgelaufenen Geschäft vor - virtuell, wie in diesen Tage üblich. Die Zahlen fielen aber schlecht aus, unter dem Strich steht ein Verlust von 1,9 Milliarden Euro. Und für die Zukunft konnte Bruch, erst seit dem Frühjahr im Amt, auch nicht viel Hoffnung machen. Er wollte sich nicht darauf festlegen, ob im neuen Geschäftsjahr, das Anfang Oktober begonnen hat, unter dem Strich erneut ein hoher Verlust oder ein Gewinn stehen wird. Aber immerhin soviel: Im operativen Geschäft soll eine Marge zwischen drei und fünf Prozent erzielt werden.

Siemens-Chef Joe Kaeser hatte die Energiesparte mit 90 000 Mitarbeitern ausgegliedert, an die eigenen Aktionäre abgegeben und nur eine Minderheitsbeteiligung behalten. Der Grund: Das Geschäft mit Kraftwerken, Turbinen und Übertragungstechnik ist schon seit längerem schwierig. Wie schwierig, das zeigt jetzt der Milliardenverlust. Ob 2020/21 die Wende kommt, hänge von der Höhe der Sondereffekte ab, also wie teuer der weitere Umbau des Unternehmens und ein möglicher Abbau von Jobs sein werden, sagt Bruch. Damit ist auch offen, wann Siemens Energy eine Dividende an seine Aktionäre zahlen wird. Die Aussichten sind nicht rosig: Bruch betonte mehrmals, dass die begonnene Transformation des Unternehmens einige Zeit in Anspruch nehmen werde.

Für einen Großteil des nun aufgelaufenen Milliardenverlusts werden Sondereffekte verantwortlich gemacht: So kosteten Wertminderungen und Abschreibungen fast eine Milliarde Euro - unter anderem hatte Siemens Energy die Aussichten für einen Teil seines Gasturbinengeschäfts nach unten gesetzt. 376 Millionen Euro Sonderbelastungen gab es wegen des Umbaus, die Loslösung von Siemens schlug mit immerhin 195 Millionen Euro zu Buche, auch das eine hohe Summe. Unklar ist, was jetzt noch folgen wird. "Wir verändern viel im Unternehmen", betonte Bruch, wo und was sei noch offen.

(Foto: SiemensE_111120)

Im abgelaufenen Geschäftsjahr sank der Umsatz von Siemens Energy um fünf Prozent auf 27,5 Milliarden Euro. Alarmierend: Im letzten Quartal ging das Auftragsvolumen um 24 Prozent zurück, der Umsatz überdurchschnittlich um acht Prozent. Per Ende September lag der gesamte Auftragsbestand bei 79 Milliarden Euro. Eigentlich war erwartet worden, dass Siemens Energy die Talsohle schon durchschritten hat.

Aus dem Kohleausstieg ist ein "Ausstieg light" geworden

Und es wird in Zukunft weiteres Geschäft verlorengehen - Bruch gab einen teilweisen Abschied von der Kohle bekannt. Dieser Bereich war zuletzt besonders umstritten, Umweltschützer kritisieren immer wieder die besonders schädlichen Auswirkungen von Kohlekraftwerken. Der scheidende Siemens-Chef Kaeser, der auch Aufsichtsratsvorsitzender bei Siemens Energy ist, hatte bereits angekündigt, dass das Kohlegeschäft aufgeben werden soll. Doch nun wird es erst einmal einen "Ausstieg light" geben. Man werde sich ab sofort zwar nicht mehr an neuen Ausschreibungen für Projekte beteiligen, in denen reine Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung gebaut werden, sagte Bruch. Bereits bestehende Verpflichtungen würden aber weiter erfüllt. Das beinhaltet neben dem gewinnträchtigen Servicegeschäft auch Ausschreibungen, bei denen Siemens Energy bereits verbindliche Angebote abgegeben hat. Auch Geschäfte mit Kraft-Wärme-Kopplung sind ausgenommen.

Schon dieser Teil-Ausstieg werde einen niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentsatz des Umsatzes kosten. Es gehe um "durchaus profitables Geschäft", sagte Bruch. Und: "Der Schritt tut uns weh." Zu Auswirkungen auf Standorte und Mitarbeiter gab es keine Aussage. Bruch bekannte sich zudem ausdrücklich zum Gasgeschäft, hier sei ein Ausstieg nicht geplant. Gas sei sehr wichtig als Zwischenlösung auf dem Weg zur vollständigen Energiewende.

Eigentlich liegt die Zukunft auf dem Energiemarkt bei erneuerbaren Ressourcen. Hier ist Siemens Energy mit dem Windkraftanlagenbauer Siemens-Gamesa aktiv. Das Unternehmen, das ebenfalls mit Umsatzrückgang und Verlusten kämpft, ist an der Börse insgesamt sogar mehr wert als Siemens Energy. Siemens hält nur etwa zwei Drittel der Aktien an Gamesa. "Es gibt keine aktive Planung, die ausstehenden Anteile zu übernehmen", sagte Bruch. Die Siemens-Energy-Aktie gab am Dienstag nach.

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