Selbstoptimierung der Manager:Macht euch locker!

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Das möchte man Spitzenkräften gern zurufen. Krankheit ist in der Chefetage noch immer tabu, gehört aber zum Leben dazu - und zur Arbeit.

Kommentar von Catherine Hoffmann

Wer in der Chefetage arbeitet, darf keine Schwäche zeigen: Krankheit ist dort noch immer tabu. Erzählt ein Manager dann doch einmal von einem bösen Unfall ( wie SAP-Chef Bill McDermott in dieser Woche) oder einer schweren Krankheit ( wie der frühere Infineon-Chef Peter Bauer, der daraufhin zurücktrat), gilt das als Sensation. Angestellte können heute mit einem Ring im Ohr Karriere machen, hetero- oder sonst wie sexuell sein, uneheliche Kinder haben. Alles in Ordnung. Nur: Krank sein, das dürfen sie nicht. Schon gar nicht als Führungskraft. Ein guter Chef ist stets topfit und zu 100 Prozent verfügbar - auch wenn das eine unmenschliche Forderung ist.

Man möchte den schlanken, durchtrainierten Spitzenkräften gern zurufen: Macht euch locker! Krankheit gehört zum Leben dazu - und auch zur Arbeit. Besser, wir lernen einen unverkrampften Umgang mit unseren physischen und psychischen Schwächen. Aber so weit reicht die Freiheit im Büro dann doch nicht.

Selten wird so viel verschwiegen und beschönigt wie bei diesem Thema. Viele Angestellte nehmen sich lieber Urlaub für eine Therapie, als sich krank zu melden; sie schleppen sich angeschlagen ins Büro und halten den wahren Grund ihrer Müdigkeit geheim. Denn sie befürchten: Wer krank ist, gehört nicht mehr dazu. Er stört an jenem Ort, der so bedingungslos auf Effizienz und Effektivität getrimmt ist. Er wird zum Fremdkörper. Und das ist dann einer dieser Augenblicke, in denen sich eine Krankheit noch schrecklicher anfühlt, als sie es ohnehin schon ist.

Heute sind Fitness und Gesundheit Pflicht

Der weit verbreitete Selbstoptimierungswahn macht dieses Gefühl nur noch schlimmer. Früher war der eigene Körper Schicksal. Wer krank oder hässlich war, musste sich damit arrangieren; und wer schön und kräftig war, hatte einfach Glück gehabt. Heute sind Fitness und Gesundheit Pflicht. Gerade in den oberen Etagen herrscht ein krankhaft anmutender Wettstreit marathonlaufender Manager, die glauben, dass jeder selbst dafür verantwortlich ist, ob er gesund bleibt und jugendlich aussieht. Das macht es nicht gerade leichter, offen über Schwächen zu reden.

Nun soll niemand gezwungen werden, über seine Krankheit zu sprechen, sie ist etwas zutiefst Privates, geschützt durch ärztliche Schweigepflicht und Persönlichkeitsrechte. Aber es muss möglich sein. Viele Manager befürchten jedoch, dass offene Worte ihrer Karriere schaden könnten, selbst wenn sie nur vorübergehend beeinträchtigt sind. Wie im Beruf mit dem Thema umgegangen wird, hängt sehr von der Art der Leiden ab. Wer von einer schweren Erkrankung oder einem Unfall getroffen wird, soll sich zurückziehen dürfen und muss dies vielleicht auch im Interesse des Unternehmens tun. Wer nur für ein paar Monate ausfällt, hat hoffentlich einen guten und fairen Stellvertreter, bis er genesen ist. Und wer chronisch krank ist, muss die Chance haben, kürzerzutreten.

Viele Kranke können gut arbeiten - und sie wollen dies oftmals auch. Allerdings verschieben sich mit einer Erkrankung die Grenzen der Belastbarkeit. Wer mehr Zeit für sich braucht, muss seine Arbeitszeit verkürzen dürfen. Das gilt auch für Chefs. Oftmals glauben sie, dass der Konzern mit ihnen steht oder fällt: Nüchtern betrachtet gibt es aber in großen Unternehmen genügend kluge Köpfe, die aushelfen können. Kein Manager führt einen Konzern allein. Warum also soll nicht auch der Chef Teilzeit arbeiten und selbst entscheiden, wann er verfügbar ist? Das wäre ein Stück Normalität, die guttäte.

Am Umgang mit Kranken zeigt sich, wie menschlich ein Unternehmen ist.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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