Selbständigkeit:Ein Arbeitstag nur für Bürokratie

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Selbst und ständig: Ein Geschäftsmann sitzt telefonierend mit Akten und Laptop im Biergarten. (Foto: Arno Burgi/dpa)

Selbständige und Freiberufler beklagen große Belastungen durch Bürokratie. Laut einer Umfrage geht im Schnitt ein kompletter Arbeitstag dafür drauf. Trotzdem würden sich die meisten wieder für die Selbständigkeit entscheiden.

Von Jonas Tauber und Katrin Berkenkopf, Köln

Für Selbständige und Freiberufler entwickelt sich die Beschäftigung mit bürokratischen Aufgaben immer mehr zu einer großen Belastung: Im Durchschnitt verwenden sie rund acht Stunden und damit einen kompletten Arbeitstag pro Woche auf die Bürokratie. "Und eigentlich gehen alle davon aus, dass es noch mehr wird", sagte Karsten John, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infas Quo, bei der Vorstellung einer Studie zur wirtschaftlichen Lage und den Sorgen Selbständiger.

Dabei variiert die Belastung deutlich, auch in Abhängigkeit von der Betriebsgröße. Während bei kleineren Selbstständigen nur sieben Prozent mehr als zehn Stunden pro Woche mit bürokratischen Aufgaben beschäftigt sind, ist es ab einem Umsatz von 150 000 Euro schon fast jeder Dritte. Immer mehr Aufwand erfordern etwa steigende Dokumentationspflichten, Steuerrichtlinien, aber auch der Datenschutz.

Deutlich größer wird die Belastung auch, wenn ein Unternehmen Mitarbeiter einstellt. Während Solo-Selbständige im Durchschnitt sechs Stunden pro Woche für bürokratische Aufgaben verwenden müssen, sind es bei den Unternehmen mit Beschäftigten durchschnittlich zehn Stunden. Allerdings sagen selbst bei den Befragten mit höherem Umsatz noch sieben Prozent, dass sie höchstens eine Stunde in der Woche auf Bürokratie verwenden, bei den kleineren ist es sogar jeder Dritte.

"Es wäre sicher hilfreich, wenn die Regierung darüber nachdenkt, wie man das für Selbständige erleichtern kann", betonte John. Denn eine wachsende Zahl kleiner Unternehmer fühlt sich durch bürokratische Vorgaben in ihrer Geschäftstätigkeit eingeschränkt: Mittlerweile sind es 56 Prozent, im Vorjahr waren es noch neun Prozentpunkte weniger. Für das Risikobarometer Selbständige hatte Infas Quo zum zweiten Mal 608 kleine Selbständige und Freiberufler im Auftrag der Fachpublikation Versicherungsmonitor befragt. Gut die Hälfte von ihnen waren Solo-Selbständige ohne Angestellte. Unterstützt wurde die Umfrage von dem Versicherer Hiscox.

Auf der Wunschliste der selbständig und freiberuflich arbeitenden Menschen steht eine Entlastung in Sachen Bürokratie deshalb ganz oben. Erwarten tun die Unternehmern allerdings das Gegenteil, nämlich eine Verschärfung der Situation. Drei von vier Befragten gehen davon aus, dass durch politische Vorgaben noch mehr Regulierung und Bürokratie auf sie zukommen. Damit wäre für mehr als jeden Dritten die Existenz "auf jeden Fall" gefährdet. Ähnlich sieht es aus beim Thema Steuern. Auch hier befürchten 74 Prozent weitere Erhöhungen, die für ein knappes Drittel sogar existenzgefährdend wären.

Die große Mehrheit würde sich trotzdem wieder für die Selbständigkeit entscheiden

Fast 60 Prozent aller Unternehmer klagen außerdem über die Häufigkeit neuer Regelungen. Daher verwundert es nicht, dass sich viele nicht gut informiert über aktuelle Regeln fühlen. Das gilt insbesondere bei den kleinen Selbständigen mit bis zu 70 000 Euro Jahresumsatz: Gerade einmal 36 Prozent von ihnen sind sich sicher, dass sie auf dem neuesten Stand sind.

Insgesamt hat sich die Politik mit ihrem Verhalten zu einem der großen externen Risiken aus Unternehmersicht entwickelt. Sie steht auf Platz vier. Angeführt wird die Liste der Risiken von der Angst vor weiter steigenden Kosten.

Bei den Bedrohungen, die mit dem Unternehmer selbst oder seinem Betrieb in Verbindung stehen, liegen Krankheit oder Unfall verbunden mit einem längeren Ausfall weiter auf Platz eins der großen Risiken. Dennoch hat mit 39 Prozent nicht einmal die Hälfte der Befragten für diesen Fall mit einer entsprechenden Versicherungspolice vorgesorgt. Und die Bereitschaft, eine solche abzuschließen, ist gegenüber dem Vorjahr sogar zurückgegangen.

Trotz aller Belastungen würde sich mit 85 Prozent die breite Mehrheit der Kleinunternehmer wieder für die Selbständigkeit entscheiden. Die damit einhergehende Freiheit ist dabei der meistgenannte Grund. "Das vergangene Jahr war ein schwieriges. Nichtsdestotrotz ist der Optimismus relativ groß", sagte der Demoskop. Nur eine Minderheit von 13 Prozent erwartet eine Verschlechterung bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Unternehmens in den kommenden zwölf Monaten, jeder Dritte geht dagegen von einem Umsatzwachstum aus.

Auch bei anderen betrieblichen Risiken wie dem Ausfall der IT oder von Maschinen sowie einem Cyberangriff verzichten viele Selbständige auf eine Versicherung. Hauptargument sind hohe Kosten oder die Überzeugung, hier keinen Absicherungsbedarf zu haben. Gerade das Cyber-Risiko werde von kleinen Unternehmen noch immer massiv unterschätzt, so Infas Quo-Chef John. "Viele glauben, mit einem guten Rechner mit Virenprogramm ist das Thema erledigt." Bei manchen Handwerkern könne dies zutreffen, bei vielen anderen Selbständigen hänge aber ihre gesamte Arbeit an der IT. "Das muss man den Menschen klarmachen."

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