Schweizer Großbank:Credit Suisse im Feuer

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Das Gebäude der Credit Suisse in Canary Wharf in London, England. (Foto: Chris J. Ratcliffe/Getty Images)

Wie es aussieht, muss kein anderes Institut mit so hohen Verlusten aus dem Skandal um den Hedgefonds Archegos rechnen.

Von Isabel Pfaff, Bern

Nein, Credit Suisse ist nicht allein betroffen von dem Finanzskandal rund um den US-Hedgefonds Archegos. Doch so wie es im Moment aussieht, muss keine andere betroffene Bank mit so hohen Verlusten rechnen wie die Nummer zwei auf dem Schweizer Finanzplatz.

Zwar hat sich die Bank bis auf ein paar dürre Zeilen am Montag immer noch nicht zu dem Debakel geäußert, entsprechend gibt es - abgesehen von der Angabe, dass er "höchst bedeutend" sein könnte - keine sichere Information zur Höhe des Schadens. Doch nach Insiderinformationen der Nachrichtenagentur Reuters und auch Angaben der Financial Times zufolge könnte sich der Verlust auf bis zu vier Milliarden Dollar belaufen. Die ebenfalls betroffene japanische Investmentbank Nomura bezifferte ihren möglichen Schaden auf zwei Milliarden Dollar. Die Lage sieht so düster aus für die Schweizer, dass ihr Aktienkurs seit Montag um rund ein Fünftel abgesackt ist.

Für Credit Suisse ist der Fall Archegos nicht nur finanziell verheerend. Schon seit fast anderthalb Jahren kommt die Bank nicht aus den Schlagzeilen: Im Herbst 2019 wurde bekannt, dass sie ehemalige Mitglieder ihrer Geschäftsleitung hatte beschatten lassen; ein paar Monate später kündigte Konzernchef Tidjane Thiam seinen Rücktritt an. Ihm folgte der vorherige Chef des Schweiz-Geschäfts, Thomas Gottstein, der die Wogen im Haus glätten sollte - doch auch Gottstein muss sich mit einem Skandal nach dem anderen auseinandersetzen.

Die jüngsten Vorfälle haben alle mit Fragen von Compliance und Risikomanagement zu tun: Im Herbst 2020 erhob die schweizerische Bundesanwaltschaft Anklage gegen Credit Suisse, weil diese Geldwäsche durch eine bulgarische Drogenhändlerbande nicht verhindert haben soll. Dann, vor wenigen Wochen, die Pleite des britisch-australischen Finanzinstituts Greensill Capital: Credit Suisse hatte Lieferketten-Fonds von Greensill im Wert von insgesamt zehn Milliarden Dollar an ihre Kunden verkauft und muss in diesem Zusammenhang mit Milliardenverlusten rechnen.

Es geht nicht mehr um einzelne Ausrutscher

Jetzt kommt der Skandal um Archegos hinzu, jenen Hedgefonds, der bekannt war für seine hoch riskanten, aber lukrativen Spekulationsgeschäfte - und dem Credit Suisse offenbar enorme Summen geliehen hatte. Als einige Aktien aus Archegos' Portfolio vergangene Woche stark fielen, fingen Banken an, ihre Sicherheiten einzufordern, doch Archegos konnte die Forderungen nicht bedienen. Im Gegensatz zu anderen Geldhäusern kam Credit Suisse nicht schnell genug aus dem Engagement heraus. Und bleibt wohl auf einem Milliardenverlust sitzen.

Es geht nun nicht mehr um einzelne Ausrutscher, die vielleicht auch mal teuer sind. Es geht inzwischen um den weltweiten Ruf der Bank. Die Nachrichtenagentur Bloomberg attestiert ihr eine "Kultur der ungezügelten Risikofreude", in der Financial Times ist die Rede von einer problematischen, weil risikoreichen Konzentration auf einzelne Kunden oder Firmen. Inzwischen hat auch die Ratingagentur Standard and Poor's den Ausblick für die Ratings der Bank von "stabil" auf "negativ" gesenkt. Der jüngste Vorfall werfe Fragen auf "zur Qualität des Risikomanagements und zum Risiko-Appetit der Gruppe", schrieben die Analysten am Dienstag.

Nun werden die Vorwürfe an Verwaltungsrat und Management der Bank lauter. Wie Bloomberg berichtet, fordert Harris Associates, einer der größten Aktionäre der Bank, Verwaltungsratspräsident Urs Rohner auf, auf sein Gehalt zu verzichten. "Angesichts der jüngsten Ereignisse und der vergangenen Leistung denke ich, dass es angemessen für Herrn Rohner wäre, auf jegliche weitere Kompensation durch Credit Suisse zu verzichten", sagte David Herro, Investmentchef bei Harris Associates. Rohner ist nur noch vier Wochen im Amt. Bei der Generalversammlung am 30. April soll der Portugiese António Horta-Osório, derzeit noch Chef der britischen Großbank Lloyds, zu seinem Nachfolger gewählt werden.

Die Generalversammlung wird wohl ungemütlich

Auch müsse die Risikokontrolle auf jeder Ebene der Bank überprüft werden, so Herro weiter. Ins Visier geraten damit auch Lara Warner, Risikomanagement- und Compliance-Chefin der Credit Suisse, sowie Brian Chin, der die Investmentbanking-Sparte leitet. Auch die Rolle von Konzernleiter Gottstein dürfte im Rahmen der Aufarbeitung nicht unangetastet bleiben.

Die Generalversammlung verspricht, entsprechend ungemütlich zu werden. Der Stimmrechtsberater Ethos rät den Aktionären, die vorgeschlagenen Managerboni für das Geschäftsjahr 2020 abzulehnen. Auch sollten die Anleger dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung keine Entlastung erteilen, um ihre Klagerechte zu wahren.

Nicht zuletzt wird sich auch die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) mit dem Vorfall beschäftigen. Auf Anfrage will die Behörde zwar den Namen des fraglichen Hedgefonds nicht bestätigen. Sie habe aber "Kenntnis von diesem internationalen Hedgefonds-Fall, in den verschiedene Banken und Finanzzentren international involviert sind." Man sei von der Credit Suisse informiert worden und stehe mit ihr "wie üblich in solchen Sachen" in Kontakt.

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