Schweiz:Lagerhalle der Nation

Lesezeit: 2 min

Die Schweiz will den Transport von Gütern in Tunnel verlagern. Doch die U-Bahn für Güter hat ein großes Problem: die Kosten.

Von Charlotte Theile, Zürich

Für Schweizer liegt die Überlegung, gewisse Funktionen unter die Erde zu verlagern, grundsätzlich nahe. Die an vielen Stellen fast unüberwindbaren Alpen haben das Land schon vor mehr als hundertfünfzig Jahre dazu gezwungen, den Tunnelbau voranzutreiben, für Handelsstraßen und Eisenbahnstrecken in das Innere der Erde vorzudringen. Und während die Nachbarländer im 20. Jahrhundert im Krieg versanken, begannen die Schweizer zudem, ihre Bevölkerung mit Bunkern zu versorgen - heute hat fast jedes moderne Haus einen Luftschutzbunker im Keller, dazu gibt es öffentliche Schutzräume. Etwa 120 Prozent der Schweizer hätten im Ernstfall einen sicheren Platz unter der Erde.

Und da wo Menschen unterirdisch untergebracht werden, verfangen auch andere Ideen schneller. Das eindrücklichste Projekt ist derzeit "Cargo sous terrain", eine U-Bahn für Güter, die in einigen Jahren einen großen Teil der Schweiz untertunneln soll. Um den wachsenden Güterverkehr, der etwa durch den Boom des Online-Versandhandels befeuert wird, abzufedern, soll etwa 50 Meter unter der Erde ein Tunnel-System errichtet werden.

Transportiert werden soll hier so ziemlich alles: Lebensmittel, Baustoffe, Hightech-Produkte, Kleidungsstücke.

Ideen wie diese gab es in der Vergangenheit auch in Deutschland. Das Besondere an Cargo sous terrain ist die große Unterstützung, die das Projekt erfährt. Die beiden großen Supermärkte des Landes, Migros und Coop, stehen ebenso hinter dem Tunnel wie die Post, die Schweizer Bundesbahnen, zahlreiche Logistikfirmen - und das schweizerische Verkehrsministerium. Wenn die Investitionskosten des ersten Teilstücks gesichert sind hat Bern angekündigt, die Bauarbeiten zu genehmigen. Steuergeld soll aber nicht investiert werden. Nachdem eine Machbarkeitsstudie Ende 2016 positiv ausgegangen ist, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Güter-U-Bahn kommt. Die Kosten allerdings sind gigantisch: Schätzungen gehen derzeit von knapp 30 Milliarden Euro aus.

Ein erstes Teilstück soll 2030 in Betrieb gehen

Die Manager hinter dem System treten schon jetzt nicht besonders bescheiden auf. Die "Lagerhalle der Nation" werde "der Welt zeigen, wie man die Logistik der Zukunft macht", sagte deren Chef Peter Sutterlüti kürzlich dem deutschen Manager Magazin. Cargo sous terrain werde das feste Lager überflüssig machen und rund um die Uhr aktiv sein, verspricht Sutterlüti - der im Moment noch auf der Suche nach Investoren ist.

Wenn alles nach dem detaillierten Plan läuft, den der kürzlich zur AG umgewandelte Förderverein ins Netz gestellt hat, wird 2030 das erste Teilstück zwischen dem Paketzentrum Härkingen im Kanton Solothurn und Zürich in Betrieb genommen werden. Ohnehin ist im sogenannten Mittelland, zwischen Bern, Basel, Zürich und Luzern gelegen, der Bedarf für eine Reduzierung des Güterverkehrs am größten. Andere Regionen der Schweiz werden dagegen nicht direkt von der U-Bahn profitieren. Zwar geht das Netz von Sankt Gallen im Nord-Osten bis Genf im Süd-Westen - doch andere südliche Regionen wie das italienischsprachige Tessin oder der Bergkanton Graubünden sollen nicht angeschlossen werden. Die Überlegungen dahinter sind klar: Städtische Zentren und "stark belastete Ballungsräume" sollen einen Teil des störenden Güterverkehrs los werden. Auf dem Land aber dürfte vieles bleiben wie es ist.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: